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Wie von Hand gemacht

Handwerkliche Herstellung gilt bei der Produktqualität als exklusiv. Industrielle Süsswarenhersteller bemühen sich, ihren Produkten handwerkliche Anmutung und damit ein gutes Image zu verleihen. Mit welchen Tricks?

von Alimenta Import

Die industrielastige Süsswarenbranche bemüht sich seit einigen Jahren um mehr handwerkliches Produktaussehen. Industrielle Hersteller versuchen, ein solches mit automatischen Anlagen zu imitieren, um nicht die Produktionskapazität zu schmälern oder die Herstellkosten zu erhöhen. Wem dies gelingt, hat nicht nur einen Wettbewerbsvorteil gegenüber andern Industrien, sondern ver­rin­gert auch den Qualitätsabstand zu den gewerb­lichen Herstellern, und dies bei unveränder­tem Preisvorteil. Dazu verwendet die In­dus­trie oft ausgeklügelte Techniken, aber auch In­dustrievertreter bekennen sich zu Hand­­­arbeit bei einzelnen Prozessschritten. Typische Beispiele für industrielle Süsswarenhersteller sind ­Chocolat Frey (Migros) und Lindt&Sprüngli – bei beiden kommt Handarbeit vor.
Chocolat Frey stellt Pralinen mit Standard-Anlagen her. Hierzu zählen moderne Verfahren wie One Shot (Truffes), Frozen Cone (Kugeln, Eili), Frozen Shell (gefüllte, überzogene, dekorierte Pralinen), aber auch traditionelle wie Giessverfahren (gefüllte, dekorierte Pralinen) und Extrusion (Formpralinen). «Es kann vorkommen, dass wir Produkt-Veredlungen von Hand vornehmen», sagt eine Sprecherin von Chocolat Frey. «Beispielsweise beim Dekorieren eines Osterhasen mit Maschen, Aufleger usw. Dabei ist es durchaus möglich, dass industriell gefertigte Produkte eine handgefertigte Anmutung erhalten». Natürlich steigen die Kosten, sobald Handarbeit im Spiel ist. «Wir versuchen jedoch, die Verkaufspreise so zu gestalten, dass solche Artikel ihrer Preislage entsprechend positioniert bleiben.» Handwerkliches Aussehen macht ein Produkt sichtbar attraktiver, «dennoch ist dies bei Industrieprodukten nicht immer erfolgsentscheidend», relativiert die Sprecherin.

Gezielte unregelmässige Anordnung
Ein anderes Beispiel von Lindt&Sprüngli: Dort geschieht das Filieren (dekorieren mit dünnen Schokoladefäden) mit einem automatisierten Prozess, aber die programmierbare Maschine reproduziert ein handwerkliches Design. Die unregelmässige Anordnung der Fäden sieht nach handwerklicher Herstellung aus. Ähnlich bei den Pralinés «Nouvelle Confiserie», die ein Dekor von unregelmässigen Farbstrichen erhalten. Bei gewerblichen Confiserien ist die entsprechende Drucktechno­logie stark im Trend. Dabei werden Farbzeichnungen als essbares Dekor von einer Folie auf die Schokoladeoberfläche transferiert. Die Produkte sehen aus wie einzeln von Hand ­bemalt. Aber auch die gewerbliche Folienmethode ist rationalisiert, und die Folien werden mit industriellen Methoden hergestellt. Lindt verwendet allerdings nicht Folien, «sondern eine eigens entwickelte Siebdrucktechnik», verrät Entwicklungsleiter Urs Liechti. Dekormaschinen sind aufwendig; trotzdem leisten sich Premiumhersteller wie Lindt diese bewusst. «Mit Dekors erreicht man eine handwerkliche Anmutung», so Liechti. «Man kann den Produkten einen persönlichen Touch verleihen und Liebe zum Detail signalisieren.» Auch spezielle Formwerkzeuge oder Giessfor­men gehören zum Arsenal der Dekordesigner. Eine weitere Eigenkonstruktion von Lindt ist eine Maschine, die Pralinés automatisch mit Kakao bestaubt. «Dazu mussten wir den Verpackungsroboter anpassen, damit er solche gepuderten Stücke handhaben kann», so Liechti. Pudern wird in gewerblichen Confi­serien gern verwendet, um die handwerkliche Machart sichtbar zu machen, denn Kakao­puder ist in der Industrie immer noch eine Klippe, um die man nicht so einfach herumkommt.

Handarbeit trotz Grossproduktion
Weitere Beispiele für grosse Süsswarenher­steller, die trotz Grösse mehrheitlich handwerklich arbeiten, gibt es in der Schweiz viele, so etwa die Grossconfiserien Läderach in ­Ennenda und Sprüngli in Dietikon. Auch der Marzipanhersteller OLO in Lyssach BE gehört dazu, der zwar Marzipan auf modernen An­lagen maschinell herstellt, aber manuell zu ­Figuren weiterverarbeitet. Dazu OLO-Mitinha­berin Doris Lohner: «Unsere Produkte sind in der Herstellung so komplex, dass viele Arbeitsschritte nicht automatisiert werden können. Keine Maschine kann Figuren herstellen, bei denen jede ein Unikat ist. Die Figuren wirken lebendig mit schmunzelndem Mund, fröhlichen Augen, roten Backen oder langen Wimpern. Maschinen dagegen besitzen nicht das nötige Gefühl, um Marzipanfiguren lebendig und fröhlich aussehen zu lassen.» Mit Handproduktion kann man ausserdem sehr rasch auf geänderte Kundenwünsche reagieren. Es gibt keine lange Vorlaufzeit, weil keine Maschine entwickelt oder beschafft werden muss.