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Begehrte Substrate aus Abfall

Seit der Boom auf erneuerbare Energien da ist, sind auch biogene Abfallprodukte gefragt. Die Lebensmittelindustrie hat seit Jahren Erfahrung mit der Produktion von Biogas aus ihren Abfallprodukten.

von Alimenta Import

«Als Brauer sind wir mit der Thematik ‹Mikrobiologie› vertraut», sagt Otto Linsenmann von der Ramseier
Suisse AG, Hochdorf. Dies erleichtert den Betrieb und die Betreuung einer Biogasanlage. Dennoch sind die Inbetriebnahme und der Betrieb der 2,2 Mio. Franken teuren Anlage, die Biogas aus dem Abwasser der Brauerei ­erzeugt, laut dem Leiter Qualitätssicherung und Labor vorgängig sehr gut geplant und in ­ausführlichen Pilotversuchen unter Praxisbe­dingungen getestet worden. Das entstehende Biogas wird in einem Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umgewandelt. Die Wärme wird zur Vorwärmung des Abwassers und damit zur Effektivitätssteigerung der Anlage ­verwendet, der Strom weitgehend im Betrieb verbraucht. 2003 bekam das Getränkeunternehmen vom Umweltamt die Auflage, seine Abwasserfracht um 90% zu reduzieren, da durch die Einführung höherer Reinigungsziele bei der örtlichen ARA deren Kapazität herabgesetzt wurde. Bei der Produktion von 1 Liter Bier fallen 2 bis 3 Liter Abwasser an. Jährlich werden 200?000 hl Getränke (Bier und AfG)hergestellt.

Leicht abbaubare Substanzen
Das Substrat, das Abwasser, ist sehr zuckerhaltig und dementsprechend läuft die Biogasanlage gut. So gut, dass es ab und zu sogar in der Biogasanlage des Nachbarbetriebes, der Nutritec AG, zum Einsatz kommt. Jürg Buchli von Nutritec erklärt, dass ein Tanklastwagen manchmal Anaerobschlamm aus der Brauerei hole und in die eigene Anlage pumpe. Die Impfkultur fördert die Methanbakterien, die sonst im fetthaltigen Milchabwasser des ­Betriebes einen schweren Stand haben. Buchli erklärt, dass im kontinuerlichen Betrieb
(24 Std./7 Tage/Woche) ungefähr 200 m3 Biogas täglich erzeugt werden. Jährlich werden so 40?000 Liter Heizöl eingespart. Die Anlage soll demnächst erneuert und leistungsfähiger gemacht werden um so die Biogasproduktion zu steigern. Das Problem der milchhaltigen Abwässer kennt auch Felix Rey, Enviro Chemie AG, Eschenbach. Es habe auch damit zu tun, dass diese im Gegensatz zu Brauereiabwasser eine sehr dünne Konzentration an organischen Stoffen beinhalteten. Abwasser aus Brauereien kommt laut Rey auf 6000 mg/l csb (csb = chemischer Sauerstoffbedarf), dasjenige aus Molkereien nur auf 2000 mg/l oxidierbare Stoffe. Sowieso sind gemäss Daniel Trachsel vom Verband Kompost- und Vergärwerke Schweiz (VKS) Monochargen nicht möglich. Die Mischung macht es aus, dass die Biologie im Fermenter nicht zusammenbricht. Abfälle aus der Lebensmittelindustrie sind häufig energiereich und geben einen beträchtlichen Gasertrag.

ARA kann Ausbaupläne zurückstellen
Viel Energie enthält auch das Reinigungswasser des Bonbonsherstellers Ricola in Laufen. «Seit drei Jahren ist die Anlage in Betrieb, und wir hatten bis jetzt kaum Kinderkrankeiten», sagt Hans Batzer. In der anaeroben Abwasservorreinigungsanlage werden rund 90% der biologischen Fracht abgebaut. Durch den Einsatz des eigenen Biogases spart das Unternehmen bis zu 10% Erdgas ein. Gemäss Daniel Trachsel vom VKS wird bei überlagerten Lebens­mitteln mit 100 bis 200 m3 Rohgas pro Tonne Frischmaterial gerechnet, was 55 bis 120 m3 Methan ergibt. Selbstverständlich CO2-neutral. Ricola macht als umweltbewusster Lebensmittelbetrieb beim Programm des Bundes zur Emissionsreduktion und damit zur Befreiung der CO2- Abgabe mit. «Mit der Abwasserbehandlung im Unternehmen kann die örtliche Kläranlage ihre Ausbaupläne für die nächsten Jahre zurückstellen», sagt Batzer.
DSM Nutritional Products AG nahm ­diesen Sommer in seinem Werk in Lalden VS einen Biomar-Reaktor in Betrieb. Die steigende Nachfrage nach Vitaminen und Riechstoffen in den vergangenen Jahren erhöhte die Produktionsmengen in den Anlagen im eigenen Werk. Projektleiter Romeo Hutter erklärt, dass mit der Mehrproduktion zwangsläufig auch der Abwasseranfall zugenommen habe. Die Abwasserreinigungsanlage Visp kam an die Grenze ihrer Belastbarkeit aufgrund des Wachstums der angeschlossenen Produktions­betriebe und Gemeinden. Mit dem neuen Biomar-Reaktor nahm die Schmutzfracht des Abwassers ab.
 
Vollgas aus Schnaps und Gemüse
Das Emmi-Werk in Dagmersellen spart jährlich 130?000 Liter Heizöl durch die Einspeisung von im Reaktor gewonnenem Biogas ein. Die anaerobe Anlage wurde vor 5 Jahren erstellt.
Bereits vor 15 Jahren erhielt die Distillerie Willisau SA, Diwisa, von der ARA Dagmer­sellen die Auflage, selber eine Abwasserbehandlung einzurichten, weil diejenige der Gemeinde zu klein wurde. Die Produktion von Energiegetränken wie Trojka Energy hat es in sich. Stündlich werden gemäss Josef Kurmann 20 m3 Gas produziert und dem Brenner, der für die Dampferzeugung zuständig ist, zugeführt. Die Gasproduktion aus dem Brenngut sei dermassen hoch, dass zeitweise der Gas­anfall abgefackelt werden müsse. Auch die Abfall-Feststoffe, die bis jetzt von Bauern als Kompost aufs Feld geführt würden, seien nun auch in anderen Vergäranlagen gefragt. Mit organischem Abfall, der bis anhin auf dem Feld «entsorgt» wurde, will künftig der ­Gemüseverarbeiter Steffen-Ris in Utzenstorf Strom produzieren. Im November soll mit dem Bau der Biogasanlage begonnen werden, wo später jährlich aus 8000 Tonnen Kartoffelschalen usw. ungefähr 1 Mio. m3 Gas pro­duziert und so 2 Mio. KWh Strom erzeugt werden sollen. (Fortsetzung auf Seite 17)
Kampf um Substrate
«Die Lebensmittelindustrie ist nicht ein unwesentlicher Lieferant von Rohmaterial für die Produktion von Biogas», sagt Daniel Trachsel. Doch das begehrte Abwasser oder die biogenen Inhaltsstoffe lassen sich nicht einfach vermehren. «Der Anteil der Biomasse bleibt konstant, während die politisch geförderten Anlagen zunehmen», sagt Lorenz Köhli von Ökostrom Schweiz. Trotzdem muss gut überlegt werden, ob in eine Anlage investiert werden soll. «Eine Anlage sollte jährlich mindestens zwischen 12?000 und 20?000 t Gärgut verarbeiten können», sagt Daniel Würgler von Kompogas. Die Kläranlagen, die für grosse Mengen ausgerüstet sind, können keinen geschlossenen Stoffkreislauf vorweisen, denn nach der Vergärung darf der Klärschlamm nicht wieder aufs Feld gebracht werden. Die-ser wird getrocknet und kostenintensiv verbrannt, wodurch der Stoffkreislauf unter­brochen wird.

Der Verbrauch von Biogas steigt nur langsam an und die Kläranlagen produzieren immer noch am meisten.

Subventionswirtschaft

Seit es die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) gibt, die zwischen 18 und 30 Rappen pro KWh liegt, wird laut Daniel Trachsel auch unökologischer Irrsinn vollführt, insbesondere bei Abfällen mit einem hohen Energieinhalt. Denn einige EU-Staaten subventionieren die Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern mit 45 Eurocents massiv mehr als die Eidgenossenschaft. So würden des öftern auch schon mal ganze Anhängerzüge nach Belgien gefahren und deren Ladung dort vergärt. Die hochwertigen Vergärsubstrate wie etwa Frittieröl werden laut Würgler beispielsweise nach Österreich gefahren und dort zu Biodiesel raffiniert und wieder zurückgebracht. Wohl auch wegen der höheren Einspeisevergütung.