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Kostenwahre Kalkulationen sollen Cafés retten

Die Cafetiers studieren neue Preismodelle: Von der bereits publiken Mindestkonsumation reichen Ideen über Einzelkomponenten-Preise bis zu Nachfrage-abhängigen Staffelpreisen.

von Foodaktuell Importer


Ein Café macht über 30% des Umsatzes mit Kaffee. Mit dem Tassenverkauf muss auch die Miete erwirtschaftet werden, und diese kann hoch sein an begehrten Lagen.

Der Schweizer Cafetierverband SCV ist überzeugt, dass nur mit komplett neuen Denkmodellen – sowohl beim Betriebskonzept wie auch bei der Preispolitik – die Zukunft von vielen Cafés gesichert werden kann. Hans-Peter Oettli, Zentralpräsident des SCV, erklärte heute an der Jahresmedienkonferenz die Situation und drei Lösungsvorschläge:

Die Resultate einer Untersuchung der Ertragssituation im
Gastgewerbe sind mehr als ernüchternd. Je nach Umsatzgrösse
sind zwischen 43 % und 73 % der Betriebe defizitär,
wenn sowohl der marktgerechte Eigenlohn wie die Verzinsung
des Eigenkapitals verbucht würden. Der Leidensdruck
wird immer grösser.

Der SCV will aber nicht jammern sondern hat
kreative Szenarien ausgearbeitet: Die seit Jahren in den Gewerbeschulen,
Hotelfachschulen und Wirtekursen vermittelten Preisberechnungsarten sind
nicht mehr zeitgemäss: Das so genannte Faktorenrechnen stammt noch aus einer Zeit, als der Warenaufwand der grösste Ausgabenposten war (Warenpreis mal drei ergab den Verkaufspreis). Allerdings wird seit einigen Jahren auch mit Deckungsbeiträgen
kalkuliert (mit Berücksichtigung der Personalstückkosten).

Löhne und Miete sind die Hauptkostenfaktoren

Heute machen die Personalkosten den
Löwenanteil des Umsatzes aus, also muss vermehrt diese Grösse berücksichtigt
werden. Neue Denkmodelle müssen her, und die Preispolitik der Betriebe muss transparenter
werden.

Bei den Überlegungen für neue Denkmodelle wurden mehrere Faktoren berücksichtigt:
• die Ertragslage im Gastgewerbe ist ungenügend
• der heutige Konsument zeichnet sich als Individualist aus, der ein Angebot eher als Vorschlag, denn als gegeben und unveränderbar ansieht
• der allgemeine Trend geht in Richtung von Multifunktionalität
• Dienstleistungen werden immer mehr rund um die Uhr erwünscht

Auch Marketing gehört zur Betriebsführung. Preise, Angebot und Einrichtung müssen der Zielgruppe angepasst sein. «Und ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Gastgeber-Persönlichkeit des Chefs und Personals», betont Hans-Peter Oettli, Zentralpräsident des SCV.

Mit diesem Hintergrund wurden drei verschiedene Denkmodelle entwickelt, welche
einzeln oder kombiniert eingesetzt werden können.

Erste Variante: Mindestkonsumation

Die Idee einer Mindestkonsumation wurde so heftig und schlussendlich negativ in
den Medien kommentiert, dass der SCV auf eine Weiterverfolgung dieses Gedanken
vorläufig verzichtet: die Zeit ist nicht reif für dieses Modell. Es sei hier aber der Fairness
halber darauf hingewiesen, dass eine Schere von Fr. 3.50 – Fr. 5.50 vorgesehen
war.

Ein ähnliches Modell funktioniert in Hessigkofen im Kanton Solothurn. Dort wird
eine Grundpauschale von Fr. 3.00 für die erste Stunde oder Fr. 5.00 für die ersten
zwei Stunden verrechnet. Die Verkaufspreise für die eigentlichen Konsumationen
sind hingegen tief. Ein Kunde hat es auf den Punkt gebracht: je mehr man konsumiert,
desto billiger wird es. Mag diese Betrachtungsweise für alkoholfreie Getränke
als positiv bewertet werden, so bekunden wir damit Mühe, wenn es sich um alkoholische
Getränke handelt.
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Zweite Variante: Einzelkomponenten-Preise

Im Sinne einer transparenten Preispolitik sollte alles einzeln angeboten und auch so kalkuliert werden.
Diese Aussage betrifft z.B. auch das Tagesmenu. Ein fixes Tagesmenu kann
zwar als Vorschlag weiterhin angeboten werden, der Gast selber soll aber wählen
können, ob er nur Beilagen, nur Fleisch oder eine Beilage mit Sauce haben
will.

Bei Pauschalen sollen nur noch als solche kommunizierte Preisaktionen
zum Zuge kommen. Aus dieser Definition geht hervor, dass Pauschalen
zeitlich begrenzt sein sollten (Café und Gipfeli, Café und Kuchen etc.).
Ebenfalls in dieselbe Richtung zielen Verkaufspreise für Gerichte pro 100 g.

Zu diesem Denkmodell gehört auch die Empfehlung des SCV, bei der Preiskalkulation
eine Vollkostenrechnung zu machen. Die Verbände besitzen genaue
Angaben über den zeitlichen Aufwand für die verschiedensten Artikel, Produkte
und Dienstleistungen im Gastgewerbe.

Der Schweizerische Bäcker- und Konditorenmeister-
Verband SBKV setzt ein solches Modell bereits erfolgreich seit Jahren
um. Im Bäckergewerbe wird bei der Kalkulation von Verkaufspreisen immer
auch der zeitliche Aufwand der Herstellung berücksichtigt.
Im Gastgewebe müssten sowohl der zeitliche Aufwand im Rückwärtigen wie an
der Front in eine solche Vollkostenrechnung einfliessen.

Im Rückwärtigen sind alle Arbeitsaufwendungen ab Anlieferung, für Lagerung,
Handling, Administration, Reinigung, aber auch für Vorbereitungsarbeiten,
dem eigentlichen Herstellungsprozess und die Wiederherstellung
zu berücksichtigen. All diese Arbeiten finden zum grossen Teil für den Kunden
unsichtbar statt.

Die sichtbaren Arbeitsaufwendungen, welche durch den Service, das Buffet, die
Serviceleitung und die Geschäftsführung erbracht werden, machen bei Getränken
ungefähr die Hälfte der Zeitaufwendungen aus., während bei Gerichten, der
Anteil im Rückwärtigen das Zwei- bis Fünffache ausmachen können.

Interessant bei dieser Betrachtungsweise ist die Tatsache, dass bei der Benützung
von Convenience Food der Anteil des Zeitaufwands im Rückwärtigen sinkt
und daher ein günstiger Verkaufspreis angebracht wäre. Somit würde auf elegante
Art und Weise den Forderungen der Konsumentenorganisationen Rechnung
getragen.

Dritte Variante: Der Gast kann sich nach einer Preisstufe richten

Was bei der Reisebranche gang und gäbe ist, könnte auch für das Gastgewerbe
interessant sein, nämlich Hoch-, Mittel- und Tiefsaisonpreise. Der Preis auf
der Speisekarte entspräche der Hochfrequenz, z.B. über Mittag. Während gewissen
Tageszeiten mit geringer Frequenz wird auf das ganze Sortiment ein zum voraus bestimmter
Rabatt gewährt.

Was bringen diese Modelle dem Gast? Es wird transparenter, was den Endpreis im Gastgewerbe
ausmacht. Er kann mit gezieltem Verhalten den Preis massgeblich selber beeinflussen
und nicht unerhebliche Ersparnisse erzielen.

Und was bringen diese Modelle dem Gastgewerbe? Dank transparenter Preispolitik kann der Kunde die Preisgestaltung nachvollziehen. Die unterschwelligen und negativ beeinflussenden
Preisdiskussionen werden vielleicht aufhören, und andererseits könnte die Auslastung verbessert
werden, womit die Produktivität und die Ertragssituation gesteigert werden.

Bei der Umsetzung von solchen Modellen muss grundsätzlich jeder einzelne Betriebe seine Preispolitik selber festzulegen. Es ist den Verbänden explizit verboten, Preisempfehlungen zu
machen. Hingegen ist es sehr wohl die Aufgabe der Verbände, ihre Mitglieder zu
unterstützen und zu beraten. Ein Verband darf auch Denkanstösse geben, deren
Umsetzung aber jeder Betrieb selber prüfen muss, resp. auf seinen Betrieb
anzupassen hat. Als selbstverständlich werden Top-Qualität der Produkte und der
Dienstleistung vorausgesetzt.

Text: Hans-Peter Oettli (Bild), SCV-Zentralpräsident und Bereichsleiter Gastronomie von Valora («Spettacolo» und «espresso»
Bilder: foodaktuell

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Suchbegriffe für diesen Bericht: Cafetier, Kaffeetassenpreismodell