Automatisierung kontra Qualität
In industriellen Bäckereien stehen meist kontinuerliche Linien mit mehreren Stationen und automatischen Übergaben. Auch in Handwerksbetrieben ist die Automatik auf dem Vormarsch. Leidet die Produktqualität darunter?
Die Backwarenbranche gehört zu denjenigen mit relativ hohem Automatisierungsgrad. Aber die Automatisierung wird sogar in Grossbäckereien nicht so weit vorangetrieben wie technisch möglich – jedenfalls in der Schweiz. Unsere Backwaren besitzen hohe Qualität, und eine extreme Automatisierung würde die Hersteller zu Kompromissen zwingen, vor allem bei filigraner Qualität.
So auch bei Wernli in Trimbach: «Wir verfolgen den Weg der besten Qualität mit der dabei höchstmöglichen Automatisation», sagt Produktionsleiter Ivo Signer. Am meisten automatisiert sind Teigherstellung, Formen, Backen, Füllen, Deckeln, Chocolieren und Einlegen mit dem Roboter. Die Teigherstellung benötigt nur eine Person für vier Linien. Das Wägen der Grosskomponenten geschieht automatisch. «Je näher beim Abpacken, desto personalintensiver wird die Linie», so Signer. «Dies ist ein Vorteil, um Qualitätsprobleme zu verhindern. Denn: Je mehr Automatisierung, desto mehr Kompromisse an die sensorische Qualität sind nötig.»
Mühe hat der Roboter etwa bei gestreuten und gestaubten Biscuits, da er die Stücke nicht greift, sondern ansaugt. Allerdings macht auch die Robotik Fortschritte: Ultramoderne Roboter fixieren die Stücke nicht mehr mit Vakuum, sondern mit Luftstrom. Am wenigsten automatisiert ist bei Wernli das Einlegen von assortierten Produkten (bis zwölf Sorten) in die Verpackungen, da sich dies wegen der kleinen Mengen nicht lohnt.
Schneller und gleichzeitig genauer
Im Gewerbe ist die Automatisierung ebenfalls ein Thema, wie man an der Schweizer Bäckereifachmesse (FBK) Ende Januar in Bern bei mehreren Ausstellern feststellen konnte. Bäckereiberater Kurt Wettenschwiler von Conwet, die WP Bakerygroup vertritt, kennt den Grund: «Der Effizienzdruck zwingt zur Automatisierung.» André Hofmann von Werner+
Pfleiderer (WP) demonstrierte am Conwet-Stand den «Mini Quadro round 2524», einen kontinuierlichen und stressfreien Teigteiler, -former und -abstücker für weiche Hefeteige bis zu einer Teigausbeute von 175%. Zur Bedienung reicht eine Person. Die Vorteile dieser KMU-tauglichen Maschine sind Personal-kosteneinsparung und Qualitätskonstanz. «Die Produktqualität ist vergleichbar mit Handwerksqualität», verspricht Hofmann.
Überlegener Roboter
René Senn, Inhaber der Technikfirma Neumeyer AG, ist selbst Konstrukteur und betont: «Es gibt Anwendungen, wo ein Roboter dem Menschen nicht nur in der Stundenleistung, sondern auch in der Arbeitsqualität überlegen ist.» So kann er beispielsweise variierende Schinkentranchen perfekter in eine Verpackung einlegen oder einen Grosslochkäse genauer in gewichtskonstante Stücke schneiden, indem er vor dem Schneiden digitale Bilder macht und auswertet.»
Auch Reto Zogg, Verkaufsleiter der Technikfirma Pitec, hat den Überblick: «Am meisten automatisiert sind Backen und Gären in programmierbaren Öfen und Gärvollautomaten. Am wenigsten automatisiert dagegen ist das Beladen und Entladen des Etagenofens, weil es aufwendig und konstruktiv anspruchsvoll ist, grosse Mengen Teiglinge auf Steinplatten zu platzieren.» Dies ist auch beim «Ausbacken» so, wo die meisten Bäcker mit der «Schüssel» hantieren.
Eine Überraschung an der FBK war die kontinuierliche «handwerkliche Brotanlage» am Pitec-Stand mit Stationen von «Glimek» für Grossbrote und von «König» für Kleinbrote. Gebaut werden die Glimek-Stationen in Schweden, aber zu einer Anlage zusammengeführt werden sie bei Pitec in Oberriet SG. Die sehr kompakte Linie besteht aus einer Chargen-Teigteilmaschine für vorgegärten Teig mit Druckregelung. Das Absetzen der Teiglinge auf das Band geschieht manuell, aber die weiteren Prozesse kontinuierlich ohne Handarbeit: Rundwirken mit Exzenterkegel, zehn Minuten Entspannen im Ruheschrank und stressarmes Langwirken. Die Linie schafft Weichteige bis zu 180% Teigausbeute, was
die Bezeichnung «handwerklich» bezüglich der Produktqualität trotz hohem Automatisierungsgrad rechtfertigt.