Käsesommeliers am Küchenherd
Raclette und Fondue sind Schweizer Klassiker in der warmen Küche. Ein Spitzenkoch und Genusstrainer mit österreichischen Wurzeln lässt die angehenden Käsesommelier weniger bekannte Gerichte ausprobieren.
Käse in der warmen Küche? Bestandene Gastronomen, Käser, Käsedetaillisten, Hobbyköche und Marketing-Fachleute stellten sich dieser nicht ganz einfachen Aufgabe. In fast jedem Schweizer Haushalt gehören Raclette und Fondue zum Standardrepertoire. Doch die Variationen zu den winterlichen Klassikern sind zahlreich, wie die vierzehn Teilnehmer des «Käse-Sommelier-Kurses» selbst bewiesen haben. Sie hatten die Aufgabe, ihre bevorzugte Fondue-Käsemischung von zu Hause mitzubringen. Einige wenige probierten es mit weiteren Zutaten wie Trüffeln oder Alpenkräutern. Im Resultat war jedes Fondue auf der Zunge und in der Nase anders. An den Gerätschaften der Küche des Weinausbildungszentrums in Nuolen am Zürcher Obersee lag es nicht: Alle verwendeten dieselben kleinen Caquelons und Rechaudkerzen. Auch regional werden beim Fondue unterschiedliche Akzente gesetzt.
In der deutschsprachigen Schweiz wird erwartet, dass die geriebene Käsemasse aus meist drei verschiedenen Sorten sich zu einer sämigen, leicht würzigen Käse-Wein-Emulsion umwandelt – dank Einsatz von nicht zu wenig Maisstärke. François Raemy, Käsermeister aus dem Kanton Freiburg, zeigte, dass Fondue mit der Zugabe von nur 1½ dl Wasser auf 400 Gramm geriebenen Käse kinderverträglich zubereitet werden kann. Bei dieser Variante kommt der Eigengeschmack der -einzigen Käsesorte (Vacherin fribourgeois) deutlich zum Tragen.
Von rustikal bis sommerleicht
Je nach eingesetztem Gerät – ob der Ofen mit Gas oder mit Strom betrieben ist – bietet der zweite Käseküchenklassiker, das Raclette, -unterschiedliche Geschmackserlebnisse. Wer zum Raclette-Dinner einlädt, aber auf die bequeme Variante der Einzelportionen verzichten will, muss seine Gäste schnell bedienen können. «Die Handgriffe ein paar Mal üben ist von Vorteil», rät Kursleiter Hans Preisig: «Den Halblaib als schiefe Ebene halten, unten wenig einschneiden und dann entschlossen, aber sanft die Oberfläche in Richtung Teller abstreichen.»
Spitzenkoch und Genusstrainer Freddy Christandel stellte im Kursteil am Nachmittag ein paar Rezepte für die kalte Küche, für die Mahlzeit zwischendurch und für Ofengerichte zusammen. Unter seiner Anleitung machte sich je ein Duo in der Küche an die Arbeit.
Für die Klassiker Appenzeller Chäsfladen, Soufflé oder eine einfache Käseschnitte braucht es die richtige Ausrüstung: nebst einem leistungsfähigen Backofen fast immer eine Röstiraffel. Verschiedene Käse sind einsetzbar: Reife, «rässe», schlicht solche mit hartem Teig sind von Vorteil. Für ausgehungerte Bergsportler geeignet ist ein Gratingericht, genannt Tartiflette, das in Savoyen populär geworden ist. Nebst weich gekochten Kartoffeln in Scheiben braucht es dazu haufenweise Speck, Crème fraiche und fettreichen, halbharten Käse, der am Schluss mit der Rinde nach oben in die feuerfeste Form eingelegt wird.
Zurück zur leichten Sommerkost: Dazu zählen Häppchen aus Stampfkartoffeln, (Büffel-)Mozzarella und Rohschinken. Für Dessertspeisen eignen sich Ziegenfrischkäse und Quark. Aus ersterem lassen sich mit in Butter erhitzten Apfelscheiben lustige Doppeldecker bauen, und mit der zweiten Zutat gelingt der Kaiserschmarrn luftiger und locker.
Angehende Käsesommelier aus Gastronomie, Fachhandel und Marketing
Bunt ist die Gruppe der Kursteilnehmer zusammengewürfelt. Die Rezepte für den Einsatz in der kalten und warmen Küche sind einfach ein weiterer Aspekt, welche sie über die vielseitige Materie Käse kennenlernen. «Kein Kunde verlässt den Laden, ohne dass ich mit ihm ein Gespräch über das Produkt geführt habe», sagt Stefan Böni, der in Turbenthal ein Fachgeschäft führt. Die Tipps zu machbaren Kreationen in der Küche ergänzen das Wissen über Herkunft und Affinage. Auch Maya Hungerbühler, Leiterin eines Käsefachgeschäfts in Dietfurt, will ihren Kunden zeigen, dass mit wenigen Zutaten und ein paar Tricks einfache Gerichte mit Käse gelingen.
Thomas Gardi aus Unterägeri möchte zusammen mit seiner Frau zum Thema «Käse und Wein» ein neues Geschäftsfeld entwickeln: «Die geschmackliche Vielfalt von Käse tel quel den Gästen näherbringen, steht für mich im Vordergrund.» Und Christian Kaiser, leitender Koch im Hotel Alpina, in Klosters ergänzt: «Käse als Nachspeise zu verlangen, hat bei unseren Gästen extrem zugenommen.» Die werden dann häufig zu lokal erhältlichem Nuss- oder Birnenbrot oder zu scharf-pikanten Chutney-Saucen serviert.
Ob gehobene Gastronomie, Fachhandel oder Regiomarketing: Die Umsetzungsziele aus dem Kurs sind unterschiedlich, das Interesse, gegenseitig zu lernen, ist gross, die Stimmung locker. Vierzehn Teilnehmer aus Immenstadt im Allgäu (Bayern) bis Ostermundigen (bei Bern) besuchen den Sommelier-Maître-Fromager-Kurs, der vom Branchenverband Fromarte 2008 zum ersten Mal ausgeschrieben wurde.