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Angst vor Cholesterin meistens unbegründet

Nahrungs-Cholesterin beeinflusst Herzkranheiten kaum

von Foodaktuell Importer

Das Cholesterin in der Nahrung
wird heute bei 80 Prozent der Bevölkerung als vernachlässigbar für koronare Herzkrankheiten angesehen.

Cholesterin spukt noch immer als
Schreckgespenst in Sachen Herzinfarkt
durch die Köpfe der meisten
Menschen, anstatt es als das
zu sehen, was es tatsächlich ist:
ein lebensnotwendiger Bestandteil
jeder Zelle und Ausgangssubstanz
für viele Wirkstoffe im Körper.

Die nach wie vor verbreitete Cholesterinhysterie
beruht auf der einfachen
und einleuchtenden Theorie, dass das
Cholesterin in der Nahrung den Cholesterinspiegel
im Blut erhöht, wodurch
die Arteriosklerose gefördert
wird, welche Ursache der koronaren
Herzkrankheiten (KHK) ist. Bei der
Arteriosklerose kommt es zu Ablagerungen
(Plaques) an der Gefässwand,
die durch Wucherungen des Bindegewebes
zu einer Verdickung und einer
geringeren Elastizität der Arterien führen.

Wenn eine solche Plaque instabil
wird und aufplatzt, können die entstehenden
Blutgerinnsel einen Herzinfarkt
oder Schlaganfall verursachen,
je nachdem, in welchem Blutgefäss
dies geschieht. Untersuchungen dieser
Arterienverdickungen haben Cholesterin-
und Fetteinlagerungen zutage
gebracht, weshalb diese rasch als Verursacher
der Plaques hervorgehoben
wurden.

Unterdessen haben sich die
Kenntnisse über die Entwicklung der
Plaques jedoch erweitert. Die Mechanismen
haben sich als viel komplexer,
als ursprünglich angenommen, herausgestellt
und die Cholesterineinlagerungen
sind möglicherweise nicht
die Ursache von allem, sondern eine
Folge von Schutzreaktionen des Körpers.
Die Risikofaktoren für Arteriosklerose
sind vielseitig: Diabetes mellitus,
Bluthochdruck, Infektionskrankheiten,
genetische Veranlagung, Fettstoffwechselstörungen,
Bewegungsmangel,
Übergewicht, Rauchen und andere.

Dem Gesamtcholesterinspiegel
wird heute keine grosse Bedeutung
mehr beigemessen, dagegen wird das
Augenmerk auf die unterschiedlichen
Cholesterin-Fraktionen im Blut gerichtet.
Eine geringe HDL-Fraktion
(high density lipoprotein) («gutes
Cholesterin») sowie eine hohe LDLFraktion
(low density lipoprotein)
(«böses Cholesterin») wird als Indikator
für ein erhöhtes Risiko angesehen.
Beide Fraktionen werden jedoch nur
in sehr geringem Masse vom Nahrungscholesterin
beeinflusst.

So haben
verschiedene Studien übereinstimmend
gezeigt, dass bei einer Reduktion
der Cholesterinaufnahme mit der
Nahrung um 100 mg eine Abnahme
des Gesamtcholesterins im Blutserum
um 0,056 mmol/l (2,2 mg/dl) zu erwarten
ist. Das entspricht in etwa einem
Prozent der Zielcholesterinkonzentration
von 5,0 mmol/l. Das LDL
wird dabei durchschnittlich um 0,05
mmol/l reduziert und das HDL um
0,008 mmol/l. Studien über Cholesterin-
senkende Medikamente haben ergeben,
dass für ein um 20% reduziertes
KHK-Risiko eine LDL-Senkung
um 0,5 mmol/l über mindestens sechs
Jahre notwendig ist.

Wenn man sich
nun vor Augen führt, dass dafür theoretisch
eine Reduktion des Nahrungscholesterins
um etwa 1000 mg pro Tag
nötig wäre, in der Schweiz der Cholesterinverbrauch
durchschnittlich jedoch
nur bei 363 mg pro Person und
Tag liegt, so ist klar erkennbar, dass
dies auch bei Weglassen aller cholesterinhaltigen Lebensmittel nicht
machbar ist. Eine kleinere Nahrungscholesterinreduktion
hat eine dementsprechend
geringere Wirkung zur
Folge.

Alexandra Schmid, Ernährungsexpertin der Forschungsanstalt Agroscope
Liebefeld-Posieux ALP in Bern: «Es macht keinen Sinn, Nahrungsmittel
tierischer Herkunft wegen ihres Cholesteringehalts aus der Ernährung
zu streichen.

Das Cholesterin in der Nahrung
wird daher als eine zu vernachlässigende
Grösse im Zusammenhang mit
koronaren Herzkrankheiten angesehen.
Zu diesem Schluss kommen auch
die Experten der eidgenössischen Ernährungskommission,
nachzulesen in
ihrem Bericht «Fett in der Ernährung».

Der Grund, weshalb Nahrungscholesterin
beim gesunden Menschen keinen
Einfluss auf den Blutcholesterinspiegel
hat, liegt darin, dass der Körper
durch Anpassung der Absorption
im Darm und durch Eigenproduktion
von Cholesterin dessen Konzentration
im Körper auf einem bestimmten Niveau
hält. Der Körper produziert täglich
zwischen 500 und 1500 mg Cholesterin.
Das ist ein Vielfaches dessen,
was aus der Nahrung aufgenommen
wird (bis etwa 500 mg).

Bei einem
Mehrverzehr an Nahrungscholesterin
wird die Eigenproduktion gedrosselt
und bei einem Minderverzehr angekurbelt,
so dass dem Körper immer
etwa gleich viel Cholesterin zur Verfügung
steht. Bei etwa 20% der Bevölkerung
ist dieser Regelmechanismus
jedoch eingeschränkt.

Dass der Körper
sich nicht alleine auf die Cholesterinzufuhr
mit der Nahrung verlassen
möchte, ist verständlich, schliesslich
ist Cholesterin Ausgangsstoff für viele
wichtige Substanzen im Organismus
(z. B. Vitamin D, Sexual- und Stresshormone,
Gallensäuren). Es ist ausserdem
auch ein unverzichtbarer Bestandteil
von Hirn, Nerven und Zellmembranen
und beeinflusst das
Immunsystem.

Der vom 5. Schweizerischen Ernährungsbericht
ausgewiesene durchschnittliche
Verbrauch von 363 mg
Cholesterin pro Person und Tag beruht
zu 30% (109 mg) auf dem Verbrauch
von Eiern. Fleisch und Fleischprodukte
liefern weitere 99 mg (27%) und
Milch und Milchprodukte 94 mg
(26%). Diese wertvollen Nahrungsmittel
tierischer Herkunft wegen ihres
Cholesteringehalts aus unserer Ernährung
zu streichen, ist im Licht obiger
Tatsachen somit überhaupt sinnlos. Eine Einschränkung des Nahrungscholesterins
zur Senkung des Risikos
für Herz-Kreislauf-Krankheiten wird
heute definitiv als überholt angesehen.

Text: Alexandra Schmid, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Bern

Weiterlesen: Fett und Cholesterin schaden nicht