«Wir wollen näher an den Kunden»
Die Migros-Industrie ist erneut im Inland gewachsen. Im Export konnte sie sich nur um 0,8% steigern. Walter Huber, Chef der Migros-Industrie, will in den Hauptmärkten die richtigen Strukturen schaffen.
Alimenta: Ist es noch realistisch, an der geplanten Verdoppelung der Exporte innerhalb der nächsten fünf Jahre festzuhalten? Im Jahr 2008 erreichte M-Industrie «nur» 0,8 Prozent Wachstum.
Walter Huber: Es ist ein ambitiöses Ziel. Aber wir werden daran festhalten, weil wir an den richtigen strategischen Programmen arbeiten und in den Hauptmärkten vor Ort Strukturen schaffen.
Das heisst?
Wir stärken den Verkauf und bauen die exportfähigen Sortimente aus. Wenn wir beispielsweise den Charcuteriebereich weiterentwickeln wollen, braucht es ein Ankersortiment wie das Bündnerfleisch. Darum haben wir dieses Jahr die Firma Natura übernommen
Aber gerade mit Bündnerfleisch wird es ein Problem bezüglich der Swissness geben. Künftig dürfen gemäss Bundesrat nur noch Produkte mit Swissness ausgelobt werden, wenn mindestens 80% des Gewichtes aus der Schweiz stammt. Bündnerfleisch stammt zum grössten Teil aus Argentinien.
Mir sind noch keine Details des bundesrätlichen Beschlusses bekannt, darum kann ich dazu noch nicht Stellung nehmen. Sicher ist aber, dass wir nicht korrigieren sollten, was schon heute vom Lebensmittelgesetz her abgedeckt ist. Bei der Schokolade stammt ja auch das Hauptrohmaterial, Kakao, aus dem Ausland.
Sie wollen also auch beim Fleisch eine Ausnahmeregelung?
Das muss im gleichen Sinn abgehandelt werden.
Fleisch ist auch das grösste Migros-Industrie-Geschäft mit einem Umsatz von über 1 Milliarde Franken. Doch dort hat Ihr Mitbewerber schon die wesentlich grösseren ausländischen Strukturen geschaffen mit der Übernahme von Abraham und Zimbo. Wie sieht die Micarna-Strategie aus?
Bündner Spezialitäten sind für die Entwicklung des internationalen Charcuterie-Geschäftes ein Schlüsselsortiment. Es öffnet uns Türen zu neuen Märkten und Kunden.
Eine deutsche Molkerei verkauft Joghurts mit dem Mövenpick-Brand «Product of Switzerland». Sie wollen im deutschen Markt auch mit Swissness Joghurts verkaufen. Stört Sie das?
Mich persönlich stört das schon. Gerade deswegen haben wir ja die Diskussion über den Missbrauch der Marke Schweiz. Hier muss man sich einigen, was unter diesem Label angeboten werden darf. Aber auch mit der neuen Swissness-Vorlage kann man solche Fälle aus unserer Sicht nicht generell unterbinden.
Vor einem Jahr evaluierten Sie aus den 50 Exportländern die Hauptmärkte. Wo sind diese nun?
Wir legen den Fokus auf die grossen europäischen Länder wie Deutschland, England, Frankreich, aber auch Nordamerika.
Und wie wollen Sie dort Präsenz markieren?
Wir wollen in diesen Märkten präsent und noch näher bei den Kunden sein. Neben Vorortstrukturen braucht es auch zusätzliche Kundenbetreuer mit fundiertem Markt- und Sortiments-Know-how. Und es braucht auch kommunikative Präsenz. So läuft in Frankreich, wo Swiss Délice die grösste ausländische Joghurtmarke ist, bereits auch ein TV-Spot.
Sie sagten, im Milchproduktebereich sei es beispielsweise einfacher als bei Fleisch, Innovationen zu realisieren. Wie viele Innovationen wurden seit Ihrem Amtsantritt verwirklicht?
Wir haben über 10% unseres Sortiments erneuert. Starke Innovationen haben wir in den Produktsegmenten Schokolade, Kaffee, Fleisch, Convenience und Near-Food lanciert.
Migros-Industrie investiert jährlich 200 Millionen Franken. Wie sieht es in der Rezession aus?
Wir gehen davon aus, dass wir weiterhin in dieser Grössenordnung investieren können. Und weil die Wirtschaftslage sehr schwierig ist, wird die Migros Gruppe die Investitionen für die nächsten drei Jahre auf 5 Mrd. Franken aufstocken. Ein grosses Fragezeichen gibt es dabei noch. Wenn wir im Agrarbereich bei den Rahmenbedingungen strategisch nicht weiterkommen, müssen wir unsere Investitionspolititk überdenken.
Wird sich die M-Classic-Linie auch auf die M-Industrie auswirken?
M-Classic wird ein Kernsortiment der Migros und damit der Migros-Industrie werden. Wir gehen davon aus, dass wir damit Marktanteile gewinnen werden. Gleichzeitig fokussieren wir uns auf den Ausbau der starken Migros-Marken wie Heidi, Léger, Frey oder I am, um hier auf Augenhöhe mit den Markenartikeln zu sein.
Ist Lidl-Belieferung jetzt ein Thema?
Wir sind ein Private-Label-Hersteller. Über unsere Kunden dürfen wir keine Auskunft geben.
Welche Akquisitionspläne haben Sie nach der Übernahme der savoyischen Molkerei Baiko?
Über angedachte oder laufende Akquisitionen geben wir grundsätzlich keine Auskunft.
Hat sich die Weko, als die Elsa den Denner-Auftrag von 40 bis 50 Mio. kg Milch übernahm, der bisher von der Emmi erfüllt worden war, nicht gemeldet?
Nein, sie hatte aus unserer Sicht auch keinen Anlass dazu.