Importstopp verteuert Bündnerfleisch
Brasilien-Embargo zeigt Folgen
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Bündnerfleisch, der Exportschlager |
Am 31. Januar 2008 hat die EU sämtliche
Rindfleischimporte aus Brasilien gestoppt.
Grund dafür ist die mangelnde Rückverfolgbarkeit
auf brasilianischen Betrieben und
Hygienevorschriften, die Brasilien nicht erfüllte.
Die Schweiz muss beim Importstopp
mitziehen sie ist durch das bilaterale Veterinärabkommen
an die EU gebunden.
Vom Importstopp besonders hart betroffen
sind die Bündnerfleischproduzenten. Bündnerfleisch
wird aus speziellen Stücken der
Oberschenkelmuskulatur des Rindes hergestellt.
Und diese edlen Fleischstücke, die so
genannten Binden, werden aus Brasilien importiert
(siehe Kasten).
Die Ware, die vor dem Importstopp bestellt
wurde, kann gegenwärtig noch importiert
werden. Der Stopp schlägt aber schon gehörig
auf die Preise. Während wir an der
Grenze für brasilianische Binden im November
2007 noch 6.50 Franken pro Kilogramm
bezahlt haben, müssen wir heute 9.50 Franken
bezahlen, sagt Andrea Weisstanner,
Chef der Bündnerfleischproduktionsfirma
Surselva in Landquart. Auch Marc Jansen,
Geschäftsführer des Fleischimporteurs VB
Food International AG, spricht von einer
Preissteigerung für Binden von mindestens
50 Prozent.
Deklarationsprobleme
Kann der Rohstoff für die Bündnerfleischproduktion
künftig nicht mehr aus Brasilien
beschafft werden, müssen Alternativen her.
Uruguay und Argentinien wären laut Jansen
mögliche Ausweichsländer. Doch brasilianische
Binden liessen sich schlecht ersetzen,
das Angebot an Rindsbinden sei nirgends so
gross und die Fleischqualität nirgends so geeignet
für die Bindenproduktion wie in Brasilien.
Bei argentinischem Fleisch komme erschwerend
die Deklarationspflicht hinzu.
Während bei brasilianischem Fleisch bis
auf die Herkunft keine weitere Deklaration
vorgeschrieben ist, muss Fleisch aus Argentinien
und Uruguay mit dem Zusatz von Hormon-
oder Antibiotikabehandlung versehen
werden, sagt Jansen. Die Brasilianer konnten
die EU und die Schweiz davon überzeugen,
dass in ihrem Land weder das eine noch
das andere verwendet werde.
Fett schreckt Konsumenten ab
Ein weiteres Problem ist die Beschaffenheit
des Fleisches. Die argentinischen Binden
seien im Vergleich zu den brasilianischen mit
weissen Fettäderchen durchzogen, sagt
Weisstanner. Obschon die Fleischqualität
nicht darunter leidet, sieht aus argentinischen
Binden produziertes Bündnerfleisch
in den Augen der Konsumenten schlechter
aus. Zudem befürchtet er, dass Brasilien immer
weniger auf die Abnehmer in Europa
und Schweiz angewiesen sei. Russland,
China und der Nahe Osten kommen auf den
Fleischgeschmack. Dort könnten die Brasilianer
immer mehr Edelstücke absetzen.
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Trocknung von Bündnerfleisch in der Klimakammer. Die Wasserabgabe liegt je nach Produkt im Bereich von 30 bis 55%. Damit wird eine Absenkung des aw-Wertes unter 0.93 und ein Restwassergehalt von 3 bis 10% angestrebt. Die Trocknungsdauer liegt bei 2 bis 4 Monaten. Das Trocknen findet idealerweise bei Temperaturen 10 bis 14°C bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75 bis 80% statt. Zwecks Vermeidung von Trockenrändern sollte die Luftumwälzung in dieser Phase nur gering sein. |
Unabhängig davon, auf welche Länder die
Schweizer Importeure und Bündnerfleisch-Produzenten
nun ausweichen, die Beschaffung
der Rindsbinden wird teurer. Und weil
hauptsächlich ausländische Rindsbinden in
der Schweiz zu Bündnerfleisch verarbeitet
und wieder ins Ausland verkauft werden,
steigen die Preise im Export.
Wenn die
Preise für Bündnerfleisch im Ausland steigen,
geht logischerweise auch der Konsum
zurück, sagt Andrea Mani, Verbandspräsident
der Bündnerfleischproduzenten. Auch
auf dem inländischen Markt ist laut Bündnerfleischproduzent
Weisstanner mit einem
Preisanstieg zu rechnen. Die Preise für
Schweizer Rinder steigen. Dieser Preisanstieg
sei aber nicht dramatisch, sondern eine
Folge der allgemeinen Teuerung.
Wie lange der Importstopp über Brasiliens
Rindfleisch verhängt bleibt, weiss niemand
so recht. Laut Marcel Falk, Sprecher beim
Bundesamt für Veterinärwesen (BVET), ist
dies allein von Brasilien abhängig. Sobald
Brasilien der EU eine Liste mit all den
Schlachtbetrieben liefert und bei diesen die
Rückverfolgbarkeit und die Hygieneauflagen
garantieren kann, wird der Importstopp für
diese Betriebe sofort wieder aufgehoben.
Anfang März werde eine EU-Delegation zur
Inspektion nach Brasilien reisen.
Weniger Betriebe zugelassen
Wann die Grenze für brasilianisches Rindfleisch
wieder geöffnet wird, ist also noch
nicht klar. Klar ist hingegen, dass nach einer
möglichen Aufhebung des Importstopps bei
Weitem nicht mehr alle brasilianische
Schlachtbetriebe Rindfleisch in die EU exportieren
können, die es bis anhin taten.
Denn die EU will bei den Kontrollen künftig
rigoroser vorgehen.
Bevor die EU den Importstopp
verhängt hat, konnten laut Falk
einige tausend brasilianische Betriebe ihr
Rindfleisch in die EU und in die Schweiz exportieren.
Importeur Jansen sagt: Löst die
EU das Importverbot wieder auf, wird die
Anzahl Rindfleischproduzenten, die exportberechtigt
sind, massiv sinken. Jansen rechnet
damit, dass vorerst wohl nur noch Tiere
von 300 Betrieben für den Export in die EU
und die Schweiz zugelassen werden. Dem
hält Falk vom BVET entgegen: Auch wenn
die EU kurzfristig nur wenige Betriebe wieder
zulässt, kann sich die Anzahl Betriebe
längerfristig vergrössern, wenn Brasilien die
Rückverfolgbarkeit und die Hygieneauflagen
garantiert.
Verbandspräsident Mani jedenfalls lässt sich
vom gegenwärtigen Importstopp nicht beunruhigen.
Beim Importstopp handelt es
sich um ein administratives Problem, weil
Brasilien die Papiere bei der EU nicht fristgerecht
eingereicht hat. Im Gegensatz zu
einem tierseuchentechnischen Problem ist
es viel einfacher zu lösen.
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Text: LID, Helene Soltermann. Bilder: ALP und zvg
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