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Wie der Käse unters Volk gebracht wird

Von Figugegl bis zur Schweizer Ski-Nationalmannschaft oder was Sennen mögen, muss gut sein fürs Mittelland. Ein nicht immer ganz ernster Blick auf die Käse-Werbekampagnen von damals.

von Alimenta Import

«Figugegl»: Nicht einmal die sportliche Lovely-Kuh als Sympathieträger in der Schweizer Milchproduzenten kommt an die Popularität dieses Slogans heran, den in der deutschsprachigen Schweiz zumindest die mittlere bis ältere Generation kennt. «Wer hätt’s erfunde?», würde ein Kräuterbonbons schleckender Kabarettist hier fragen. Keine Ahnung. Die sprachvirtuosen Dadaisten ­haben ihn sich nicht ausgedacht. Die Künstlergruppe entstand mitten im Ersten Weltkrieg unter Zürichs Emigranten, zur selben Zeit, als der Bundesrat der Genossenschaft Schweizerischer Käseexportfirmen (GSK) die Aufgabe übertrug, den Käseabsatz im In- und Ausland zu fördern. Vielmehr wurde «Figugegl» im Ver­lauf einer Kampagne zur Absatzsteigerung von Fonduemischungen lanciert. Die Alltagsspeise der Sennen, das Käsefondue, sollte ­unters Volk gebracht werden. «Fondue» als geselliges Essen in der Familie oder unter Freunden «Isch GUet und Git E Gueti Luune» – hiess die ­Botschaft, bevor sie zum knackigen Kürzel ­zusammen gezogen wurde. Mit zahlreichen ­verkaufsfördernden Merchandising-Zusatz­artikeln (Memory-Spiel, Faltkäserei) wurde der Fondue-­Plausch schmackhaft gemacht.

Swissness in den 50er-Jahren

Gewiss stieg in den 50er- bis 70er-Jahren mit kontinuierlich steigendem Einkommen der Käsekonsum pro Kopf. Auch die Vielfalt im Käseangebot nahm zu, auf den Exportmärkten wie in der Schweiz. Die Antwort auf diese Herausforderung hiess schon damals «Swissness». Jahrzehntelang dirigierte die Schweizerische Käseunion (SK), der GSK unmittelbar nachfolgend, mit monopolistischer Marktstellung den Exportmarkt für Schweizer Käse. Sie war nicht nur für die Absatzförderung von Gruyère, Emmentaler und Sbrinz im Ausland zuständig. Auch Appenzeller und Tilsiter ­profitierten vom Werbe-Knowhow der Käse­union. Der Vermarktung einzelner Markenprodukte wurde die kollektive Exportwerbung vorgezogen, mit folgendem Argument: «So hat […] die Schweiz als relativ kleines Land mit mehrheitlich kleineren Unternehmungen auf den internationalen Märkten gegen die mit fast unbeschränkten Mitteln arbeitenden ausländischen Grossunternehmungen einen äusserst schweren Stand», heisst es in einer an der Universität Bern 1959 von Bernhard Küffer eingereichten Dissertation «Die kollektive ­Exportwerbung». Die kollektive Bündelung der Werbemittel galt als Weg, die so unterschiedliche Schweizer Branchen wie Hotel­lerie, Uhren­industrie und Käsewirtschaft für gangbar hielten. «Zur Anerkennung gemeinsamer Interessen gehört aber der Verzicht auf ein­zelunternehmerische Sonderwünsche.» Und ­weiter: «Es ist eine Erfahrungstatsache, dass gemeinschaftliche Bestrebungen verschiedentliche Widerstände finden … als Folge der stetigen Verschärfung des Konkurrenzkampfes.» Insidern der gelben Branche müssten diese Konflikte irgendwie als Evergreen vorkommen.

Käse, Uhren und schöne Berge
Alle drei Branchen setzten in den 50er-Jahren stark auf Swissness: «Unsere Darstellung zeigt, dass die kollektive Exportwerbung nicht eine unmittelbare Förderung des Exportes spezifischer Markenartikel, sondern typisch schwei­zerischer Exportwarengattungen, ja sogar eine Publizistik der ‹Schweiz› schlechthin bezweckt. Damit kann sie nicht mehr eindeutig von Public-Relations-Massnahmen unterschie­den werden.» Die Käseunion bediente sich mit zeitlichem Verzug und meist mit weniger Mitteln ausgestattet ähnlich moderner Marketing-Methoden, wie sie von der Schweizerischen Verkehrszentrale (SVZ) und der Fédération Horlogère (Uhrenfabrikanten-Verband) angewandt wurden. Die SK liess erstmals eine Marktforschung durchführen, von welchen Gegebenheiten der Käsekonsum abhängig sei. Schon damals hörte man die Klage, dass belgische und französische Konsumenten den Emmentaler Käse «Gruyère» nennen würden und eine Umerziehung derselben zwecklos sei. Die Marke «Switzerland» müsse deshalb als optische Qualitätsgarantie gestärkt werden.

Image-Auftrag Schweizer Käse
Es ist zu vermuten, dass lange Zeit der Ausgabe­posten der SK für Werbekampagnen vergleichsweise bescheiden war. «Für die Werbeagenturen war die SK kein lohnender Auftraggeber, sondern eine Image-Plattform. Wenn man für Emmentaler oder Gruyère Werbung machte, galt das etwas in der Werbeszene», sagt Bernd Ritterbusch, Designer und Fachlehrer in Bern, der jahrelang Werbekampagnen für Schweizer Käse mitgestaltete. Kam die Werbung für die meisten Käsesorten zuweilen ein wenig bieder daher, verlieh man dem Gruyère einen künstlerischen Touch. Und Appenzeller war schon immer ein Geheimnis des Trachten-Völklis. Eine besonders ambitionierte, ja moderne Form der Marketing-Kommunikation läutete die Käseunion noch Anfang der 90er-Jahre mit dem Hauptsponsoring der Ski-Nationalmannschaft ein.
1999 ging die Schweizerische Käseunion dann mit politischem Getöse unter. Die Käsewirtschaft ist seither in krisenhafter Suche nach sich selbst. Mangelndes Selbstbewusstsein verriet vor drei Jahren eine Besserwisserei in Steinbrück-Manier: «Die Deutschen sind ein stolzes Volk. Am Käse kann es nicht liegen» und «Tut uns leid, liebe Deutsche, aber der Tilsiter kommt nun mal aus der Schweiz». Swissness gilt zwar immer noch als Attribut für herausragende Qualität. Doch die Anforderungen, sich mit erkennbarem Mehrwert von der Riesenanzahl ebenso guter Angebote im europäischen Käsemarkt abzusetzen, sind grösser denn je.