Wachsen im Ausland, halten im Inland
Emmi möchte bis zum Jahr 2014 fit sein, um im internationalen Geschäft ein gewichtiges Wort mitzureden. Potenzial sieht der Milchverarbeiter im erstklassigen Käse und in aussergewöhnlichen Frischprodukten.
Emmi macht sich bereit für die Zukunft. In sechs bis acht Jahren will der grösste Schweizer Milchverarbeiter die Hälfte des Umsatzes im Ausland generieren. Verwaltungsrat und Konzernleitung haben die Ziele in ihrer Strategie hoch gesteckt. Denn im letzten Jahr betrug der Inlandanteil noch 76,8 Prozent des Nettoumsatzes von insgesamt 2,69 Mrd. Franken.
Fokus auf weniger Länder
Um den starken Ausbau des internationalen Geschäfts voranzutreiben, hat Emmi die Fokusmärkte auf weniger Länder beschränkt. Neben Deutschland, Italien und Österreich gehören noch Grossbritannien und die USA dazu. Dort will das Unternehmen jährlich um 8 bis 10 Prozent organisch wachsen, sagte Emmi-Chef Urs Riedener an der Bilanzmedienkonferenz am 8. April 2009.
Gezielte Akquisitionen und Allianzen sollen zum Wachstum beitragen. Als gelungenes Beispiel einer gezielten Akquisition führte Riedener die Übernahme von Roth Käse in den USA per Anfang Jahr an. Emmi USA und Roth Käse ergänzten sich im Sortiment ideal: Roth biete neue Absatzmöglichkeiten im Food Service, im Gegenzug profitierten die Amerikaner von der guten Position von Emmi im Detailhandel. «Dadurch, dass die ganze Bandbreite im Käsegeschäft abgedeckt wird, hat sich unsere Verhandlungsposition bei den Abnehmern deutlich verbessert», sagte Riedener.
Mit Kaiku, der Nummer 2 für probiotische Frischprodukte im spanischen Markt, verbindet Emmi eine strategische Allianz. Ein kontinuierlich wachsender Joghurtmarkt in Spanien, die Hoffnung auf die gemeinsame Nutzung von Synergien bei der Entwicklung und Vermarktung von neuen Frischprodukten oder ein grosses Entwicklungspotenzial und Tochtergesellschaften in Südamerika haben den Ausschlag gegeben, die Beteiligung der Schweizer an Kaiku auf Anfang April von 23 auf 43 Prozent zu erhöhen.
Fit machen für offene Grenzen
Der Fokus auf das Auslandgeschäft erfolgt nicht von ungefähr. Mit diesem Schritt will sich Emmi fit machen für die Zeit, in der die Schweizer Märkte weiter geöffnet werden – sei es durch das Inkrafttreten des Abkommens mit der Welthandelsorganisation WTO oder durch den Abschluss eines Agrarfreihandelsabkommens mit der EU.
Der Milchverarbeiter sieht die grössten Exportchancen im Bereich der Frischprodukte, gefolgt von Käse im Premiumbereich mit Herkunft Schweiz. In diese Bereiche will er hauptsächlich investieren, unter anderem indem die Dachmarke Emmi und die Herkunft Schweiz prominenter und breiter ins Bild gesetzt werden. Im Gegensatz dazu ist der Importdruck bei Weichkäse gross und wird nach der Liberalisierung der weissen Linie auch für Standardprodukte wie Butter, Rahm und Milchpulver zunehmen.
Die Feststellungen, dass der Schweizer Markt für Milchprodukte gesättigt ist und dass Emmi im internationalen Umfeld noch kein bedeutender Player darstellt, haben den Ausschlag für die internationale Wachstumsstrategie gegeben. «Soll unsere Strategie erfolgreich sein, bedingt dies, dass die Differenz des Milchpreises zwischen der Schweiz und der EU nicht zu gross ist», sagte Urs Riedener. Nur so sei Emmi international wettbewerbsfähig.
Marke Emmi auch im Inland stärken
Nicht nur das Wachstum im Ausland gehört zur Emmi-Strategie. Auch der Inlandmarkt soll verteidigt werden. Die Schweizer Konsumenten sollen künftig viel bewusster nach Emmi-Produkten greifen. Gleichzeitig will das Unternehmen im Gastro- und Grosskundenbereich wachsen.
Zur Inlandstrategie zählt auch die 60-Prozent-Beteiligung von Emmi an Nutrifrais, dem Tochterunternehmen der LRG Groupe in Genf, die am 7. April besiegelt wurde. Dadurch will der Zentralschweizer Milchverarbeiter seine Präsenz in der Westschweiz stärken, gleichzeitig aber auch dem wachsenden Importdruck begegnen. Geplant ist – sofern die Wettbewerbskommission der Beteiligung zustimmt –, die Genfer Molkerei als Kompetenzzentrum für Flan (TamTam) und andere Spezialitäten auszubauen. Bisher verarbeiteten 30 Mitarbeiter rund 5 Mio. Kilo Milch zu Desserts, Joghurts und Quark und erzielten einen Umsatz von 20 Mio. Franken. Emmi wolle sowohl am Standort Genf als auch an der Marke Nutrifrais festhalten, bekräftigte Riedener.
«Etwas viele Neuheiten»
Ob national oder international, wichtig für eine gesunde Firma sind regelmässig erfolgreich eingeführte Innovationen. Deren Zahl war in den letzten Jahren gross, deren Erfolg teilweise weniger. «Es waren vielleicht etwas zu viele», räumte Urs Riedener denn auch ein.
Die Verankerung in den Märkten hätte darunter gelitten. Trotzdem will er das Image des innovativen Milchverarbeiters weiter pflegen. Ohne Bereitschaft zum Risiko gebe es keinen Erfolg. «Es ist gehört zum Unternehmensrisiko, dass neue Produkte auch wieder vom Markt genommen werden. Wichtig ist dabei, dass der Entscheid dazu gefällt wird, bevor dem Unternehmen ein Schaden entstanden ist», präzisierte Urs Riedener gegenüber «Alimenta».