Mehr Infos sorgen für Mehrwert
Mit dem Mobile-Commerce können dem Konsumenten via Strichcodes oder Data-Matrix zusätzliche Informationen zum Produkt bereitgestellt werden. Die Pack&Move in Basel bot erste Einblicke in die Zukunftstechnologie.
Nährwerttabellen, Ablaufdaten, Allgergikerinfos – und das möglichst in allen drei Landessprachen: Beim Gestalten der Hüllen kleiner Food- und Nearfoodprodukte sind die Verpackungsdesigner nicht zu beneiden. Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften bleibt oft kaum mehr Platz, um Zusatzinformationen wie etwa Herkunft, Rezepte oder Wettbewerbe auf der Verkaufsverpackung abzudrucken. Die Fachmesse «Pack&Move» von Mitte November in Basel zeigte auf, wie sich dieses Dilemma möglicherweise schon bald lösen lässt.
Japan als Vorreiter
Die Handytechnologie solls richten und neue interaktive Kommunikationskanäle öffnen. Basis dafür sind die bekannten EAN-Strichcodes oder neue, zweidimensionale Codes (2D, Datenmatrix). Spezielle Handy-Programme – es gibt bereits über ein Dutzend von ihnen – können die Codes derart entschlüsseln, dass nicht nur statische Information ersichtlich wird. Vielmehr leitet diese Daten-Matrix auf eine Homepage, wo zusätzliche Infos abgelegt sind oder interaktiver Austausch möglich wird. In Japan etwa funktioniert die Werbung schon im grossen Stil nach dem Matrix-Prinzip und legt jährlich um 40% zu, wobei im asiatischen Raum der QR-Code verwendet wird, der auch mit japanischen und chinesischen Schriftzeichen zu Rande kommt. Als Beispiel: Auf dem Inserat, Plakat oder in der TV-Werbung, die Fischspezialitäten propagiert, verweist die Homepage auf die Adressen der Lokale, die diese Gerichte anbieten – und zwar gleich verknüpft mit Google-Map. Ein anderes Beispiel: Im Supermarkt lassen sich Müesli und Fertiggerichte per Handy-Check analysieren, ob sie das eine oder andere Allergen enthalten.
Flatrate als Türöffner
«Was in Japans Werbung bereits Alltag ist, könnte in wenigen Jahren auch bei uns Einzug halten», ist Daniel Müller, Leiter Identifikation und Kommunikation bei GS1 Schweiz, überzeugt. GS1 ist der führende Logistik-Fachverband, der hierzulande von über 4300 Unternehmen getragen wird und als Partner des weltweiten Netzwerks GS1 fungiert, das auch den ehemals EAN.UCC genannten Code verwaltet. Müller verweist auf eine Eigenart der technophilen japanischen Kommunikationsgesellschaft: Fast alle dort telefonierten mit einem internettauglichen Handy und haben Flatrate-Abos abgeschlossen, was bedeutet, dass das Handy pauschal abgegolten und somit auch für wenig dringende Anwendungen benutzt wird. Anderswo diskutiert man die Möglichkeit, die Mobilfunk-Verbindung aufs Internet zum Nulltarif anzubieten und die Kosten an die Inhaber der Produkte zu überwälzen, von denen die Codes stammen. «Bei uns ist Mobile-Commerce erst seit anderthalb Jahren ein Thema, aber die Dringlichkeit nimmt zu», stellt Müller fest. Druck setzen vor allem Grosse wie Nestlé und P&G auf, die sich von einer vereinheitlichten Codierung, die für Mobile-Commerce genutzt werden kann, eine erhöhte Attraktivität ihrer Waren erhoffen. Erste Anwendungen des Produkts Bee-Tagg der Zürcher Firma Connvision nutzen Swisscom, Post und andere schon heute. Doch bevor Multis das System weltweit einführen könnten, brauche es einen internationalen Standard, um wie beim EAN-Code die Kosten für alle Beteiligten möglichst tief zu halten, so Müller.
Betrüger umgehen
An Diskussionsforen an der «Pack&Move» wurde deutlich, dass viele Fragen offen sind. Ein zentrales Problem sind die oben erwähnten Gebühren für die Verbindung zum Server, wo die zusätzlichen Infos abgelegt sind. Ebenfalls noch nicht geklärt ist, ob es die GS1-Datamatrix sein wird, die sich als weltweiter Standard durchsetzen wird. Michel Ottiker, Leiter der nationalen Arbeitsgruppe Mobile-Commerce: «Es muss nicht zwingend unser Code sein. Aber alle Betroffenen, von Produzenten über Handel bis zu den Anbietern der Kommunikationstechnologie, müssen sich auf einen einheitlichen Standard einigen.» Ottiker plädiert für die sogenannte indirekte Methode: Wer sich im Internet einwählt, landet nicht direkt auf der Homepage. Zuvor wird der Page-
Betreiber genannt, damit der Nutzer bei unseriösen oder kriminellen Anbietern den Vorgang abbrechen kann. Ein Problem ist ferner die Tatsache, dass der eindimensionale Strichcode an der Kasse weit rascher gelesen werden kann als die zweidimensionale Datenmatrix.
Daten für die Hersteller
In den Augen von GS1 profitiert mit der Verknüpfung von Produktcodes und Internet nicht nur die Kundschaft, die zusätzliche Infos abrufen kann. Handel und Hersteller können sich als innovativ von der Konkurrenz abgrenzen. Und als Instrument in der Werbung erlaubt es ein solcher Code, exakte Zahlen über die Herkunft der Rückmeldungen zu erhalten: Platziert etwa ein Joghurthersteller in jedem Inserat einen anderen Code, kann er rekonstruieren, wo sich die Kampagne besonders gelohnt hat. Was sich alles mit dem «Dialog-Code» anstellen lässt, beweist die britische Boulevardzeitung «The Sun»: Am Schluss von Fussballberichten druckt sie eine Datenmatrix, die zu einem Kurzfilm mit den Toren des Spiels führt. Gleichzeitig generiert das Blatt Einnahmen, indem es dem Kurzfilm einen Werbespot voranstellt, der pro Zugriff abgerechnet wird. Müller betont jedoch, der EAN-Code werde nicht von heute auf morgen durch die 2-D-Datenmatrix abgelöst – allein schon deshalb, weil die Investitionen im Bereich Verpackungsmaschinen und Lesegeräte erst amortisiert werden müssten.