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Neue Wege im Bioprodukte-Marketing

Potenzial für Bio: Konzepte mit Öko aber auch Lifestyle, Ethik und Gesundheit.

von Foodaktuell Importer


Potenzial für Bio: Konzepte mit Öko aber auch Lifestyle, Ethik und Gesundheit.

Sind neue Wege im Bio-Marketing notwendig? Nein, aber vielleicht braucht es neue Energien im Marketing der Bio-Branche. Marketing, das auf den vier Instrumenten Produkt – Distribution – Preis – Kommunikation spielt, muss sich ständig den neuen Gegebenheiten anpassen.
Für Bio-Produkte gibt es dabei keine
Sonderregelungen, sondern es gilt dasselbe ABC in der Vermarktung wie für konventionell
produzierte Lebensmittel.

Sicher hat der Biomarkt von millionenschweren Marketingkampagnen profitiert. Die beiden
grössten Schweizer Anbieter halten 75% des Marktanteils. Das Wachstum fand
hauptsächlich dort und nicht im Direktverkauf oder im Bio-Fachmarkt statt.
Unterdessen ist der (Wachstums-)Markt in eine Sättigungsphase übergetreten.

Situations-Analyse

Die Ursachen für den Einbruch der
Wachstumszahlen sind vielschichtig.
Die einmalige Situation im Schweizer Detailhandel mit dem quasi Duopol von Migros und
Coop und den Anstrengungen aller Marktbeteiligten bescherte der Branche eine im
europäischen Vergleich einzigartige Konsumquote. 2003 betrug der Pro-Kopf-Konsum der
Schweizer für Bio-Produkte mit 101 EUR/Jahr doppelt so viel wie bei den zweitplatzierten Dänen!

Die ausgeprägte Marktsättigung im Schweizer Detailhandel und der verschärfte
Konkurrenzkampf durch den Markteintritt ausländischer Anbieter werden den Markt auch in
den nächsten Jahren auszeichnen. Der intensivierte Image- und Preiskampf gräbt dem
Handel Umsatz und Margen ab und beschleunigt den Konzentrationsprozess innerhalb der
Branche (Übernahme Pick-Pay-Filialen durch Denner).

Stärkere Segmentierung des Angebots

Die neuesten Anstrengungen von Manor, Migros und Coop mit den Premiumlinien Gran
Delizia, Migros-Sélection (Bild) und Coop-Fine Food sind ein überdeutliches Zeichen. Analog dem englischen
Vorbild Tesco versuchen sich die Anbieter gegenüber dem Discount zu differenzieren. Die
von Tesco kopierte Erfolgsstrategie lautet, unter dem Dach Coop oder Migros sowohl
Billigprodukte als auch Luxusartikel anzubieten.

Eine weitere Konkurrenz im höherpreisigen Segment erhalten Bio-Produkte durch den
Ausbau „gesundheitsfördernder“ Angebote. Kalorienbewusstes Essen ist ein Dauerthema.
Die Bevölkerung wird dicker und träger. In Grossbritannien wurde bereits ein Ampelsystem
am POS (Verkaufspunkt) getestet, welches die Konsumenten mit Hilfe von Farben auf
fettreiche und fettarme Produkte hinweist und damit zu einer gesunden Ernährung beitragen
will. Werbeverbote für besonders problematische (sprich fettreiche) Lebensmittel werden
diskutiert.

Preise bewegen sich in Richtung EU

Neben diesen Entwicklungen wird der Preis ein zentrales Element bei der Kaufentscheidung
bleiben. Die Preise werden sich den Verhältnissen in der EU weiter annähern und die
Konsumenten bei den Kaufentscheidungen massgeblich leiten. Die banale Erwartung der
Konsumenten wird sich weiter Richtung „more for less“ entwickeln.

Zudem ist zu erwarten, dass Schweizerinnen und Schweizer immer weniger ihres
Haushaltsbudgets für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren ausgeben werden. Waren
es 1990 noch 12.8 % des Haushaltbudgets, so sind es heute 8.3 %. Der Kuchen für den
Detailhandel wird eher kleiner als grösser, obwohl das Bevölkerungswachstum ein
moderates Wachstum möglich macht Durchaus grösser werden jedoch die
Wettbewerbsintensität und der Kampf um Marktanteile.

Mögliche Wachstumslokomotiven

Bio-Produkte, insbesondere Bio-Früchte und –Gemüse können von verschiedenen Konsum- und
gesellschaftlichen Trends profitieren. Denkbar ist, dass die Bio-Angebote neuen Schwung aus dem Westen erhalten. Bei der
Konsumgruppe „LOHAS“ (Lifestyle of Health and Sustainability) wird ein
verantwortungsvolles und naturbezogenes Leben zum dominanten Lebensstil. In den USA
machen die LOHAS bereits ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus und die „New York
Times“ vermutete, dass sich die LOHAS zum am schnellsten wachsenden Markt überhaupt
entwickeln könnten.

Der LOHAS-Anhänger
als „meditierender Bio-Feinschmecker und modebewusster Wasserstoff-
Autobesitzer“ will aber nicht auf Stil und Genuss verzichten

„Ethik Food“ und Konsum fürs
gute Gewissen haben bei den LOHAS Hochkonjunktur.
Kein Wunder wächst der Bio-Markt in den USA mit 15-20%. Alleine mit Bio-Früchten und –
Gemüse werden 2,2 Milliarden USD umgesetzt.

Silberne Revolution oder Grey Consuming

Die Alterung der Gesellschaft ist in unseren Breitengraden eine Tatsache und die „silberne
Revolution“ der daraus resultierende Megatrend, der für die Bio-Angebote wichtig wird. Die
Zielgruppe der „reifen Bevölkerung“ weist gegenüber der durchschnittlichen Schweizer
Bevölkerung ein hohes Gesundheits- und Qualitätsbewusstsein auf. Der Preis ist bei den 45-
bis 60-Jährigen tendenziell weniger wichtig. Zudem legt diese Gruppe grossen Wert auf
ökologische Produkte.

Gesundheit ist ein Trend in unserer Gesellschaft, der grösseren Einfluss auf das
Lebensmittelangebot hat. Vor allem Bio-Produkte, aber auch fettarme Produkte profitieren
von diesem Trend. Bio allgemein und Früchte und Gemüse im Besonderen werden von den
Konsumenten als gesund wahrgenommen. Früchte und Gemüse sind zudem diejenigen
Lebensmittel, bei welchen die Konsumentinnen und Konsumenten am sensibelsten sind.

Mit der Globalisierung und dem Entstehen von Massenmärkten und Grosskonzernen wächst
als Gegentrend das Bedürfnis der KonsumentInnen nach Sicherheit, Nachvollziehbarem,
Bekanntem und Authentischem. Regiosortimente wie Heidi oder AdR von der Migros sind
dabei eine ernsthafte Konkurrenz für Bio-Angebote (Bild: Luzerner Lebkuchen im Angebot der Luzerner Migros).

Regionale Herkunft wird von vielen
Konsumentinnen als wichtiger eingestuft als das Merkmal Bio. Die regionalen Bio-
Spezialitäten von Coop vereinen (zum Glück) Regio mit Bio. Momentan führt Coop über 80
Produkte im Sortiment. Das langfristige Umsatzziel dieser Linie lautet 100 Millionen
Schweizer Franken.

Wie Chancen nutzen

Wir leben in einer kaufkräftigen alternden Gesellschaft, die sich gesund ernähren will.
Aber der Bio-Umsatz in der Schweiz dümpelt. Migros
schafft ein Wachstum von 2%, während der Marktführer Coop 2005 einen Index von 98 %
erreicht hat. Man kann diese Zahlen auch als Erfolg sehen.

Wo und wie kann nun ein professionelles Marketing ansetzen und dazu beitragen, dass Bio
wieder in aller Munde ist? Einige Beispiele machen Mut und geben vielleicht Ideen. Sie sind
in der Folge entlang der Marketing-Eckpfeiler Distribution, Produkt, Preis und Kommunikation
aufgelistet und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Seit Jahren besteht der Biosupermarkt Vatter beim Bundesplatz in Bern an bester Lage. Im Januar 2006 hat der erste Yardo-Biosupermarkt (Bild) im Zentrum von St.Gallen eröffnet (am Neumarkt) und plant weitere Filialen in Zürich und Basel.

Distribution: In der Schweiz sind die Bio-Supermärkte im Vormarsch. Weitere Optionen: Direktvermarktung, Internet, Pup-up-Stores: Plattform für verschiedene
Jungunternehmer, die Ihre Produkte temporär in städtischer Umgebung vorstellen.

Produkt: Innovationen im Sortiment, Spezialisierung auf einzelne Produkte, neue Produkte _
Das Produkt muss in Zukunft noch stärker im Vordergrund stehen. Bio kommt in den
Hintergrund (nice to have). Produkte-Qualität wird wichtiger. Beispiel: Erfolgsgeschichte
Bio-Käserei Andeer.

Kommunikation: Für ein erfolgreiches Marketing sind in einem Unternehmen alle Massnahmen miteinander
zeitlich und inhaltlich abgestimmt und auf die wichtigsten Zielgruppen ausgelegt. Im Idealfall
ergänzen sich diese Aktivitäten in der Bio-Branche aus Sicht der Konsumenten.

Neben den hier aufgeführten Ideen dürfen die „Grossen“ nicht vergessen werden. Coop und
Migros als wichtigste Vermarkter von Bio-Produkten zu stärken, ist mittelfristig die
effizienteste Methode den Bio-Markt anzukurbeln. Beide werden weiterhin in den Biomarkt
investieren. Bio wird also vor allem wachsen, wenn es gelingt, bei Coop und Migros die Lust
auf Bio immer wieder von Neuem zu wecken.


Auszug aus einem kürzlich gehaltenen Referat von Christof Dietler (dietler clavadetscher GmbH, Beratung für Food-Marketingkonzepte)

Bilder: foodaktuell

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