Datum:

«Wir würden auch 80% schaffen»

Nicht jeder wolle Swissness, sagt Josef Achermann, Leiter von Swissmill. Die Mühlenbranche könnte den für Swissness geforderten Rohstoffanteil an Biskuitmehl ­jedoch erreichen.

von Alimenta Import

Alimenta: Was bedeutet Swissness für die schwei­zerische Müllereiindustrie?
Josef Achermann: Dies spielte bis jetzt noch nicht so eine grosse Rolle, weil wir ja stets einen Grenzschutz hatten. Ausserdem war die Schweiz immer ein Getreideimportland, von 40% Importanteil in den Sechziger-, 15% in den Achtzigerjahren und 10% heute. Man hatte immer eine Mischung und niemand hat sich je daran gestört, dass tradi­tionellerweise ausländischer Weizen im Brot ist. Futtermittel werden zu 50% und mehr importiert und das Endprodukt ist Schweizer Fleisch.

Wird dieser hohe inländische Getreideanteil künftig gehalten werden?
Ich gehe davon aus, dass in Zukunft weniger Getreide in der Schweiz angebaut wird. Aber ich bin der Meinung, dass der inländische Getreideanbau mit Direktzahlungen an die Produzenten gestützt werden muss.

Was bedeutet es für die schweizerische Mülle­reibranche, wenn nach dem Vorschlag des Bun­desrates 80% des Gewichtes der Rohstoffe aus der Schweiz stammen müssen, um Lebensmittel wie Brot oder Biskuits mit Swissness auszu­loben?
Für diejenigen, die Swissness vermarkten wollen, hat es genügend Inlandware. Für die anderen nimmt man einen höheren aus­ländischen Getreideanteil, sofern dies nötig wird. Aber auch für die Mehlverarbeitungsindustrie gilt: weniger Massenprodukte, mehr Spezialmehl.

Die Biskuithersteller sagen, dass in der Schweiz der Biskuitweizen, den sie benötigen, gar nicht produziert und verarbeitet werden könne.
Dies ist ernteabhängig und das Angebot an Biskuitweizen ist steigend, doch wenn die Nachfrage vorhanden ist, wird vermehrt angebaut. Ausserdem benötigt die Biskuitindustrie auch normalen Weizen zum Einmischen für gewisse Produkte, sodass dieser Anteil nicht dermassen hoch ist. Die 80% würden wir schon hinbringen mit verschiedenen Mischungen.

Ist der tiefere Auslandpreis für die Biskuit­industrie auch ein Argument?
Dies hängt vom Grenzschutz und vom Inlandrichtpreis ab. Auch wenn der Zoll noch draufgeschlagen wird, ist der eingeführte Weizen momentan günstiger. Entscheidend wird sein, welcher Richtpreis am 19. Mai in der Swiss Granum für inländischen Weizen bestimmt wird. Eventuell sieht es dann für die Biskuitindustrie positiv aus, wenn Inlandweizen wieder­um günstiger ist.

Ist die Korrelation der Getreide- mit den Mehlpreisen im Grenzschutz die einzige Forderung, die die Müllereibranche hat?
Am 1. Juli sollte der Mehlpreiszoll sinken. Er sollte auf den 1. Oktober verschoben ­werden, damit die Korrelation stimmt. Die Korrelation ist ein Muss, damit hätten wir ein System, welches gerecht ist.

Export ist für die Schweizer Mühlenwirtschaft immer noch kein Thema?
Bei offenen Grenzen müssen wir gan­z klar auf den Export setzen. Wir haben seit
drei Monaten konkrete Projektexporte für ­Mehlmischungen. Besonders nach Österreich und Deutschland. So wird St. Matiner­brot in Deutschland als Schweizer Brot verkauft. Das Mehl dazu stammt von uns.

Wie wird der Preisnachteil ausgeglichen?
Es kommt hier auf den Verarbeitungsgrad an. So wird dieser Preis ähnlich dem Schoggi­system oder auch durch präferenziellen Zoll ausgeglichen.

Die lebensmittelverarbeitende Industrie sieht im einseitig eingeführten Cassis-de-Dijon-Prinzip Nachteile. Auch die Mehlindustrie?
Es ist wieder einmal eine Wettbewerbsverzerrung. Ich habe nichts gegen Grenzöffnungen, aber Import–Export muss immer ausgeglichen sein. Die schweizerische Lebensmittelindustrie wird hier benachteiligt.

Konkret?
Wenn etwa der Rohstoff eine höhere Zollbelastung aufweist als das Fertigprodukt, beispielsweise bei Teigwaren oder Mais, wird die inländische Nahrungsmittel­in­­dustrie benachteiligt, und dies ist wettbewerbsverzerrend. Napoli-Teigwaren ohne Eier ­haben praktisch keine Zollbelastung. Wenn wir aber Hartweizen einführen, so haben wir umgerechnet auf das Fertigprodukt zwischen 3 und 4 Franken Zoll- und Pflichtlagerzuschlag.

So sind Sie für das Freihandelsabkommen Landwirtschaft?
Wir waren von Anfang an dafür, jedoch müs­sen flankierende Massnahmen eingeführt werden, damit alle gleich lange Spiesse haben.

Letztes Jahr wurde in der Schweiz wieder mehr Brot konsumiert. Warum?
Sicher hat die Attraktivität des Brotes zugenommen. Brot wird überall frisch angeboten. Der Ausser-Haus-Konsum, gerade mit Sandwiches, ist gestiegen. Es ist immer so während der Hochkonjunktur. Nicht zuletzt denke ich, dass in diesen Zeiten auch viel Brot weggeworfen wurde, was sich in der Rezession wieder ändern kann und ­wieder mehr älteres Brot gegessen wird.

Seit Jahren wird Vollkornbrot propagiert, doch die Zahlen zeigen, dass der Weissmehlverbrauch steigt.
Die Sortimente an dunklem, faserreichem Brot sind breiter geworden, doch der Konsum nimmt nicht zu. Die grosse Masse isst immer noch weisses Brot, eventuell, weil es den Geschmack besser trifft. Ein dunkleres Brot geht weniger auf, weil es durch die ­hohen Schalenanteile weniger Triebkraft hat und so schwerer verdaulich ist.

Was macht Swissmill mit dem Trend der Vermahlung bis auf Stufe Mikromü?
Unsere Produkte werden mit verschiedenen Mahlverfahren hergestellt, sei es im Vollkornbereich mit der Stein- oder Spezialmühle oder verschiedenste Saatenbrote. So müssen wir gar nicht in den Mikrobereich gehen. Interview: Hans Peter Schneider