Homogenisierung und Gesundheit
Hartnäckig halten sich die Gerüchte, homogenisierte Milch sei an der Entstehung verschiedenster Krankheiten beteiligt. Bis heute existieren nur wenige Humanstudien, die sich mit diesem Problem beschäftigen.
Als Homogenisierung bezeichnet man ein in der Milchwirtschaft angewandtes Verfahren, um die Fettkügelchen der Rohmilch feiner in der wässrigen Phase zu verteilen, mit dem Ziel, ein Aufrahmen während der Lagerung zu verhindern. Dazu wird die Milch nach kurzer Erwärmung durch einen schmalen Spalt beziehungsweise eine Düse gepresst, wobei Temperatur und Stärke des Druckes über die Grösse der Fettkügelchen entscheiden. Dieser Prozess verkleinert den Fettpartikeldurchmesser von 3 bis 6 µm auf einen mittleren Durchmesser von 1 µm.
Durch das Homogenisieren erfolgt eine Oberflächenvergrösserung der Fetttröpfchen mit dem Resultat, dass die Milchfettkügelchenmembran (MFGM) die Oberfläche nicht mehr komplett bedecken kann und andere oberflächenaktive Komponenten der Rohmilch (z.B. Kaseine) die Fetttröpfchen absorbieren. Diese Um- und Anlagerung spielt eine wichtige Rolle für die Verdauung der Milch im menschlichen Körper, da die Struktur dieses Koagulats im Vergleich zu unbehandelter Milch viel feiner ist und somit ein schnellerer Transfer zum Dünndarm gewährleistet werden kann. Dieser Effekt ist günstig für Menschen mit Darmkrankheiten, da homogenisierte Milch leichter verdaubar ist. Doch wie kann man den Einfluss homogenisierter Milch auf die Gesundheit des Menschen beurteilen?
Koronare Herzkrankheiten (KHK)
In Zusammenhang mit KHK ist besonders das Enzym Xanthinoxidase aus der Milch, welches an die MFGM gebunden ist, in den Fokus der Öffentlichkeit getreten. Die aus der Milchhomogenisierung resultierenden, verkleinerten Fettpartikel sollen für dessen vermehrte Absorption in die Darmzelle sorgen und dessen Übertritt ins arterielle Blutsystem verantworten. In den Gefässwandzellen entfaltet die Xanthinoxidase dann ihre Aktivität; dies soll zur Entstehung arteriosklerotischer Veränderungen führen und Folgeerscheinungen, wie zum Beispiel Herzinfarkte, hervorrufen. Einige Wissenschafter haben das Verhalten des Enzyms im Organismus genauer betrachtet und konnten diese Hypothese widerlegen.
Andere Bestandteile, die in Bezug auf KHK eine wichtige Rolle spielen könnten, sind die Proteine der MFGM. Mit Hilfe immunologischer Nachweisverfahren untersuchten Forscher, ob eine Verbindung besteht zwischen KHK und den im Körper zirkulierenden Antikörpern gegen MFGM-Proteine. Zwar konnten sie eine positive Korrelation erkennen zwischen jenen Proteinen und der Sterberate von Patienten, die an KHK litten; ob dies jedoch auch als eine Ursache angesehen werden kann, bleibt zu erforschen. Nicht vergessen werden dürfen die positiven Eigenschaften dieser Membran. So wirken viele darin enthaltene Komponenten antikanzerogen, cholesterinmindernd und präventiv gegenüber Darmerkrankungen.
Diabetes Typ 1 und 2
Bis heute weiss man aufgrund spärlich vorhandener Humanstudien nur wenig über
den Einfluss von Kuhmilch generell und der Homogenisierung im Speziellen auf Diabetes Typ 1 und 2. Für Personen mit geringem Diabetesrisiko scheint die frühe Einnahme von homogenisierter Kuhmilch keinen Einfluss auf die Ausprägung dieser Stoffwechselkrankheit zu haben. Für Personen, die durch Vererbung prädestinierter sind, Diabetes zu entwickeln, stellt Kuhmilch möglicherweise ein gewisses Risiko dar.
Milchzuckerunverträglichkeit
Als laktoseintolerant bezeichnet man Menschen, die nicht in der Lage sind, Milchzucker (Laktose) wegen des fehlenden oder unzureichend gebildeten Enzyms Laktase zu spalten und verdaubar zu machen. In Humanstudien konnte gezeigt werden, dass sich nach der Aufnahme homogenisierter Milch weder eine signifikante Verbesserung noch eine Verschlechterung der Symptomatik einstellte.
Milchallergie
Die Milchallergie ist dadurch gekennzeichnet, dass das Immunsystem eine abnormale, häufig anaphylaktische Reaktion (akute, pathologische Reaktion des Immunsystems auf chemische Reize) gegen Proteine der Milch verursacht. Generell ist es sehr schwierig zu bestimmen, welche allergische Reaktion auf welches Protein und welche Behandlung (Pasteurisieren, Homogenisieren) zurückzuführen ist, da die Proteine auch bei Abwesenheit von Verarbeitungs- und Haltbarkeitsprozessen miteinander reagieren. Das wiederum wirkt sich auch auf die Allergenität aus. Wissenschaftler vermuten jedoch, dass während der Homogenisierung eine Umlagerung allergieauslösender Proteine erfolgt, wodurch diese nicht mehr im Inneren von Kaseinmizellen gespeichert, sondern direkt an der Oberflächenmembran präsentiert werden und somit gut für Antikörper erreichbar sind. Tatsächlich konnte jedoch nicht bewiesen werden, dass homogenisierte Milch eine Überempfindlichkeit in Menschen hervorruft und dass es einen Unterschied gibt zwischen der immunologischen Reaktion gesunder Erwachsener auf homogenisierte und nicht homogenisierte Milch.
Gesundheitlich unbedenklich
Bisherige Studien deuten darauf hin, dass das Homogenisieren kaum einen Einfluss auf das Entstehen verschiedenster Krankheiten bei gesunden Menschen jeden Alters hat. Es sind jedoch Hinweise vorhanden, dass Kuhmilch für diabetes-prädestinierte Menschen ein Risikofaktor sein kann, was jedoch noch weiterer Abklärungen bedarf.
Trotz Forschungsbedarfs ist der Verzehr homogenisierter Milch generell als unbedenklich einzuschätzen.
*Die Autorin arbeitet an der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP.