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«Gefahr für den Produktionsstandort»

Monique Bourquin, Chefin von Unilever Schweiz, setzt für Knorr auf das Schweizerkreuz. Für sie symbolisiert es die schweizerische Herstellung und Rezeptur des Produkts und weniger dessen inländischen Rohstoffanteil.

von Alimenta Import

Frau Bourquin, wo greifen Sie im Lebensmittelregal gezielt nach Schweizer Produkten?
Insbesondere bei Käse, Joghurt, Gemüse, Früchten und Fleisch. Bei den übrigen entscheiden die Marke und deren Inhalte (Image, Qualität und Preis) über meine Wahl.

Käse gehört zu den Produkten, die die 80%-­ Regel, wie sie der Bundesrat in der Swissness-Vorlage vorsieht, problemlos erfüllen. Unilever-Produkte scheinen damit mehr Mühe zu haben.

In der Tat. Bei vielen Knorr-Produkten wäre es uns nicht möglich, 80% der Inhaltsstoffe aus der Schweiz zu beziehen. Sämtliche als schweizerisch ausgelobten und exklusiv für den Schweizer Markt ­bestimmten Lebensmittel von Knorr pro­duzieren wir lokal in Thayngen. Gerade deshalb betrachte ich den Gesetzesentwurf als Gefahr für den Produktionsstandort. Könnten wir Swissness nicht mehr aus­loben, würde unser Werk in Thayngen ­genauer unter die Lupe genommen, und wir müssten uns fragen, ob wir uns einen Produktionsstandort in der Schweiz noch leis­ten können. Zwar müssen wir auch jetzt konkurrenzfähig sein. Das Risiko, dass
wir die ­Produktion ins Ausland verlagern, würde aber grösser.

Weil Sie gezwungen wären, Aromat ohne Schweizerkreuz zu verkaufen?

Ja. Wir müssten das Schweizerkreuz von vielen in der Schweiz hergestellten Produkten von Knorr entfernen. Mit dem Kreuz zeigen wir den Konsumenten, dass der Packungsinhalt nach Schweizer Rezept fabriziert wurde, dass er Schweizer Qualitätsstandards erfüllt. Diese Produkte unterscheiden sich von Knorr-Produkten im Ausland. Auch dort produzieren wir teilweise nach landestypischen Rezepturen. 

Wie gross ist der Nutzen des Schweizerkreuzes dabei,  die Knorr-Produkte zu verkaufen?
In konkreten Zahlen haben wir den Effekt nicht erhoben. Verschiedenste Marketingstudien belegen, dass die Konsumenten das weisse Kreuz auf rotem Grund stark mit Qualität in Zusammenhang bringen. Unse­re regelmässigen Tests mit unterschiedlichen Rezepturen von Produkten wie Aromat oder Beutelsuppen zeigen, dass es den Konsumenten wichtig ist, in den Regalen ein an ihren lokalen Geschmack angepasstes Lebensmittel vorzufinden. Ausländische Rezep­turen schneiden schlechter ab. Bei Lebens­mitteln ist der Geschmack doch sehr lokal.

Derzeit schreibt die Lebensmittelgesetzgebung vor, dass mindestens die Hälfte der Wertschöpfung im Inland entstanden sein muss, um eine Ware als Schweizer Produkt bezeichnen zu können. Die Fial schlägt vor, dass für Lebensmittel mit hohem Verarbeitungsgrad 60% der Rohstoffe oder 60% der Wertschöpfung aus der Schweiz stammen müssen. Hätten Sie damit kein Problem?

Ein grosser Teil der Knorr-Produkte würde die Auflage der 60% erfüllen, 80% wären zu viel.
Der Bundesrat sieht in seinem Vorschlag vor, Ausnahmen zur 80%-Regel zuzulassen. Weshalb ist es für Knorr trotz dieser Klausel nicht möglich, den Vorschlag zu akzeptieren?
Unsere Berechnungen für die alleine
im Privatkundengeschäft betroffenen rund 600 Produkteinheiten von Knorr mit gegen 900 verschiedenen Rohstoffen haben er­geben, dass die Gewichtsvorgabe zum ­grössten Teil nicht erfüllbar wäre – trotz der möglichen Ausnahmen. Beispielsweise gibt es im Inland kaum Trockengemüse wie ­Tomaten oder Pilze in einer von uns gewünschten Qualität und auch nicht in der nötigen Menge. Hinzu kommt der immense Aufwand, der die regelmässige Überprüfung eines 80%-Mengenanteils an Rohstoffen für jedes einzelne Produkt nach sich zieht. Ändert der Lieferant eines Rohstoffs, müssten die ganzen Berechnungen neu gemacht werden. Eine administrativ mit unverhältnismässigem Aufwand verbundener Umstand, der sich letztlich auf die Produkt­kosten auswirken würde.

Haben Sie sich in dieser Frage schon mit Vertretern der Urproduzenten in Verbindung gesetzt?
Nein. Falls sich herausstellen würde, dass unser Bedarf mit Inlandware gedeckt werden könnte, müssten die Kosten sowie auch die Bereitschaft der Konsumenten, für die Produkte deswegen einen Mehrpreis zu ­bezahlen, genau untersucht werden.

Womit würden Sie den Preisaufschlag begründen?
Das wäre schwierig. Auch eine Knorr-Suppe ist schliesslich eine Suppe. Irgendwo ist eine Preislimite erreicht.

Wo liegt der Unterschied zwischen 60 und 80%?

Einerseits in der Machbarkeit, den Zusatzbedarf an Schweizer Rohstoffen sicher­zustellen. Andererseits besteht bei einem ­alternierenden 60%-Gewichts- oder -Wertschöpfungsgrenzwert ein gewisser Puffer, normale Schwankungen seitens der Lieferanten auszugleichen, ohne deshalb jedesmal die Swissness-Kriterien von Grund auf infrage zu stellen. In anderen Worten: Mit einer alternierenden 60%-Regelung mit auf Gesetzesstufe festgeschriebenen ­Ausnahmen von Rohstoffen wäre auch die Rechts- und Planungssicherheit gewährleistet.

Käme der Fial-Vorschlag zum Zug, wäre es möglich, den inländischen Wertschöpfungsanteil an einem Produkt zu erhöhen, um die 60%-Regel zu erfüllen. Ist es vorstellbar, dafür mehr Forschung und Entwicklung in der Schweiz anzusiedeln?
Wenn, dann nicht aus diesem Grund allein. Unilever ist ein Unternehmen, das von ­seiner Internationalität profitiert und seine ­lokalen Wurzeln nutzt, wo es sinnvoll ist. Bereits heute sind einige europäische Funk­tionen in der Schweiz angesiedelt. So wird die ganze europäische Supply Chain von einer seit 2006 in Schaffhausen angesiedelten ­Organisation mit rund 200 Mitarbeitenden ­gesteuert. Die Schweiz bietet als Standort allgemein sehr attraktive Rahmenbedingun­gen. Genau das, was wir auch für die ver­arbeitende Lebensmittelindustrie fordern.

Unilever gehört auch im Foodservice-Bereich zu einem wichtigen Anbieter. Ist die Swissness dort ein Thema?

Absolut. Eine Umfrage, die wir im letzten Jahr im Gastro- und Kantinenbereich gemacht haben, hat ergeben, dass bei Lebensmitteln, die mit Swissness in Verbindung gebracht werden, in erster Linie eine Schweizer, an den lokalen Geschmack angepasste Rezeptur erwartet wird. An zweiter Stelle erwähnten die Befragten, dass es sich um Produkte handelt, die den inländischen Qualitätsansprüchen entsprechen und in der Schweiz produziert werden.

Und die Herkunft der Rohstoffe?
Sie spielt eine untergeordnete Rolle.

Unilever nützt das Schweizerkreuz bisher nicht, um damit Exportprodukte auszuzeichnen.  Könnte sich das ändern?

Nein, wir setzen auf lokale Rezepturen, die an die lokalen Geschmacksvorlieben angepasst sind. Anders sieht die Situation im Nonfood-Bereich aus, in dem globale Marken grosse Chancen haben.