Die Materialwahl machts aus
Internationale Gesetze trugen in den letzten Jahren zu verbesserter Reinigbarkeit der Anlage für die Getränketechnologie bei. Nicht nur die Mindesthaltbarkeitsdauer konnte dadurch gesteigert werden.
Seit nicht allzu langer Zeit hat sich die Mindesthaltbarkeit der Vollmilch, sehr zur Freude aller Beteiligten, erheblich verlängert. Statt 4 bis 5 Tage ist die normale Vollmilch weitaus länger haltbar. Die wesentlich verbesserten Anlagen im Hinblick auf Reinigbarkeit und das dafür notwendige Hygenic Design (HD) tragen mit Sicherheit auch dazu bei, dass diese Milch im verpackten Zustand eine geringere Keimzahl aufweist und damit länger haltbar ist. Die europäische Gesetzgebung trug zu diesem Prozess bei,
aber auch Organisationen, beispielsweise die EHEDG (European Hygienic Engineering & Design Group).
Mängelhaftung für Maschinen
Grundsätzlich gilt für alle Produkte, die auf den Markt kommen, dass sie die zugesagten Eigenschaften haben und im Rahmen der bestimmungsgemässen Verwendung gemäss den Aussagen zu diesem Produkt auch diese erfüllen müssen (Mängelhaftung im Rahmen des Produkthaftungsrechtes). Für Maschinen und Anlagen, die unter die EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL) fallen, gilt dies im Besonderen. Die Maschinenrichtlinie spezifiziert dies extra im Anhang 1, Kapitel 2.1 für «Nahrungsmittelmaschinen und Maschinen für kosmetische und pharmazeutische Erzeugnisse».
Maschinen, die in diesen Anwendungsbereich geliefert werden, müssen diesen Anforderungen entsprechen, sonst können sie nicht mit einem CE-Zeichen versehen werden und dürfen so auch nicht in den Verkehr gebracht werden. Das heisst, alle Maschinen und Anlagen, beispielsweise Abfüllanlagen, Pumpen zur Förderung von Nahrungsmitteln oder auch Ventile mit eigenem Antrieb in diesem Bereich, müssen so gestaltet werden, dass bei der Anwendung dieser Maschinen das Infektions-, Krankheits- oder Ansteckungsrisiko ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Forderungen der MRL betrifft dieses Risiko nicht nur alleine den Betreiber, sondern auch den Verbrauch der auf diesen Maschinen produzierten Produkte. Damit können Konstruktionsmängel weitaus grössere Auswirkungen auf den Markt haben.
Die Ziele sind klar, allerdings nicht sehr präzise und deshalb auch nicht direkt umzusetzen. Oft müssen Kompromisse eingegangen werden, die dann einen höheren Reinigungsaufwand nach sich ziehen.
Schwierigkeit bei komplexen Bauteilen
So ist die Forderung, dass Oberflächen und Spalten, in denen sich organische Stoffe festsetzen können, nicht zulässig sind, bei komplexen Bauteilen kaum zu realisieren. Bei sich bewegenden Teilen lassen sich Spalten kaum vermeiden, auch wenn sich diese bis zu einem bestimmten Grad abdichten lassen. Deshalb fordert die MRL für diese Maschinen mindestens dann aber eine einfache Reinigung. Auf jeden Fall lassen sich die Forderungen nur erfüllen, wenn die Prinzipien des Hygienic
Designs verstanden und umgesetzt wurden.
Maschinenreinigung muss beschrieben sein
Jede Maschine im Nahrungsmittelbereich muss in gewissen Abständen gereinigt werden, damit Produktreste und Ablagerungen im Inneren der Maschine oder aussen an der Maschine nicht verderben oder zu Nährböden für unerwünschte Mikroorganismen werden und damit sowohl dem Produkt als auch
dem Betreiber schaden könnten. Dieser Reinigungsprozess ist sehr stark vom zu fertigenden Produkt und von der Maschine abhängig.
Die Reinigungsmittel und das Verfahren zur Reinigung müssen durch den Maschinenbauer in der Betriebsanleitung zu der Maschine beschrieben sein. Im Prinzip lässt sich alles ausreichend reinigen. Die Frage ist nur, welcher Aufwand dafür notwendig ist und ob dann die Reinigung noch wirtschaftlich durchführbar ist. Während im Haushalt beim Spülen eine Bürste für alles benutzt werden kann und der Zeitaufwand nicht eine solche grosse Rolle spielt, ist dies bei komplexen Maschinen um einiges komplizierter, da eine Demontage entsprechender Komponenten viel Zeit und damit Geld kostet und bei Rohrleitungen und entsprechend eingebauten Komponenten nur noch begrenzt möglich ist. HD bedeutet damit, durch intelligentere Gestaltung der Anlage und eine entsprechende Materialauswahl die notwendige Reinigungszeit und den Aufwand an Reinigungsmitteln, Wasser und Energie auf ein Minimum zu reduzieren. Das wäre bei vergleichbaren Anlagen messbar und hilft nicht nur die Betriebskosten für solche Anlagen zu reduzieren, sondern auch, wie im Eingangsbeispiel erwähnt, die Haltbarkeit von Milch zu erhöhen.
Den Feind kennen
Um solche Erfolge zu erzielen, ist es gut, den Feind genau zu kennen. Mikroorganismen haben oft ein Bestreben, sich in die kleinsten Ritzen zu verkriechen, und können durch unkontrollierbare Vermehrung erhebliche Auswirkungen auf die Produktqualität haben. Es gilt, diese Keimnester zu vermeiden und eine entsprechende Reinigbarkeit zu gewährleisten. Negative Auswirkungen des gewählten Werkstoffes auf das Produkt sind ohnehin weder gewollt noch zulässig. Sowohl die DIN-Norm 10528 (bestellbar über www.beuth.de) als auch der Technical Report CEN/TR 15623 (zurzeit nur in Englisch) können beim Auswahlverfahren des geeigneteten Werkstoffes hilfreich sein.
Das EHEDG publiziert Guidelines, die sich mit Ventilen, Pumpen und anderen Komponenten im Prozess beschäftigen, sowie konkrete Konstruktionsvorschläge und Hinweise für den Betreiber solcher Anlagen.
Gesunder Menschenverstand ist notwendig
Schweissnähte, die von aussen gut aussehen, können, wenn sie nicht ordentlich gemacht wurden, innen Spalten aufweisen, die es Keimen ermöglichen, hier einen Brückenkopf zu bilden. Ventile, die eine Reinigung in eingebautem Zustand kaum zulassen, oder Pumpen, die keine Restentleerbarkeit gewährleisten, weil sie vielleicht konstruktiv nicht dafür vorgesehen sind oder falsch eingebaut wurden, sind nur einige Beispiele für diese Problematik.
Aber alles Papier der Welt könnte nicht helfen, diese Fehler zu vermeiden, wenn der Menschenverstand nicht eingesetzt und auch auf diese vielen kleinen Dinge geachtet wird. In diesem Sinne können alle Richtlinien und Normen nur einen Anstoss geben und eine Anleitung sein, diese Dinge richtig anzugehen und zu verstehen, worum es geht. Viele kleine Dinge richtig gelöst, ergeben, dass die Milch länger haltbar ist.
*Hans-Werner Bellin ist technischer Referent für Maschinensicherheit, Normung und Hygiene im Bereich der Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen des VDMA