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Wohin entwickelt sich die Verpackung?

500 Milliarden Euro Umsatz und mehrere 100 Millionen Tonnen schwer. Dies die Zahlen des weltweiten Verpackungsmarktes. 60 Prozent aller ­Verpackungen werden für Lebensmittel eingesetzt.

von Alimenta Import

Auf wissenschaftlicher Basis wissen wir, dass wir nicht in die Zukunft blicken können. Aber wir können uns eine Zukunft vorstellen und uns eine Zukunft zurechtlegen, die plausibel ist, gewissen Erfahrungen Rechnung trägt und eine gewisse Fortschreibung der Vergangenheit ist. Damit können wir durchaus wichtige Schlüsse ziehen, welche Entwicklungen für die Verpackung sinnvoll und zwangsläufig sind. Wir können Faktoren identifizieren, welche den Weg einer Entwicklung geleiten, wir können Störfaktoren  finden, welche Hindernisse darstellen, wir können aber auch Chancen herausarbeiten, um Erfolgspotenziale für die Verpackung herauszuarbeiten.

Verpackung landet in Schmuddelecke
Zunächst wollen wir einmal das Phänomen der Verpackung verstehen. Sind wir doch alle Experten: Wir handhaben Verpackung jeden Tag und werden mit dem Gegenstand der Erörterung quasi kurz nach der Geburt bekannt gemacht. Dabei ist die Ausprägung der Verpackung sehr vielfältig: von der improvisierten Fish&Chips-Tüte über zweckmässig gestaltete Gebrauchslösungen bis hin zur verschwenderischen Luxusverpackung ist alles erlaubt – und möglich. Aber Verpackung tritt in grosser Menge auf, hat einen kurzen Lebensweg und endet schnell irgendwo in der Schmuddelecke des Abfalls. Verpackung war schon immer die Anwendung externer Technologien – oft nicht einmal für die Verpackung erdacht und entwickelt – für bestimmte Zwecke, und in einer breiten Vielfalt. Eine Entwicklung der Verpackung in technologischen Sprüngen ist in den letzten 150 Jahren zu erkennen:
Schon immer wurden Blätter, Keramik, Fasern/Gewebe als Verpackungsmaterial gebraucht. Um 1800 wurden die ersten Weiss­blechdosen, 50 Jahre später Faltschachteln, 1910 Aluminiumfolie, ab 1930 Zellglas hergestellt, und ab 1950 kamen Polyäthylen und ­andere Materialien auf. Auf einer anderen Zeitschiene kann die evolutionäre technologische Entwicklung der Verpackung so beschrieben werden: Seit Jahrtausenden dient Verpackung für Transport und Lagerung, seit 100 Jahren zum Schutz des Füllgutes, seit 50 Jahren zur besseren Handhabung des Füllgutes, und seit 25 Jahren dient Verpackung zur Kommuni­kation mit Verbrauchern. Paral­lel dazu ver­laufen die Lernkurven konti­nuier­licher Ver­bes­serungsprozesse in allen Details der Verpackungstechnik: einer schnelleren Entwicklung, einer schnelleren und kosten­­günstigeren Fertigung, weniger Mate­rial­ein­satz pro Verpackungseinheit und rationelleren Fertigungseinheiten.

Der heutige Stand der Verpackungstechnik
kann folgendermassen charakterisiert werden: Verpackung erreicht eine möglichst hohe Verpackungsleistung pro Einheit. Verpackungsysteme sind flexibel in Bezug auf die Anwendbarkeit und sind sicher im Hinblick auf das Füllgut und den Benützer. Verpacken kann man in kleinen und grossen Losgrössen. Verpackungen werden immer raffinierter in Bezug auf Zusatzausstattungen, richten sich nach Füllgütern und sind Bedarfsgegenstände. Im Marketingsinne ist die Verpackung sogar erhoben zum Status eines «Bestandteils des verpackten Produktes» (was im Übrigen in der Pharmaverpackung mehr oder weniger gesetzlichen Rang bekommen hat). Im Wesentlichen hat Verpackung den Ansprüchen des verpackten Gutes und des Benützers zu entsprechen. Verpackung ist kein Selbstzweck, und in der Marketingsprache sagen wir: «Verpackung ist ein abgeleiteter Markt.»

Wohin entwickeln sich Füllgüter?
Die Verpackung entwickelt sich zunächst einmal dorthin, wo sich die Füllgüter hinbewegen. Haben wir mehr Fertiggerichte im Markt, dann sehen wir mehr gesiegelte Schalen und Spezialitäten wie Ventile zum Druckausgleich in der Mikrowelle. Heisse Sommer lassen die Nachfrage nach Gefässen für kühle Getränke stark ansteigen, kalte Sommer führen in diesem Marktsegment zu Katastrophen. Sind ­Tabletten in Blistern aktuell, dann steigt
der Verbrauch an PVC-Folie. Verpackung ist ein Markt von weltweit 500 Millliarden Euro ­Umsatz, der mehrere 100 Millionen Tonnen an Material bewegt und sich in Bezug auf die ­Anwendung etwa folgendermassen einteilen lässt:
¦    60% Lebensmittel
¦    15% Pharmazeutika und Medizintechnik
¦    15% Kosmetik, Körperpflege und Haushalt
¦    10% übrige Anwendungen

Kein «Hightech-Renner»
Wichtig für die Mengenentwicklung der Verpackung ist die Verknüpfung mit dem im ­Umfeld relevanten Bruttosozialprodukt. So bewegt sich die Entwicklung in gesättigten Märkten wie in Europa mit Raten um das Bruttosozialprodukt, in Schwellenländern deutlich über dem Bruttosozialprodukt und ist in Entwicklungsländern sehr schwach ausgeprägt. Daraus lässt sich ohne Weiteres und korrekt schliessen, dass Verpackung kein «Hightech-Renner» sein kann. Die Verbrauchermärkte werden von der gesellschaftlichen Entwicklung beeinflusst. Das Verpackungswesen ist dadurch entstanden, dass sich eine wachsende Bevölkerung in einer bestimmten Art und Weise organisiert hat. Verpackung wird durch bestimmende Faktoren aus folgenden gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst, so der industriellen Entwicklung (Technologie), der Arbeitsteilung der Gesellschaft und Mobilität, der Rationalisierung der Landwirtschaft und Urbanisierung, Einrichtung von Supermärkten, Infrastrukturen und ­Warenverteilung, der Rationalisierung der ­gewerblichen Beschaffung, der Grösse der ­Lebensgemeinschaften und der Kaufkraft der Konsumenten. Mit welchen Megatrends ist zu rechnen, welche die Entwicklung der Verpackung beeinflussen? Mit dem Wachstum der Menschheit in Richtung gewisser Nachhaltigkeitsgrenzen, der Rationalisierung der industriellen Produktion, der schnelleren Sättigung von Märkten, den geografischen Verschiebun­gen («Globalisierung»), den demografischen Strukturveränderungen.

Die weitere Entwicklung der Verpackung
Technologisch gesehen ist alles möglich. Bei entsprechender Aufgabenstellung (und Bezahlung) kann fast jede beliebige Idee für eine Verpackungslösung realisiert werden. Aber der «Entwicklungstrichter» wird doch durch einige Einschränkungen verengt werden, die grosse Herausforderungen an die Kreise stellen werden, welche die Verpackung weiter entwickeln werden. So der Kostendruck eines ­abgeleiteten Marktes, die Forderungen nach Nachhaltigkeit, die Wertigkeit der Verpackung in der Gesellschaft, die neuen, intelligenten Warenverteilsystemen, die neuen nachhaltigen Werkstoffe, die Integration neuer Technologien, die Ausbildung geeigneter Experten, die Integrität und Sicherheit der Verpackung, die Kommunikation durch Verpackungsdesign und spezielle Einrichtungen. Die Festlegung der Prioritäten ist spezifisch für jedes Marktsegment und zeitlich veränderlich. Virtuelle Verpackung wird es auch in der Zukunft nicht geben, wohl aber virtuelles Verpacken, nämlich zum Zwecke der schnellen Entwicklung von nachhaltigen, marktkonformen Verpackungen.

Eigenschaften werden abgekoppelt

Und wo entwickelt sich die Verpackung denn wirklich hin? Mein Tipp: In der Verpackung der Zukunft wird die Schutzfunktion für das verpackte Produkt deutlich von den Funk­tionen der Information, Kommunikation und Handhabung abgekoppelt und technisch weiter optimiert, während die logis­tischen Funktio­nen an die Wertschöpfungsketten der modernen Warenverteilung angepasst werden.
*Der Autor ist Direktor Forschung und Entwicklung im internationalen Verpackungsinstitut (IPI) Neuhausen.