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«Wir brauchen einen Plan B»

Das heutige Importsystem braucht bis zur Umsetzung des Freihandels­abkommens Alternativen, ist Balz Horber, Direktor des Schweizerischen Fleischfachverbandes (SFF), überzeugt

von Alimenta Import

Alimenta: Die Schweizer Fleischindustrie in­vestiert viel Geld in die schon heute dicht gelegenen Verarbeitungsbetriebe. Gleichzeitig klagt die Branche über zu hohe Einstandspreise und fehlende Zukunftsaussichten.
Balz Horber: Auf die Investitionen sind wir stolz, denn es würde etwas nicht stimmen, wenn wir nichts investieren würden. Sorgen haben wir bei den Einstandspreisen, wo doch eine gewisse Mässigung stattfinden sollte. Was es uns auch erleichtern würde, uns auf künftig offene Grenzen einzustellen.

Das meiste Geld fliesst in Zerlege- und Verarbeitungsbetriebe. Werden im Hinblick auf den Freihandel künftig Schlachtkörper importiert und im Inland nur noch wertschöpfungsreichere Arbeiten gemacht?
Grundsätzlich ist sicher, dass die Anzahl der Schlachtbetriebe sinkt. Aber auch dezentrale Kleinschlachtanlagen werden ihre Chancen im Rahmen regionaler Vermarktungskooperationen behalten. Die starke Investitionstätigkeit ist ein Bekenntnis zu Schweizer Schlachtvieh, denn bei geringeren Preisdifferenzen zwischen in- und ausländischem Schlachtvieh werden die Verarbeiter auf Schweizer Fleisch setzen.

Die grössten Investitionen leisten erwartungs-gemäss die drei grossen Schweizer Konzerne, die den Schweizer Fleischmarkt dominieren. Gibt es eine Zukunft für den gewerblichen Fleischver-arbeitungsbetrieb?
Gewiss. In Verarbeitungs- und Handelsbetriebe investieren durchaus auch kleinere und mittlere Betriebe. Ausserdem zeigt das Beispiel der Schlachtanlagen in Bazenheid und St.?Gallen, dass sich gewerbliche Metzger in kleinerem finanziellen Rahmen an grösseren Projekten beteiligen.

Doch der Marktanteil, den die drei Grossen ­haben, steigt.
Es kommt immer darauf an, wo er gemessen wird. Gerade mit den neuen Detaillisten Aldi und Lidl, die interessante Abnehmer für mittelständische Metzgereiunternehmen sind, eröffnen sich ihnen Marktchancen. Auf Detailhandelsstufe ist der Marktanteil der Metzger-Fachgeschäfte stabil.

Die Fleischwirtschaft musste in letzter Zeit Rück­schläge in Kauf nehmen. So will der Bundesrat das aktuelle Importsystem für Fleisch nicht ändern.
Der Bundesrat rechnet damit, dass die WTO-Doha-Runde oder das Freihandelsab­kommen mit der EU durchkommen ­werden. In der Zwischenzeit will er es beim Alten belassen. Wenn diese Vorlagen scheitern werden, braucht es einen Plan B, obschon wir absolut nicht klein beigeben werden.

Um welche Grössenordnungen bei den Versteige­rungen geht es?
Bis das Freihandelsabkommen umgesetzt wird, vergehen mindestens fünf Jahre. In die­ser Zeit werden die Versteigerungen die Fleisch­branche 1 Mrd. Franken gekostet haben.

Im Juni will der SFF dem Bundesrat einen ­konkreten Vorschlag zum Importsystem unterbreiten. In welche Richtung geht er?
Wir sind mit dem Gewerbeverband und dem Bauernverband am diskutieren. Möglich wäre etwa ein Mischsystem, wonach sich die Importmenge zu je einem Drittel aus Schlachtungen, aus Exportleistung und aus Versteigerung zusammensetzen würde.

Profitieren hier nicht nur Grossbetriebe?
Wenn wir die Branche als Gesamtes anschauen, wäre dies sicher das kleinere Übel. Auch «Kleinere», die importiertes Fleisch zukaufen, könnten profitieren. Die Fleischbranche muss insgesamt entlastet werden.

Ein weiteres Problem für die Fleischbranche ist die Swissness-Vorlage des Bundesrates, wonach Bündnerfleisch als Türöffner für die ­an­gestrebten Fleischexporte mit der neuen 80%-Swissness-Regelung wegfallen würde.
Weil wir diese Vorlage kritisch angeschaut haben, setzten wir uns dem Generalverdacht aus, dass wir mit unterschwelliger Täuschung Geschäfte machen möchten. Es geht überhaupt nicht darum, dass wir hier in irgendeiner Weise mit dem Schweizerkreuz Fleisch verschachern wollen.

Was fordern Sie mit der Lex Bündnerfleisch?
Wir wollen, dass die geschützte geografische Angabe (GGA) «Bündnerfleisch» unabhängig von der Swissness-Regelung gehandhabt wird. Nach Gesprächen mit dem Institut für Geistiges Eigentum bin ich zuversichtlich.

Alljährlich werden 3000 Tonnen Bündnerfleisch exportiert, vor allem nach Frankreich. Stammt diese Menge aus ausländischem Rohmaterial?
Die exportierte Menge besteht meistens aus ausländischem Rohmaterial. Die einheimischen Bündnerfleischproduzenten erleben hingegen eine starke Konkurrenz durch geschnittenes und verpacktes Trockenfleisch, das mit einem sehr tiefen Zollansatz von 11 Franken importiert wird, wogegen auf importiertem Rohmaterial 20 Franken erhoben werden.

Die Fleischwirtschaft sieht im Exportgeschäft Käse oft als Vorbild an. Doch auch dort musste man einsehen, dass Freihandel nicht eine Einbahnstrasse ist.
Wir spüren natürlich, dass dies ein sehr ­steiniger Weg ist und mit pickelharter ­Arbeit verbunden. Die Beispiele sind aber da. So beliefert beispielsweise der Betrieb Bernet in Obermumpf den Europapark.

Erfolgsmeldungen konnte der SFF mit der Cervelat-Problematik verbuchen, welche von den Medien praktisch nur in positiver Weise auf­gegriffen wurde. Schlägt sich diese Erfolgsgeschichte in den Cervelat-Verkäufen nieder?
Diese haben sich sicher nicht verringert. Dennoch haben wir die ganze Sache nicht als PR-Kampagne aufgezogen.

Wirkt sich die Rezession auch positiv auf die Fleischwirtschaft aus?
In wirtschaftlich guten Zeiten hat man sich an die Edelstücke gewöhnt und vergessen, dass auch anderes Fleisch gut ist. Heute wird wieder vermehrt Fleisch vom Vorderviertel verkauft oder auch Ragout oder Schweinsleber. Der Fachmann freut sich, wenn das Tier, das er verwertet, besser genutzt wird.

Ende Jahr treten Sie in den Ruhestand. Können Sie schon ein Fazit ziehen?
Gerade als die BSE-Krise Anfang der Neunzigerjahre um sich griff, war auch mein Start als SFF-Direktor. Doch trotz allen wirtschaft­lichen Problemen und den enormen Entwicklungen war der Wandel positiv. Ich bin beeindruckt von den unternehmeri­schen Leistungen, die im Gewerbe und in den grösseren Betrieben erbracht werden. Es ist eine gewaltige Herausforderung, sich den raschen Veränderungen anzupassen, und unseren Unternehmern gelingt dies immer wieder.