«Schnelle» Shops machen Tempo
Convenience-Läden wollen dank des Nachfragebooms stark expandieren. Die drei grössten Schweizer Anbieter dehnen sich in hohem Tempo im In- und neuerdings auch im Ausland aus.
Der Marktleader Coop erhöhte mit seinen Pronto-Shops den Umsatz in zwei Jahren um 43 Prozent auf 620 Mio. Franken. Andere Anbieter wollen in diesem lukrativen Markt ebenfalls wachsen. Denn mittlerweile werden laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Fuhrer & Hotz AG 4,5 Mrd. Franken Umsatz in Convenience-Shops erwirtschaftet. Einer von zehn Franken, den der Lebensmittelhandel umsetzt, stammt aus einem Convenience-Shop. Die Zahl der Standorte wird in rasantem Tempo erhöht. Coop Pronto betreibt derzeit 208 Läden, Migrolino will bis Ende des Jahres 124 eröffnet haben. Und Valora beabsichtigt, die Zahl der Avec-Standorte von heute 2 bis Ende 2009 auf 100 zu erhöhen, wie Geschäftsführer Jörg Brun erklärt.
Schweizer Sortiment für deutschen Markt
Migrolino, die, wie Geschäftsführer Markus Laenzlinger betont, klein, wendig und innovativ sein will, wagt den Sprung über die Grenze. Im Raum Stuttgart werden seit einigen Tagen an vier Shell-Tankstellen Migrolino-Shops getestet. Markus Laenzlinger kann noch nicht viel zum Geschäftsgang sagen. Shell Deutschland werde nach der Pilotphase prüfen, ob eine Expansion dieses Convenience-Formats auch im süddeutschen Raum analog des Schweizer Modells in Angriff genommen werden kann. Auch Valora wagt den Sprung über die Grenze und will am 29. Juni einen Laden im deutschen Gelsenkirchen eröffnen. Jörg Brun sagt, dass er das gleiche Format trägt wie diejenigen in der Schweiz, jedoch mit einem deutschen Sortiment. Laut Brun ermöglicht dies «Avec», im deutschen Preisniveau konkurrenzfähig zu sein. Demgegenüber will Migrolino mit Ausnahme regionaler Ergänzungen das Sortiment nach Schweizer Konzeption zusammensetzen. Keine Ambitionen auf Expansionen ins Ausland hat hingegen Coop mit Coop Pronto. Der Energiekonzern Conoco-Philips besitzt einen 49-prozentigen Anteil am Unternehmen (51% sind in Coop-Händen). Zur amerikanischen Conoco-Philips gehören die Jet-Tankstellen, die in Deutschland und Österreich ein Convenience-Angebot führen. Somit ist gemäss Mediensprecher Jörg R. Kretzer das Tätigkeitsfeld für Coop Pronto auf die Schweiz beschränkt.
Hat Convenience in der Krise eine Chance?
45% der Schweizer haben ihr Kaufverhalten in den letzten Monaten verändert. Als erste Sparmassnahme werden günstigere Lebensmittel gekauft, wie eine Studie von ACNielsen zeigt. Auch wenn die Finanzlage deutlich schlechter eingeschätzt wird als noch vor einem Jahr, sehen gut die Hälfte (55%) der Schweizer Konsumenten noch keinen Grund zum Sparen. Immerhin 45% der Schweizer geben aber an, dass sie ihr Kaufverhalten im Vergleich zum letzten Jahr verändert haben, um die Haushaltskosten zu reduzieren. Dies zeigt eine internationale Online-Befragung von Nielsen. Sie kaufen günstigere Lebensmittel bzw. Eigenmarken, um die Kosten zu reduzieren: 62% der Schweizer setzen auf diese Massnahme. Ende 2008 haben nur 53% geplant, bei Lebensmitteln zu sparen. Immerhin knapp die Hälfte derjenigen, die diese Massnahme wählten, wird das auch weiter tun, selbst wenn sich die wirtschaftliche Lage wieder entspannt.
Schnell und bequem kein Hochpreisgarant
«Während der Anfangsphase des kleinflächigen Detailhandels konnte ein Mehrpreis von bis zu 15% gegenüber dem klassischen Retailgeschäft realisiert werden», sagt Migrolino-Geschäftsfüher Markus Laenzlinger. Heute
sei der Kunde noch bereit, maximal 5 bis 8% höhere Preise zu bezahlen, dies jedoch mit sinkender Tendenz. Dieser sogenannte «bessere Preis» stehe für längere Öffnungszeiten, Überstunden der Mitarbeiter und teurere Mieten aufgrund der hochfrequentierten Lagen. Doch die Krise muss laut Laenzlinger für Convenience-Läden nicht nachteilig sein. Denn diese würden als Nahversorger dem «finanziell schwächeren Zeitgenossen» die Möglichkeit bieten, sich täglich mit den wichtigsten Produkten einzudecken.
Billiglinie und Versprechen
Zwar würden gemäss Laenzlinger die Convenience-Geschäfte auch während der Hochkonjunktur ein zufriedenstellendes Wachstum erreichen, seien aber anfälliger auf das Wohlstandsverhalten der Gesellschaft. Auf Coop-Pronto-Seite ist von Jörg R. Kretzer zu vernehmen, dass Coop Pronto seinen Kunden das Versprechen abgegeben habe, sämtliche Coop-Marken zu Coop-Preisen zu verkaufen. Abweichen könnten höchstens die übrigen Markenartikel. Auch Valora führt seit Mai eine Billiglinie. Diese Preiseinstiegslinie mit dem Namen «ok» wurde lanciert, um die aktuellen Migros-Produkte in den bestehenden Avec-Läden zu ersetzen. Denn das Joint-Venture mit Migros wurde letztes Jahr aufgelöst.
Reduziertes Sortiment – aber frisch «Kleinflächig» muss es sein. Dieses Attribut erachten gemäss einer GfK-Studie die Händ-ler als sehr wichtig. Somit ist ein «straffes» Sortiment Bedingung. Bei Migrolino stammen 85% des Sortiments von Migros-Industrie-Betrieben. Ein Migrolino-Shop führt je nach Modul und Shopgrösse ein Sortiment von ungefähr 3000 Artikeln. Coop Pronto führt ungefähr 2300 Artikel des täglichen Bedarfs und legt laut Kretzer Wert auf ein ausgedehntes Frischeangebot. Valora führt an seinen Avec-Verkaufspunkten ohne Presseerzeugnisse 1900 Artikel, will aber diese Zahl auf 2500 aufstocken. Darin enthalten ist auch das Brotsortiment. Dies ist eine der USP (unique selling proposition = Leistungsversprechen) von Avec. Sämtliche hundert Shops sollen eine eigene Aufbackstation erhalten.