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Kooperationen verbessern Logistik

Die Fleischbranche befindet sich immer noch in einem starken Konzentrationsprozess. Dies zwingt Verarbeiter zur Zusammenarbeit, die bis vor kurzem Konkurrenten waren.

von Alimenta Import

Die Fleischwirtschaft ist eine der am meisten durchrationalisierten Branchen. In Deutschland werden bereits 70 Prozent aller Schlachtungen von den Top-10-Unternehmen gemacht. Auch in der Schweiz wurde in den letzten Jahren die Anzahl der Schlachthöfe deutlich reduziert. Vor 15 Jahren wirtschafteten gemäss Hans Jürg Heiz vom Bundesamt für Veterinärwesen (BVet) noch 1600 Betriebe. Heute hat sich ihre Zahl auf 774 Betriebe verringert.

Davon gelten gemäss Heiz 45 als Grossbetriebe, die über 1200 Schlachteinheiten (siehe Box) pro Jahr verarbeiten. Diese 45 Betriebe schlachten 3?170?000 Tiere, was gegen 90 Prozent der Gesamtmenge von 3?545?000 Tieren entspricht.

Der grösste schweizerische Betrieb, der Schlachthof Basel, schlachtet jährlich über 616?000 Tiere, also mehr als einen Sechstel. Im Vergleich mit einer deutschen Tönnies, die jährlich gegen 7 Mio. Schweineschlachtungen vorweist, ein Klacks.

Mehr Schlachtviehtransporte
Ruedi Matti, Bereichsleiter Gütertransporte des Nutzfahrzeugverbandes Astag, sagt denn auch, dass unter der Redimensionierung der Schlachtbetreibe die Transportdistanzen zugenommen hätten. Auch aufgrund der schärferen Tierschutzbestimmungen habe es eine Strukturbereinigung gegeben.

Hans Jürg Heiz vom BVet sammelt seit Jahren nicht repräsentative Zahlen zum Transport. Diese besagen beispielsweise, dass bei einem mittleren Fleischbetrieb ein Rind durchschnittlich 80 Kilometer und höchstens 200 Kilometer weit reist. «In der Schweiz gilt die Handels- und Gewerbefreiheit, was bedeutet, dass jeder Schlachtbetrieb seine Tiere kaufen kann, wo er will und auch jeder Tierhalter und -händler seine Tiere absetzen kann, wo er will», sagt Heiz.

Ausserdem sind die «grossen» Betriebe auf genügend Ware angewiesen, was einen Nachschub und den Schlachtviehtourismus aus der ganzen Schweiz nötig mache. Heiz sagt aber, dass vor allem bei den kleineren Betrieben in der Regel noch Tiere aus der Region geschlachtet werden.

90 Millionen für neuen Zerlegebetrieb
Der Konzentrations- und Spezialisierungsprozess in der Branche geht weiter. «Dieser hat aber auch sein Gutes», sagt Peter Schneider von Proviande. Auf Stufe Schlachtung würden nun Unternehmen zusammenarbeiten, die sonst als Konkurrenten auftreten. So hat vor drei Jahren die Lüthi?&?Portmann AG in Münchenbuchsee BE 10 Mio. Franken in einen neuen Zerlegebetrieb investiert und lässt nun die Schweine in Courtepin bei Micarna und die Haartiere bei der Marmy SA in Estavayer-le-Lac metzgen.

Vor zwei Wochen hat die zur Fenaco-Gruppe gehörende Ernst Sutter AG in Bazenheid den Spatenstich für ein neues Kompetenzzentrum für Fleischverarbeitung getätigt. 90 Mio. Franken soll es kosten und für die ganze Gruppe Frischfleisch verarbeiten. Eine Ausnahme stellt der dazugehörige Produktionsstandort Langnau BE der Reber AG dar.

Auch Micarna hat letztes Jahr 24 Mio. Franken investiert. Schon im Jahr 2003 hat der Migros-Betrieb den neuen Schlachthof und den Zerlegebereich für Schweine in Courtepin in Betrieb genommen. Gleichzeitig realisierte sie eine Kooperation (finanzielle Beteiligung von 42,2 Prozent) mit der Marmy SA für die Schlachtung der Haartiere. In Bazenheid ging Micarna gemäss Patrick Wilhem, Leiter des Geschäftsbereichs Marketing, eine Beteiligung mit verschiedenen Metzgermeistern der Ostschweiz zur SBAG ein und baute den im Jahr 2005 in Betrieb genommenen Schlachthof. Dort werden die Schweine nun via Kühltunnel zum Zerlegebetrieb befördert.

Mehr im Sattelschlepper transportiert
Führt nun aber die Konzentration der Schlachtbetriebe zwangsläufig zu mehr Kilometer für Schlachthälften und verarbeitetem Fleisch? «Nein», sagt Thomas Abt, Logistikleiter von Bell. «Durch die Konzentration auf einzelne Standorte werden weniger Kilometer gefahren.» So habe der Shuttle-Verkehr stark abgenommen. Bell, die 25 Prozent Marktanteil hat und pro Jahr 135?000 Tonnen Fleisch verarbeitet, konzentriert sich auf zwei Logistikleistungen: einerseits auf Coop, andererseits auf den Detail-/Grosshandel sowie Industriekunden.

Peter Schneider von Proviande sagt, dass Frischfleischtransporte zwar zugenommen hätten, aber nicht in Lieferwagen, sondern in Sattelschleppern. Patrick Wilhem fügt an, dass heute ausserdem weniger Viertel und Hälften mit Knochen transportiert würden. Diese werden schon im ersten Prozess entfernt.

Frischfleisch kommt per Flugzeug
Schneider sagt, dass Frischfleischtransporte sicher zugenommen hätten, mit der Verlagerung von Klein- zu Grossraumtransporten. Wenn die inländisch produzierte Gesamtmenge von 319?000 Tonnen verkaufsfertigem Fleisch immer noch von gleich vielen Betrieben geschlachtet würde, hätte dies zur Folge, dass durch die Automatisierung der Anlagen die Auslastung der Betriebe nicht mehr gewährleistet wäre.
Doch es wird selbstverständlich nicht nur inländisches Fleisch transportiert. Konsumiert werden schliesslich 417?000 Tonnen Fleisch. Was fast 100?000 Tonnen über der Inlandmenge liegt.

Doch auch für Markus Furrer von der Fleischimportfirma VB-Food International haben die Fleischtransporte eher ab- als zugenommen. Frischfleisch aus Übersee wird gemäss dem grössten Fleischimporteur der Schweiz, dem GVFI Basel, per Flugzeug eingeführt. So Rindfleisch aus Südamerika oder Schaffleisch aus Neuseeland. Rindfleisch für Bündnerfleisch stamme gemäss einem Branchenkenner jetzt aufgrund der Rückverfolgbarkeitsbestimmungen mehrheitlich aus der EU und wird meistens tiefgefroren per Lkw eingeführt. Ausschliesslich aus der EU stammt Schweinefleisch, das in Hälften (im Zollkontingen) oder auch tiefgefroren importiert wird.

Transporteure als Verlierer?
Sind mit rationelleren Strukturen alle zufrieden? Nicht ganz. Die Transporteure sind gemäss Ruedi Matti von der Astag benachteiligt. Denn mit der Verlängerung der Transportdistanzen würden die Chancen, dass der Transporteur mit dem Gesetz in Konflikt kommt, steigen. «Was, wenn nun die gesetzlich vorgeschriebene Lenkpause gemacht werden muss, aber die Tiere unverzüglich an den Bestimmungsort gebracht werden sollten?», fragt Matti. Auch würden die Vermarkter immer mehr Labels, die teilweise über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen würden, kreieren, um gut dazustehen. Wenn der Chauffeur dann Tiere mit mehreren Labelgruppen transportiert, werde die Sache ziemlich kompliziert. Der Chauffeur sei überdies gezwungen, das Fahrzeug nach dem Transport auszuwaschen, doch die Schlachthöfe würden mit der Waschplatzbewirtschaftung spärlich umgehen.

Astag-Präsident Adrian Amstutz stösst ins gleiche Horn. Die Phase Rot am Gotthard könne man mit Lastwagenfahrern machen, aber garantiert nicht mit Tieren, weil alle Medien blitzschnell vor Ort wären.