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Das Vitamin des Jahres 2009 heisst D

Lebensmittel mit Zusatzfunktionen, die den Gesundheitszustand der Menschen erhalten oder verbessern sollen, sind «hipe». Widersprüchliche oder breitgefächerte Angaben erschweren Industrie und Konsumenten die Wahl.

von Alimenta Import

Vitamin D, Kalzium und Osteoporose sind Begriffe, die seit längerem miteinander in Verbindung gebracht werden. Es wurden viele Studien über die Prävention von Osteoporose beziehungsweise durch Osteoporose ausgelöste Knochenbrüche gemacht. So haben Heike Bischoff-Ferrari et al. in einer dieses Jahr veröffentlichten Studie* aufgezeigt, dass die Knochenbruchprävention bei Menschen über 65 Jahren direkt von der Höhe
an eingenommenem Vitamin D abhängt, während eine Einnahme von Kalzium keinen solchen Bezug aufzeigt.
Nach Aussagen des Linus-Pauling-Institutes spielt Vitamin D eine entscheidende Rolle bei der Kalziumeinlagerung in die Knochen. Es fördert die Immunität und hat eine positive Wirkung auf Zellteilung und -differenzierung. Das bedeutet, dass es eine verhindernde Wirkung auf Zellmutationen wie beim Krebs haben kann.

Vitamin-D-Status der Bevölkerung

In der Schweiz wurden bisher hauptsächlich Studien über den Vitamin-D-Status der älte­ren Bevölkerung gemacht. Das soll sich ändern. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird frühestens Ende dieses Jahres eine erste Übersicht über den Vitamin-D-Status der gesamten Schweizer Bevölkerung veröffentlichen. Dann wird sich zeigen, wieweit die Kampagne der Pädiater, Säuglinge zusätzlich mit Vitamin D zu versorgen, Wirkung hat und hauptsächlich, wie gut Jugendliche und Menschen unter 50 mit Vitamin D versorgt sind.

Antidepressivum und Gewichtsverlust

In den letzten 12 Monaten wurden weitere Studien über die weitgreifende Wirkung von Vitamin D veröffentlicht. Es soll nach Hoogen­dijk et al.** antidepressiv wirken, wobei eine Studie von Lansdowne et al., 1998, bereits das winterliche Stimmungsdown direkt mit dem Vitamin-D-Status im Blut in Verbindung gebracht hat.
Eine vom nationalen Gesundheitsinstitut in den USA unterstützte Studie zeigt einen ­direkten Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Gehalt im Blut und einer erfolgreichen Diät. Je höher der Vitamin-D-Gehalt in Blut, desto grösser der Verlust an Oberkörperfett bei erwachsenen Personen****.
In seinem Artikel verlangt William B. Grant*** weitere und vertiefte Forschung über den Einfluss von Vitamin D auf die Entwicklung von Alzheimer. Er beruft sich dabei auf früher erschienene Studien, in denen aufgezeigt wird, dass Vitamin D entscheidend ist für die Entwicklung und die Funktion des Gehirns. Weiter beruft er sich auf die ebenfalls in früheren Studien nachgewiesenen Effekte auf Osteoporose, Depression, Zahnprobleme sowie auf Herz-Kreislauf-Krankheiten, die alle als entscheidende Parameter bei der Entwicklung von Alzheimer angesehen werden.

Wirkung auch bei Schweinegrippe
Vitamin D wird in vielen Artikeln als die Subs­tanz gepriesen, die das Gleichgewicht zwischen gesund und ungesund ausmacht. So kann man im Internet lesen, dass Vitamin D gegen die Schweinegrippe helfen soll. Weiter rufen gewisse Kreise gegen das Auftragen von Sonnenschutzcreme auf, da diese die natürliche Bildung von Vitamin D unterbinden soll. Diesen Sommer wiederum hat die dermatologische Akademie der USA ein neues Positionspapier veröffentlicht, in dem sie auf eine weitverbreitete Unterversorgung der Bevölkerung mit Vitamin D hinweist und aussagt, dass nur eine gesunde Ernährung mit Produkten, die von Natur aus Vitamin D enthalten oder aber mit Vitamin D angereichert sind, zu einer ausreichenden Versorgung mit dieser wichtigen Substanz führen.
Allein die Informationen über Vitamin D in den letzten sechs Monaten im Internet zeigen, wie schwierig es für Nichtfachleute ist, sich zu orientieren. Da gesunde Ernährung für viele immer wichtiger wird, kann aus den obenstehenden Angaben eigentlich nur eine Schlussfolgerung gezogen werden: Man muss seine tägliche Nahrung mit Vitamin D anreichern.Das BAG sagt klar, dass «die obligatorische Anreicherung bestimmter Lebensmittel nicht geplant ist». Eine Aussage, die der Lebensmittelindustrie mehr Verantwortung überträgt, «die das Recht hat, gewisse Lebensmittel mit bis zu 5 µg Vitamin D anzureichern», sagt Pressesprecherin Sabine Helfer vom BAG.

Grosse Spannweite der empfohlenen Menge
Die wichtigste Funktion von Vitamin D im menschlichen Körper ist die Erhaltung einer Blutserumkonzentration von Kalzium und Phosphor. Wird zuviel Vitamin D eingenommen, kann dies die Leber schädigen und haupt­sächlich negative Auswirkungen auf den Kalziumhaushalt der Knochen haben. In der EU, der Schweiz und den USA wird eine tägliche Dosis von 200 internationalen Einheiten Vitamin D empfohlen, das entspricht 5 µg. Die europäische Kommission hat im Juli 2007 in Zusammenarbeit mit der EFSA, der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, eine Studie über die empfohlene Tagesmenge (RDA) und über die tolerierbare Höchstaufnahmemenge (UL) von Mineralstoffen und Vita­mi­nen veröffentlicht. Darin wird die Gefahr, dass Vitamin D in einer zu hohen Dosis eingenommen wird, als tief erachtet. Als UL wird die 10-fache RDA, nämlich 50 µg, angegeben.
Die Schlussfolgerung aus diesen vielen Informationen ist nicht einfach: Die regel­mässige Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D wird zurzeit nicht empfohlen, auch wenn angenommen wird, dass der Vitamin-D-Status der europäischen Bevölkerung un­genügend ist. Sicher ist, dass Vitamin D eine wichtige Rolle im Kalziumstoffwechsel spielt und damit einen entscheidenden Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel des Menschen hat. Unsicher ist, wie sich Konsument und Lebensmittelindustrie gegenüber diesen Tatsachen verhalten sollen, insbesondere weil das ganz Entscheidende, der wirkliche Status der Be­völkerung, nicht bekannt ist.

*Prevention of Nonvertebral Fractures With Oral Vita­min D and Dose Dependency, Arch intern med. 2009
**Depression is associated with decreased 25-hydroxy­vitamin D and increased parathyroid hormone levels in older adults, Arch Gen Psychiatry, 2008
***Does Vitamin D reduce the risk of Dementia?, Journal of Alzheimers Disease, 2009
****Sibley, S.D.; Vitamin D and weight loss, Presented at: The Endocrine Society’s 91st Annual Meeting; June 10-13, 2009; Washington D.C.
*****Orientation paper on the setting of maximum and minimum amounts for vitamins and minerals in foodstuffs. Document prepared by ­Directorate-General Health and Consumer Protection, July 2007