Kaum Wettbewerb bei der Büchse
Die Tendenz der Preise für Weissblechdosen ist steigend. Ob wegen des teuren Rohstoffes oder der geringen Zahl von Weissblechanbietern, ist umstritten.
Viele Rohstoffpreise sind durch die Wirtschaftskrise massiv unter Druck geraten. Eine Ausnahme gibt es aber: Der Konserven- und Aerosoldosen-Rohstoff Weissblech soll nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung «The Wall Street Journal» in diesem Jahr in Europa um 25 bis 35% und in den USA um 15 bis 20% teurer werden. Gemäss Christian Knoll, Geschäftsführer des Konservendosenherstellers Louis Sauter AG, Ermatingen, betrug die gesamte Preiserhöhung seit letztem Herbst sogar 40%. «Damals hiess es von Seiten der Weissblechlieferanten, dass der Rohstoff nicht mehr lieferbar wäre, obwohl Verträge bestanden», sagt der Firmenchef. So musste sich das seit 134 Jahren am Markt bestehende Unternehmen nach neuen Lieferanten umsehen.
Künstliche Preishausse?
«Doch in Europa gibt es gerade mal vier davon und diese hatten die Preise erhöht», erklärt Knoll. Auch weltweit sind nur noch wenige Weissblechanbieter tätig und der Wettbewerb spielt nicht. Dort würden Preise fast nach Gutdünken gesetzt, zitiert das Finanzblatt einen Branchenkenner. Dem Vorwurf, das Monopol auszunützen, widerspricht die deutsche Rasselstein GmbH, die grösste Weissblechproduzentin, die an einem einzigen Standort produziert. Die Kosten von Erz und Koks seien gestiegen, aber auch die weltweite Nachfrage, lässt ein Sprecher des Konzerns, der jährlich 1,5 Millionen Tonnen Weissblech produziert, gegenüber «Alimenta» verlauten.
In Ermatingen befand sich somit Christian Knoll mit seiner Firma im Clinch, denn die einjährigen Verträge mit seinen Lieferanten, die zur Hälfte aus der Lebensmittelindustrie stammen, mussten eingehalten werden.
Obwohl die Basis beim Weissblech Stahl ist und dieser schon seit längerem wiederum auf tieferem Niveau gehandelt wird, sind die Preise des Weissblechs immer noch sehr hoch. Für Knoll ist dies die Folge der spezifischeren Veredelung, wie beispielsweise der Verzinnung. «Wir konnten bis jetzt die starke Preiserhöhung nicht weitergeben und mussten diese selber tragen», sagt Knoll.
Höhere Preise für Milchpulver
Der mengenmässige Anteil der Produktion, den die Hochdorf-Gruppe in Konservendosen abfüllt, liegt «nur» zwischen 5 und 6 Prozent. Der wertmässige Anteil liegt gemäss Christoph Hug aber höher. Dennoch musste der Milchverarbeiter den Preis für die Babynahrung und das Milchpulver anpassen, weil eine rund zehnprozentige Dosenpreiserhöhung akzeptiert werden musste. Christian Knoll von Louis Sauter AG bestätigt, dass die Firma, die 40% der Dosenproduktion exportiert, nun mit Kunden Verträge abschliesst, in denen die gestiegenen Preise berücksichtigt werden.
Ein Problem stellen für Stefan Munz, Leiter Verpackungsentwicklung der Bischofszell Nahrungsmittel AG (Bina), die Preisvorstellungen der Dosenlieferanten dar, die die förmlich explodierten Rohstoffpreise auch weitergeben wollen. Denn gemäss Munz ist der Konsument nicht bereit, im Zeichen der sinkenden Lebensmittelpreise mehr für Konservendosen zu bezahlen. Ein anderer Lebensmittelhersteller sagt, dass die Dosenhersteller anfänglich sogar eine Preiserhöhung von 25% durchsetzen wollten, letztlich sei die Preiserhöhung jedoch um 10% ausgefallen. Dies lasse doch darauf schliessen, dass auch im Monopol mit den nur noch vier europäischen Weissblechlieferanten Verhandlungsspielraum bestehe.
Beim grössten Conveniencefood-Hersteller der Schweiz, der Hilcona AG, machen die Produkte in Konservendosen einen Viertel der Gesamtproduktion aus. Laut deren Leiter Marketingservice, Jürgen Hoellger, können die gestiegenen Preise für die Dosen nur zu einem Bruchteil an den Handel weitergegeben werden.
250 Millionen Konservendosen importiert
«Normalerweise beträgt der Preis der Dose weniger als 10% des Inhaltes», sagt demgegenüber Ruedi Müller, Geschäftsführer der Ferro Recycling AG in Baden. Es ist nicht eine Frage des Preises der Dose, sondern des Inhaltes, denn die einheimische Landwirtschaft ist gemäss Müller zu teuer. So werden mehr als die Hälfte der 250 Millionen jährlich in der Schweiz verbrauchten Lebensmitteldosen fertig abgefüllt importiert.
Gute alte Konservendose
Christoph Hug von Hochdorf unterstrich trotz dem Preisaufschlag die Vorteile der Weissblechdose, die im Unternehmen seit über vierzig Jahren eingesetzt wird. Diese könne mit modifizierter Atmosphäre begast werden, die Dose sei stabil, was logistische Vorteile biete, und nicht zuletzt komme die gerade in Afrika oder Asien sehr geschätzte Zweitverwendung hinzu. So lebt eine wiederverschliessbare Hochdorf-Dose, die an die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (Deza) geliefert wurde, in zahlreichen einfachen Haushalten Afrikas vielfach noch Jahre und erfüllt verschiedene Zwecke, wie etwa fürs Wasserholen oder als Maniokbehälter.
Dass nun jemand durch den Preisaufschlag von Büchsen auf Faltschachteln gewechselt hätte, ist Hug nicht bekannt. Stefan Munz von Bina sagt, dass die Konservendose als Verpackung eines der besseren Produkte sei, allerdings mute die Blechdose nicht dermassen modern an wie gewisse andere Verpackungen. Obwohl die Dose seit ungefähr 10 bis 15 Jahren immer mehr durch den stark wachsenden Frisch- und Tiefkühlproduktebereich verdrängt wird, gibt es Produktefamilien, die der Konsument in der Dose erwartet.
Klassiker aus der Dose verbannt
Auch Bina ist gemäss dem Verpackungsexperten Munz ständig am Prüfen, ob Produkte anders verpackt werden können. So beispielsweise beim Klassiker «Rösti in der Dose», wo vor ein paar Jahren angefangen wurde, die währschafte Speise in Dreirandsiegelbeutel mit Aluverbundmaterial zu verpacken.
Ob die Dose in der seit Jahrzehnten praktisch unveränderten Aufmachung überhaupt heutigen Convenience-Anforderungen gerecht wird, darüber kann man sich streiten. So bedauert auch Juergen Hoellger von Hilcona, dass sich innovative Gebinde bzw. Dosen mit integriertem Öffner noch nicht am Markt durchgesetzt haben. Doch beispielsweise Milchpulverdosen lassen sich mit dem Plastikdeckel bequem wieder verschliessen. Verpackungsinnovationen mit Weissblech sind für die Hoffmann Neopac AG, Thun, ein Muss. 20% des Jahresumsatzes will die Firma künftig mit Innovationen erzielen.
Material sparen
Wenn das Rohmaterial teuer ist, wird normalerweise versucht, leichtere Verpackungen herzustellen. So zum Beispiel bei der Lebensmittelfirma H.J. Heinz Co., die unter anderem Suppen und Baked Beans in Weissblechdosen anbietet. In Grossbritannien reagierte die Firma auf Kostensteigerungen zunächst damit, dass dünnere Dosen eingesetzt wurden. Die Dosen sind 10% leichter. Heinz spart dadurch 1400 Tonnen Weissblech oder 600?000 US-Dollar pro Jahr. Ausserdem prüft auch diese Firma, ob sie bei verschiedenen Produkten nicht auf feste Kunststoffverpackungen und Beutel umstellen soll.
Doch einfach nur Material einsparen ist laut Weissblechverarbeiter Christian Knoll nicht die optimale Lösung. Denn die Hochleistungmaschinen zur Blechverarbeitung arbeiten mit einer sehr hohen Geschwindigkeit: So flattert das dünnere Material und wird instabil. Eine andere Möglichkeit zur Kostensenkung sieht Marc Pfister von Stebler & Co AG in Nunningen, darin das Rohmaterial in Südostasien einzukaufen.
Was kommt heute noch in die Büchse?
Urs Reinhard, stellvertretender Geschäftsführer der Swiss Convenience Food Association (SCFA), sagt, dass die Verkäufe von Konserven in den Gebinden Dosen, Gläser und Beutel seit dem Jahr 2002 jährlich um durchschnittlich 2% anstiegen, das Konservenblech als Verpackungsmaterial aber tendenziell rückläufig sei. Georg Bregy vom Schweizerischen Obstverband sagt, dass einheimische Früchte nur marginal in die Dose kämen, am häufigsten Kirschen oder Apfelmus. Traditionelle Dosenprodukte sind auch Erbsen, Rüebli oder Bohnen.
Auch Réservesuisse lagerte früher Speiseöl in Weissblechkanistern. Raps-, Sonnenblumen- und Erdnussöl lagern heute dagegen in 1000-Liter-Kunststofftanks. Auch Christian Florin von der Florin AG in Muttenz hat schon vor zehn Jahren auf 20-Liter-Karton-Bag-in-Box umgestellt. Bei Nestlé in Konolfingen werden spezielle Kindernährmittel in Konservendosen abgefüllt, jedoch auch in Bag-in-Box produziert. Der Incarom-Kaffee wird im Werk Basel für die Weissblechdose produziert und die traditionelle Stalden-Crème wird seit über 100 Jahren in die traditionelle Weissblechdose abgefüllt.
Preisralley bei Weissblech ?und Schrott
Der Preis pro Tonne Weissblech bewegt sich laut Branchenkennern momentan zwischen 900 und 2000 Franken. Noch im Frühling wurde angekündigt, dass der hohe Preis weiter steige. Laut dem Weissblechverarbeiter Hoffmann Neopac AG, Thun, geht derzeit der Rohstoffpreis wieder zurück, mittlerweile sei er um 10 bis 15% gefallen. Der Preis hängt sehr stark von der Qualität ab. Vom Weissblechpreis abhängig ist auch der Schrottpreis für Blech. Dieser hat gemäss Ruedi Müller von Ferro Recycling im Juni 2008 mit 669 Franken pro Tonne den höchsten Wert aller Zeiten realisiert. Nur fünf Monate später betrug er noch 167 Franken und heute liegt er bei 209 Franken. Der vorgezogene Recyclingbeitrag pro Dose wurde kürzlich von einem auf 0,85 Rappen gesenkt.