Debatte in Europa gewinnt an Fahrt
In der EU gehen die Meinungen über eine sinnvolle Lebensmittelkennzeichnung nach wie vor weit auseinander. Zu kompliziert und zu plakativ, heisst es bei einigen Abgeordneten des Parlaments
Ähnlich wie in der Schweiz («Alimenta» 02/10) herrscht im Umweltausschuss des Europaparlaments hinsichtlich der Lebensmittelkennzeichnung zwar Einigkeit, dass Konsumenten nicht irregeführt werden sollten. Über die in einer Verordnung geplanten Vorschriften zur Konsumenteninformation gibt es jedoch noch ein breites Spektrum an Meinungen. Das zeigte sich bei der ersten Diskussion über Änderungsanträge am 27. Januar in Brüssel.
«Weder noch»
Die deutsche Europaabgeordnete Renate Sommer sprach sich wiederholt gegen eine verpflichtende Kennzeichnung von Nahrungsmitteln – sowohl durch eine Ampelkennzeichnung als auch durch sogenannte Richtwerte für die Tageszufuhr (guideline daily amounts, GDA) – aus. Jene Richtwerte, die bereits heute auf vielen Verpackungen grosser Nahrungsmittelhersteller zu finden sind, hält die Agraringenieurin für zu kompliziert: «Wir brauchen ein System, mit dem alle Konsumenten zurechtkommen.» Die Ampel wiederum könne zu Fehlernährung führen. Gleichzeitig warnte sie vor übermässigem Verwaltungsaufwand für die Hersteller. Die Ernährungswirtschaft sei überwiegend von mittleren Unternehmen geprägt. Ferner sprach sich Sommer für EU-weit einheitliche Regeln und gegen nationale Parallelsysteme aus. Als Befürworterin der Ampel trat insbesondere die britische Abgeordnete Glenis Willmott auf. Bei diesem System gehe es nicht darum, den Konsumenten zu sagen, was sie essen sollten. Vielmehr erlaube es ihnen, wichtige Informationen auf einen Blick zu erhalten. «Warum sollten wir den Konsumenten diese Möglichkeit verweigern?», fragte Willmott. Englische Studien belegten den Erfolg des Konzepts.
Herkunftsangabe nur für Fleisch
Umstritten bleibt in der EU ferner eine verpflichtende Herkunftsangabe für agrarische Grundprodukte oder sogar für die Zutaten verarbeiteter Lebensmittel. Renate Sommer gab an, entsprechende Elemente könne sie
im Rahmen der Verordnung höchstens für Fleisch mittragen. Bei Produkten wie Obst und Gemüse solle man dagegen besser bestehende, sektorale Regelungen nutzen. Für Zutaten lehnt sie eine Herkunftskennzeichnung als «undurchführbar» ab. Willmott entgegnete, Konsumenten wünschten die Angabe der Herkunft für Nahrungsmittel. Ein schwedischer Abgeordneter meinte, wenn Unternehmen den Ursprung ihrer Produkte nicht nachweisen könnten, sollten sie eben «Herkunft unbekannt» auf die Verpackung drucken. Zusätzlich wurde gefordert, den Ballaststoffgehalt angeben zu müssen.
Alkohol einbeziehen?
Ein wiederkehrender Diskussionspunkt war die Frage, ob und in welchem Umfang alkoholische Getränke unter die geplante Verordnung fallen sollten. Der Entwurf der Europäischen Kommission sieht bislang vor, sie mit Ausnahme der Alkopops nicht zu berücksichtigen. Die Abstimmung über den Bericht von Renate Sommer im Umweltausschuss ist für März geplant. age