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Praxisorientiert forschen

Die Gemeinschaftsgastronomie verpflegt täglich rund 15% der Bevölke-rung – ein grosses Potenzial für Prävention und Gesundheitsförderung, denn rund ein Drittel der Gesundheitskosten ist ernährungsbedingt

von Alimenta Import

Zu den Betrieben der Gemeinschaftsgastronomie gehören Personalres­taurants, Mensen, Spital- und Heimküchen, der sogenannte Mittagstisch, Cafeterias und Verpflegungsautomaten. Zur Branche der Gemeinschaftsgastronomie zählen neben diesen Verpflegungsendanbietern auch Produzenten, Lieferanten und Konsumenten. Rund 15% der Schweizer Bevölkerung verzehren täglich Mahl­zeiten in der Gemeinschaftsgastronomie, die mit den Bereichen Business (Personalgastronomie), Care (Spital- und Heimgastronomie) und Edu­cation (Gastronomie im Erziehungsbereich) dauerhaft die meisten Bevölkerungsgruppen erreicht. Das entsprechende Potenzial der Branche für breitenwirksame gesundheitsfördernde Massnahmen ist wichtig in Anbetracht der hohen Kosten des Schweizer Gesundheitswesens (mindestens 55,3 Mrd. Fr.), die zu einem Drittel durch ernährungsbedingte Krankheiten verursacht werden. Mit der steigenden Zahl von Übergewichtigen
und damit einhergehenden Folgekrankheiten (Bluthochdruck, Diabetes) sowie sozialen und finanziellen Folgen, gewinnen die Verhältnisse oder Umgebungsfaktoren, in denen die Bevölkerung lebt, immer mehr an Bedeutung für die öffentliche Gesundheit.

Drei Bereiche der Ernährung
In Bezug auf die Ernährung lassen sich drei Bereiche unterscheiden: Erstens, die für alle Personen uneingeschränkt zugänglichen Verpflegungsangebote des Lebensmittelhandels und der Individualgastronomie; zweitens, die organisierten, nur für definierte Personengruppen zugänglichen Angebote zu Hause und in der Gemeinschaftsgastronomie; und drittens, die vom einzelnen Konsumenten letzt­lich wahrgenommenen Verhältnisse wie etwa das Angebot an gesundheitsfördernden Produk­ten, die Frische der Ware, der Preis, Aktionen oder verfügbare Ernährungsinformationen. Diese drei Bereiche sind in ein ­System von geltenden Regelungen, Informa­tio­nen (Medien, Aufklärung, Ausbildung, Werbung usw.) und individuellen – also demo­grafischen, sozio-ökonomischen und psychosozialen – Faktoren eingebettet. All diese Faktoren können die ­Lebensmittelauswahl und Essgewohnheiten der Konsumierenden und somit das Risiko für ernährungsbedingte Krank­heiten ­beeinflussen. Vor diesem Hintergrund führt die BFH derzeit zwei Forschungsprojekte durch, die beide eine gesundheitsfördernde Gemeinschafts­gastronomie zum Ziel haben.

Schweizer Qualitätsstandards
Mit den Schweizer Qualitätsstandards für eine gesundheitsfördernde Gemeinschaftsgastrono­mie veröffentlicht die BFH gemeinsam mit der Haute école de santé, Genève (HEdS), und der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) ein wichtiges Grundlagendokument, an dem sich die Branche bei der Umsetzung einer gesundheitsfördernden Gemeinschaftsgastronomie orientieren kann. Die mit Praxispartnern entwickelten Standards berücksichtigen unter dem Dach der Gesundheitsförderung die Bereiche Ernährungs-, Beziehungs- und Schnittstellenmanagement. Die Einführung der Standards ist mit einer Online-Befragung gekoppelt, die sich an Produzenten und Lieferanten, Verpflegungsendanbieter und Konsumenten richtet. Vor dem Hintergrund einer Strukturanalyse der Branche werden in der Ge­meinschaftsgastronomie durchgeführte Pro­jekte zur Gesundheitsförderung erfasst. Aus den Erfahrungen und Lösungsstrategien einzelner Akteure (Beispiele guter Praxis) werden Anregungen für die kontinuierliche Qualitätsverbesserung in der Branche abgeleitet. Er­gän­zend werden Experteninterviews und Grup­pendiskussionen durch­geführt. Notwendige Umsetzungsprojekte leiten sich daraus ab.
Für mehr Einzelheiten und den Zugang zur ­Online-Befragung siehe www.goodpractice-gemeinschaftsgastronomie.ch. Projektfinanzierung: Bundesamt für Gesundheit BAG, BFH, HEdS.

Massnahmen für geringeren Salzkonsum
Dieses Projekt wird im Rahmen der «Salzstrategie des Bundes 2008–2012» in enger Zusammenarbeit mit Praxispartnern aus den Bereichen Business, Care und Education durchgeführt. Unter Berücksichtigung der in der Branche üblichen Verpflegungssysteme ­werden, in Anlehnung an das HACCP-Konzept, kritische Punkte des Salzeintrags in der Gemeinschaftsgastronomie – von der Anlieferung bis zum Verzehr – identifiziert, vorhandene Ernährungsinformationen zum Thema Salz und Gesundheit erfasst und der Salzgehalt an den kritischen Punkten laboranalytisch quanti­fiziert. Ergänzend wird eine Gästebefragung durchgeführt. Auf dieser Grundlage wird gemeinsam mit den Praxispartnern ein Katalog potenzieller Massnahmen zur Salzreduktion erarbeitet. Projektfinanzierung: BAG.

Förderung der Bevölkerungsgesundheit
Die beiden Projekte «Qualitätsstandards einer gesundheitsfördernden Gemeinschaftsgastronomie» und «Salz in der Gemeinschaftsgastro­nomie – Massnahmen zur Reduktion» wollen also zunächst die Verhältnisse in Verpflegungs­einrichtungen gezielt verändern, um einen Beitrag zur Förderung der Bevölkerungsgesundheit zu leisten. Zudem sollen die Konsumierenden im Rahmen der Massnahmen befähigt werden, selbstbestimmt zu handeln und so ihre Gesundheit durch eine ausgewogene Ernährung zu erhalten und zu verbessern. Dies setzt eine vertrauensvolle Zusammen­arbeit von Wissenschaft und Praxis voraus.

*Die Autorin ist Leiterin angewandte Forschung & Entwicklung Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule.