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Wie sich die Süsse im Joghurt verhält

Neue Süssstoffe drängen auf den Markt. Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux (ALP) setzte versuchsweise drei dieser Produkte bei der Herstellung von Naturejoghurt ein.

von Alimenta Import

Zucker und verschiedene Zuckerersatz- oder -aus­tauschstoffe werden nicht von allen Konsumenten geschätzt und als «Dickmacher» oder als «ungesund» eingestuft. Neue Süssstoffe drängen auf den Markt, die teilweise nicht zugelassen sind und deren technologisches Verhalten in der Lebensmittelverar­beitung noch eingehender untersucht werden muss.

Im vorliegenden Versuch wurde Steviosid mit Actilight oder Palatinose als Süssstoff in Joghurt eingesetzt und die Auswirkungen auf Geschmack und Konsistenz gegenüber Joghurt mit Saccharose untersucht.

Herkunft der Süssstoffe
Die Steviapflanze (Steviosid) ist ein mehr­jähriger Strauch, der bis zu 1,4 m hoch wird und 5 bis 8 cm lange Blätter aufweist. Stevia rebauidiana weist die intensivste Süsskraft auf und ist damit zirka 200 Mal süsser als Saccharose.

Steviosid (Diterpenglykosid) ist ein rein natürliches Produkt, das aus den getrockneten Steviablättern isoliert und aufgereinigt wird. Steviosid ist weder kariogen noch führt die Aufnahme zu einer Insulinausschüttung und ist für Diabetiker daher geeignet. Zudem sind die Glykoside bis 200 °C temperaturstabil, in einem weiten pH-Bereich stabil und nicht gärungsfähig/fermentierbar.

Steviosid ist zum jetzigen Zeitpunkt relativ teuer und weder in Eu­ropa noch in der Schweiz als Lebensmittel, bzw. Lebensmittelzusatzstoff, Zutat oder Nahrungsergänzungsmittel zugelassen. Seit September 2008 ist einzig der Einsatz von Stevia für Storms (Sportgetränk) vom BAG zugelassen.

Actilight ist ein kurzkettiges Fructooligosaccharid (FOS) mit milder Süsskraft (30% von Saccharose). Als Nahrungsfaser (ohne E-Nummer) mit bifidogener und prebiotischer Eigenschaft ist Actilight speziell für Milch­produkte geeignet. Actilight hat gegenüber Saccharose nur die Hälfte an Kalorien und ­einen sehr tiefen glykämischen Index. Inwieweit Actilight die «Cremigkeit» und das «Mundgefühl» in Joghurt positiv beeinflussen kann, wie in der Werbung beschrieben, ist Gegenstand dieser Untersuchung.

Palatinose, auch Isomaltulose genannt, ist ein weisses kristallines Kohlenhydrat von milder Süsse (Süsskraft ist konzentrations­abhängig), das aus natürlichem Rübenzucker gewonnen wird. Isomaltulose entsteht aus Saccharose durch die enzymatische Umlagerung und ist im Vergleich zu Zucker stabiler gegenüber pH-induzierter Hydrolyse und der enzymatischen Spaltung.

Isomaltulose ist deshalb resistent gegen die Fermentierung durch Mikroorganismen und Laktobazillen und so für die Verarbeitung in Molkereiprodukten geeignet. Allenfalls ist in grösseren Konzen­tra­tionen noch ein möglicher Karamellgeschmack erwähnenswert.

Actilight mit Stevia überzeugt
Die Auswirkungen auf den Geschmack und die Konsistenz von Joghurt mit Zusatz von Steviosid sowie von Steviosid kombiniert mit verschiedenen Dosierungen von Actilight wur­­de im Vergleich zu Joghurt, der mit Isomaltose und mit Saccharose gesüsst wurde, untersucht.

Die Joghurtproben wurden gemäss der Standardrezeptur ALP für stichfeste Joghurt hergestellt. Actilight (Selectchemie, Schweiz) und Stevia sowie Palatinose (Beneo-Palatinit) und Saccharose wurden vor der Homogenisierung eingerührt.

Die Süsskraft von Stevia ist zirka 200 Mal stärker als jene von Zucker. Entsprechend wurde dosiert. Es wurden Mager­joghurt (<0,1% Fett) und Vollmilchjoghurt (3,5% Fett) hergestellt, wobei der Proteingehalt für die Magerjoghurt auf 5% und für die Vollmilchjoghurt auf 4% eingestellt wurde.

Die geringe Schwankung der Bebrütungszeiten wie auch die nur geringen Unterschiede bei den flüchtigen Carbonsäuren in den ­Produkten deuten darauf hin, dass die Fermentation bei allen Versuchsvarianten nahezu identisch war. Eine Molkenabscheidung war nur bei den Magerjoghurts festzustellen. Die Zugabe von Actilight verringerte die Molkenabscheidung.

Die rheologischen Messungen zeigten, dass eine Zugabe von 2% und 4% Actilight zu einer Erhöhung der Fliessgrenze führt, während 6% Actilight bereits leicht störend für die Joghurtgelbildung war. Ein ähnliches Phänomen wurde bereits in einem früheren Versuch beim Übergang von 2 zu 4% Tapioka-Stärke bemerkt. Die Zugabe von Saccharose (8%) oder Palatinose (8%) hatte praktisch die gleiche Auswirkung auf die Textur.

Von Interesse waren die Auswirkungen auf die sensorischen Eigenschaften. Beim Attribut «süss» wurden signifikante Unterschiede gefunden. Die Probe mit Palatinose war signifikant weniger süss als die Probe mit Saccharose. Die Proben mit Stevia, bzw. Stevia und Actilight waren alle praktisch gleich «süss» und lagen zwischen der Palatinose und der Saccharose.

Die Prüfpersonen stellten in den Joghurtproben mit der Zugabe von 2–6% Actilight eine Zunahme der Cremigkeit fest. Die höchste «Cremigkeit» wurde mit 4% Actilight ermittelt. Bezüglich des Attributs «Karamellgeschmack» wurden keine Unterschiede zwischen den Varianten festgestellt. Ein Fremdgeschmack wurde vereinzelt bei den mit Stevia gesüssten Varianten wahrgenommen. In Kom­bination mit Actilight wurden jedoch weniger geschmackliche Abweichungen registriert.

Schlussfolgerungen
Die drei Süssstoffe konnten mit den aus­ge­testeten Dosierungen meist ohne gravierende geschmackliche Nachteile eingesetzt werden. Die beurteilte Süssigkeit lag jedoch tiefer als beim mit Saccharose gesüssten Vergleichsprodukt. Es wäre zu prüfen, ob bei höheren Dosierungen zur Verstärkung der Süssigkeit weitere Geschmacksfehler auftreten.

Die Zugabe von Actilight bewirkt eine «cremigere» Struktur und vermindert die Molkenlässigkeit. Für den Einsatz von Stevia müsste die Zulassung durch die Behörden (BAG) vorliegen.

Die Autoren arbeiten an der Forschungsanstalt Agroscope-Posieux ALP