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Unklarheit im Sanierungsfall

Der Milchmarkt ist in der Krise – so tief, dass sich der Bund gezwungen sieht, mit 14 Mio. Franken einzugreifen. Wie Verarbeiter und Produzenten ihre Pflichten erfüllen wollen, ist hingegen weitgehend unklar.

von Alimenta Import

Der Schweizer Milchmarkt ist in arger Schieflage. Die Milchpulver- und Butterlager sind randvoll. Allein in den ersten fünf Wochen des laufenden Jahres wurden rund 800 Tonnen mehr Butter produziert als im Vorjahr, als der Bestand ebenfalls hoch war. Letzte Woche lagen über 4300 Tonnen in den Lagern. Hinzu kommt, dass sich der Käse nur schwer exportieren lässt.

Mit dem Ziel, dies rasch zu ändern und den Milchpreis nicht mehr als um die 8 bis 15??Rappen pro Kilo absacken zu lassen, die per Anfang Jahr ausgehandelt wurden, haben sich Vertreter der Verarbeiter- und der Produzentenorgisationen sowie des Bundes Anfang Jahr am runden Tisch zusammengefunden. Das Resultat der Unterredungen: Der Bund zahlt 14 Mio. Franken in Form einer Krisenintervention. Im Gegenzug erwartet er, dass sich Verarbeiter und Produzenten ebenfalls an der Marktentlastung beteiligen, und zwar zu 60 bis 80 Prozent.

Butterverbilligung im Inland
Der Bund sieht vor, 9 der 14 Mio. Franken als Inlandbeihilfen für Butter und Rahm im Speiseeis einzusetzen, was verhindern soll, dass die Lebensmittelverarbeiter billigere ausländische Ware einsetzen. Die restlichen 5??Mio. Franken sind für Ausfuhrbeihilfen von Rahm vorgesehen. In den Butterexport will und kann er nicht eingreifen, weil dies ent-gegen geltendem WTO-Recht wäre. Um die Krisenintervention möglichst unbürokratisch abzuwickeln, wird auf die Infrastruktur der Treuhandstelle Milch (TSM) zurückgegriffen, wie es in einem Schreiben des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) an die Milchverarbeiter heisst. Darin ist auch festgelegt, wie hoch die Beiträge für die einzelnen Produkte ausfallen werden.

 

Marktentlastungsbeiträge des Bundes
Produkt Fr. /kg
Inlandbeihilfen  
Vollrahm 35% im Speiseeis 0.53
Beihilfeberechtigte Butterverkäufe (1. Semester 2009, Fortführung wie 2008)  
Eingesottene Butter (Beihilfen) 1.49
Milchfettfraktionen (Beihilfen) 1.49
Industrie-/Gewerbebutter 1 kg Model (Beihilfen) 0.20
Industrie-/Gewerbebutter 1 kg Platten (Beihilfen) 0.31
Industrie-/Gewerbebutter > 1 kg (Beihilfen) 0.60
  Fr./GHQ
Ausfuhrbeihilfen für Rahm (Fortführung wie 2008)  
Vollrahm 35% 0.40
Im ersten Halbjahr 2009 unterstützt der Bund den Verkauf von Butter und Vollrahm für Speiseeis an Industrie und Gewerbe und den Export von Vollrahm nach oben aufgeführten Ansätzen.
(Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft)
 

Das für die Auszahlung der Beihilfen nötige Bundesgeld stammt vorerst aus den «Restbeständen» des Butterimportfonds (BIF). Das Geld, das sich per Ende des letzten Jahres noch darin befunden hat, wäre für die Zahlung der Verkäsungszulagen im laufenden Jahr vorgesehen gewesen. Um das entstehende Loch zu stopfen, wird das BLW im Sommer dem Bundesrat einen Nachtragskredit beantragen.

Die Krisenintervention des Bundes wird von Gesetzes wegen an Auflagen für die gesamte Milchbranche gekoppelt. So wird der Dachverband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) bis Ende Jahr einen Beitrag von 1 Rap-pen pro Kilo Milch einfordern. Damit alle Milchproduzenten zur Zahlung verpflichtet werden können, wird dem Bundesrat im Gegenzug das Gesuch um Allgemeinverbindlichkeit  unterbreitet.

Das Geld aus des SMP-Milchstützungsfonds kann ausschliesslich für Massnahmen zur Förderung von Rahmexporten, des Absatzes von Rahm in Speiseeis, des Absatzes von Butter zur Verwendung in Gewerbe und Industrie sowie bei Veredelungsverkehrsbegehren verwendet werden. Darin werden rund 33 Mio. Franken zusammenkommen. Zudem legt der Bund den Marktakteuren nahe, nach dem Wegfall der Milchkontingentierung am 1. Mai ein Mengenmanagement einzuführen, das aus vertraglich festgelegten Grundmengen (Linienmilch) und aus einer Börse für Zusatzmengen besteht. Auch wird er keine Mehrmengengesuche mehr bewilligen; ausgenommen sind kleinere Exportprojekte von gewerblichen Käsereien mit regionalen Spezialitäten. Zudem verpflichtet er die Verarbeiter und Produzenten, den Milchpulvermarkt unter eigener Regie zu sanieren.

Vieles noch im Dunkeln
Wie soll dies konkret geschehen? Diese Frage kann und will derzeit niemand beantworten. Die verschiedenen involvierten Organisationen und Firmen verweisen jeweils auf die übrigen Akteure. Die beiden grössten Milchpulverproduzenten Cremo und Hochdorf Nutritec machen den Produzenten einzig die Zusage, dass «keine Milch stehen gelassen wird». Cremo-Einkäufer Andreas Wegmüller rechnet jedoch damit, dass der Milchpulvermarkt nur über weitere Milchpreissenkungen saniert werden kann. Ausser: die Branche einige sich auf die Einführung eines privatwirtschaflichen Stützungsfonds für Milchfett, was jedoch eher unwahrscheinlich sei.

So oder so muss sich die Branche bis spätestens Ende Juni über ein Instrumentarium zur Regelung des Milchmarktes einigen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist nämlich die Krisen intervention des Bundes befristet. Um aber schon vorher ein geeignetes Modell präsentieren zu können, finden derzeit Diskussionen in allen möglichen Konstellationen statt – bisher aber ohne Resultate.

«Reine Symptombekämpfung»
Fromarte-Direktor Anton Schmutz ist mit der Krisenintervention von Bund und Branche ganz und gar nicht zufrieden: «Das ist einzig eine Bekämpfung der Symptome.» Er befürchtet, dass schon in zwei bis drei Monaten die Probleme wieder über den Kopf zu wachsen drohen. «Hinten wird viel mehr produziert, als vorne verkauft werden kann», fasst er zusammen. «Diesem Problem wäre einzig mit einem an den Markt angepassten Milchpreis beizukommen. Und der liegt derzeit halt noch rund 10 Rappen unter dem aktuellen Niveau.» Er schätzt, dass die Situation weit weniger schlimm wäre, hätte man schon vor zwei Jahren marktangepasste Preise für Milch bezahlt.

Dass im Sommer indirekt um einen Nachtragskredit für die Verkäsungszulage nachgesucht werden muss, stört Schmutz ebenfalls sehr: «Letztlich erleidet der Käse dadurch einen Imageverlust, ohne dass die Käser von der Krisenintervention profitiert haben.»

Zum Thema: 14 Mio. Franken schaffen das Problem nicht aus der Welt