Was für sicheres Fleisch getan wird
Die Qualitätssicherung beim Fleisch hat Tradition und wird regelmässig und minutiös durchgeführt. Hintergrundkenntnisse über diese Untersuchungen hat das Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene.
Wenn es um Lebensmittel geht, sind Konsumenten höchst sensibel und anspruchsvoll. Dabei ist die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Lebensmittel fraglos die selbstverständlichste Erwartung. Und dennoch sind Infektion und Intoxikation durch Lebensmittel, auch trotz der Einführung von präventiven Prozessmanagementsystemen (HACCP-Konzept) in der Lebensmittel gewinnenden und verarbeitenden Industrie weltweit noch immer auf dem Vormarsch. Experten schätzen, dass in den USA jährlich 76 Millionen Erkrankungen, 325?000 Krankenhausaufenthalte und 5000 Todesfälle bedingt durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln auftreten. Bakterielle Erkrankungen stehen dabei mit Abstand an erster Stelle.
Fleisch – «from feed to food»
Die Qualitätssicherung des Fleisches im umfassenden Sinne des Wortes, d.h. also auch die Gewährleistung der Produktesicherheit, beginnt bei der Auswahl der Futtermittel für die Nutztiere. Mögliche chemische Rückstände im Fleisch können bereits über diese erste Stufe der Nahrungsmittelproduktionskette ins Endprodukt gelangen. Daneben beeinflusst auf Stufe der Primärproduktion der Umgang mit Tierarzneimitteln die Wahrscheinlichkeit des Auffindens von Rückständen im Fleisch. Dieser Aspekt wird insbesondere im Rahmen der amtstierärztlichen Kontrollen auf den Bauernbetrieben überprüft.
Fleischgewinnung
Auf der Stufe des Schlachtbetriebes umfassen die Kontrollen zur Gewährleistung der Sicherheit von Fleisch ein breites Netzwerk an Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen der amtstierärztlichen Aufgaben, als auch im Rahmen der Selbstkontrollpflicht des Schlachtbetriebes durchgeführt werden. Eine erste amtstierärztliche Beurteilung der Tiergesundheit erfolgt im Rahmen der Schlachttieruntersuchung (Untersuchung des lebenden Tieres). Dabei geht es darum, kranke Tiere zu erkennen. Zum Zweiten werden im Rahmen der Fleischuntersuchung jeder Tierkörper und dessen Organe auf pathologisch-anatomische Veränderungen hin untersucht. Aufgrund der Ergebnisse all dieser Untersuchungen wird dann der Entscheid über die Genusstauglichkeit des Fleisches gefällt – rigorose Kontrollen am lebenden Tier wie auch am Schlachttierkörper.
Heisst das nun, dass rohes Fleisch gesundheitlich unbedenklich ist? Die Antwort auf diese Frage ist Nein. Mit dem bewährten System der oben angesprochenen Fleischkontrolle, die man im Übrigen bereits seit mehr als 100 Jahren kennt, können zuverlässig Veränderungen gefunden werden.
Eine grosse Herausforderung stellen heute aber zusätzlich die latenten Zoonoseerreger dar, eine Gruppe an Erregern, die beim gesunden Nutztier, wie z.B. Schwein, Rind, Geflügel vor allem im Darmtrakt vorkommen und beim Schlachtprozesss auf die Schlachttierkörper gelangen können. Diese Erreger gelangen dann über das Lebensmittel Fleisch zum Menschen und können dort zu Krankheiten führen. Die Problematik der latenten Zoonoseerreger kann mit der traditionellen Fleischkontrolle (Schlachttieruntersuchung, Fleischuntersuchung) nicht beherrscht werden, da die Erreger von gesunden Tieren ausgeschieden werden. Die Einhaltung einer guten Schlachthygiene stellt die einzige Massnahme dar, um diese Problematik beeinflussen zu können.
Dekontaminationsmassnahmen in der Schweiz nicht zugelassen
Eine routinemässige Überwachung der Schlachthygiene gehört heute im Sinne der Selbstkontrollpflicht zum Aufgabenfeld der Schlachtbetriebe (Selbstkontrolle). Diese Überwachung und die Korrektur von Stufen im Schlachtprozess, die zur Schlachttierkörper-Kontamination beitragen, ist von besonderem Interesse, da Dekontaminations-Massnahmen für Schlachttierkörper, wie sie beispielsweise in den USA häufig angewandt werden, in der EU und auch in der Schweiz nicht zugelassen sind.
Beispiele für latente Zoonoseerreger sind beim Schwein z.B. Salmonellen und Campylobacter, beim Rind Shigatoxin bildende E. coli und beim Geflügel Campylobacter. Dies bedeutet, dass abhängig vom Vorkommen des Erregers bei den Tieren und von der Schlachthygiene damit gerechnet werden muss, das solche pathogenen Erreger auf Schlachttierkörpern und damit dann auch auf dem rohen Fleisch zu finden sind.
Beispiel Campylobacter
Campylobacter ist ein Erreger, der häufig sowohl beim Geflügel (C. jejuni) wie auch beim Schwein (C. coli) vorkommt. Beide Arten des Erregers führen beim Menschen zu Durchfall mit starkem Bauchweh. Ein Teil der humanen Campylobacteriosen wird der Handhabung von rohem Fleisch und damit vor allem einer Kreuzkontamination von genussfertigen Lebensmitteln auf Stufe Küche zugeschrieben. Obwohl der Erreger beim Geflügel wie auch beim Schwein häufig vorkommt, stellen nicht beide Arten von Fleisch die gleich relevante Kontaminationsquelle dar. So wird der Schweineschlachttierköper bei einer relativ hohen Luftgeschwindigkeit gekühlt, was dazu führt, dass die Schlachttierkörperoberfläche abgetrocknet wird. Diese Abtrocknung genügt bereits, um Campylobacter, der sehr austrocknungsempfindlich ist, abzutöten. Anders sieht es beim Geflügel aus. Dieser Schlachttierkörper kann aufgrund der Beschaffenheit der Geflügelhaut nicht in der gleichen Art und Weise (sprich hohe Luftgeschwindigkeit) gekühlt werden. Damit fehlt der Abtrocknungseffekt und Campylobacter kann auf der Haut von Geflügelschlachttierkörpern überleben.
Rohes Fleisch ist nicht steril
Rohes Fleisch ist kein Sterilprodukt! Es ist notwendig, dass entlang der gesamten Herstellungskette geeignete Massnahmen zur Reduktion oder zur Ausschaltung möglicher Gefahren ergriffen werden. Das bedeutet aber auch, dass der Konsument einen Beitrag zur Produktesicherung leisten muss. Dieser umfasst sowohl den küchenhygienisch-einwandfreien Umgang mit rohem Fleisch, als auch die richtige Zubereitung des rohen Fleisches.
*Der Autor ist Leiter des Instituts Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich.