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«Wir backen nicht am Laufmeter»

Doris Gioffredi arbeitet seit 36 Jahren am Bodensee in der Gottlieber Spe­zialitäten AG. Sie bäckt und füllt dort am laufenden Band die weltberühmten Hüppen. Doch nicht am Laufmeter, sondern alle in «Einzelanfertigung».

von Alimenta Import

«Man merkt es im Biss, unsere Hüppen sind viel knuspriger als andere.» Diese Feststellung von Doris Gioffredi kommt aus voller Überzeugung. Als Produktionsleiterin der Gottlieber Spezialitäten AG kennt sie den grossen Aufwand, um die
feinen Waffeln einzeln zu backen, zu rollen, zu schneiden und im ausgekühltem Zustand zu füllen. Anschliessend wird jede einzelne Hüppe in Folie verpackt.
Doch diese Produktionsweise, aufwendig wie bei einer wertvollen Havanna-Zigarre, ­bedeutet, dass mehr Produktionsschritte und auch entsprechend mehr Handarbeit erforderlich sind. Diese hat sich zwar in den letzten 36 Jahren, in welchen die Mitarbeiterin im ­Betrieb arbeitet, auch ge­ändert. Anfänglich wurden von ihr die Hüppen einzeln auf der Tret-Abfüllmaschine aus Holz gefüllt. Die Füllung wurde mit der kleinen Schlagmaschine – «Bärli» genannt – cremig aufgeschlagen. Auch heute noch wird diese bei speziellen Anlässen vorgeführt und bestaunt. «Es ist faszinierend, wie wir in unserem Betrieb mit den einfachsten Mitteln gearbeitet haben, aber die Automatisierung gleichwohl nicht verschlafen haben», so äussert sich Doris Gioffredi zur Entwicklungsgeschichte der Produktion.

Produzieren für die beste Zeit
Emsiges, fast schon hektisches Treiben herrscht in den mit dem Duft nach «frisch Gebackenem» durchfluteten Backstuben der Hüppen-Fabrikation. «Seit Anfang August läuft die Pro­duktion wieder auf Hochtouren», sagt ­Doris Gioffredi. Denn Weihnachten steht vor der Tür und damit die Hochsaison für den seit 1928 produzierenden Betrieb. Da hat die gut fünfzigjährige Produktionsleiterin alle Hände voll zu tun, es gibt viel zu kontrollieren und zu ­informieren. So überprüft sie die Lagerbe­stände und die Produktionen des Vortages, kommuniziert mit den Gruppenlei­terinnen über die Produktionsplanung des ­Tages und der Woche. Klappt die Kommmunikation mit der 20- bis 30-köpfigen Belegschaft, die aus vielen verschiedenen Ländern stammen?

Treue Mitarbeiter zahlen sich aus

Und es klappt. Nicht zuletzt dank der Mit­arbeitertreue zum Unternehmen. Denn die meis­ten Mitarbeiter sind seit zehn Jahren und mehr im Betrieb. Auch die Produktionslei­terin selbst ist stolze 36 Jahre im Traditions­betrieb am Bodensee tätig. «Ich habe schon den Vater des ehemaligen Inhabers gekannt.» Doris Gioffredi stellte sich damals knapp 17-jährig und schwanger bei Walter Brauchli vor. Doris Gioffredi lacht, als sie sagt, wie sich später der Chef, von Zweifeln geplagt, fragte, ob er mit der Anstellung einer «Schwangeren» wohl das Richtige gemacht habe.

Von der Produktion bis in die Leitung

Doch Gioffredi wurde Vorarbeiterin, Produktionsleiterin und ist in diesem Jahr auch Mitglied der Geschäftsleitung geworden, wo sie ihr langjähriges Know-how einbringen kann. Als der langjährige Inhaber und Geschäftsführer dann die Firma nicht mehr weiterführen wollte, waren Gioffredi wie die Mitarbeiter froh, dass die Firma, in der Nachfolgeregelung nicht an einen Konzern verkauft worden ist. Der Thurgauer Dieter Bachmann ­übernahm ge­meinsam mit einem Partner die Firma.
Doch zuhause ist die Produktionsleiterin in den Backstuben, wo jeden Tag vielfältige Herausforderungen auf sie warten. Sie kontrolliert und optimiert täglich die Maschinen, die vielfach Einzelanfertigungen sind, denn ab Stange können die Maschinen für die Hüppen­produktion nicht gekauft werden. Als Beispiel seien die Hüppenbackmaschinen genannt, die ursprünglich für die Cornetproduktion konzi­piert waren und später für die Hüppenproduk­tion umgebaut wurden. Auf zwei Maschinen werden die gefüllten Hüppen gebacken, die dritte jedoch steht im Dienste der ungefüllten Hüppen, die vorwiegend während der Glacesaison produziert werden.

Seit einiger Zeit auch Füllungen
«Unsere Füllungen sind geschmackvoll, delikat und zart schmelzend», sagt Gioffredi.
Diese stellt die Firma seit ein paar Jahren in gleich bleibend hervorragender Qualität selber her. Vorher wurden diese als Halbfabrikat eingekauft. Dadurch, dass nun die gesamte Herstellung im eigenen Haus stattfindet, könne auf die Kundenwünsche flexibler eingegangen und schneller reagiert werden, ist Doris
Gioffredi überzeugt.