Wie viel Staat darf es sein?
Hat die Schweizer Lebensmittelwirtschaft genug Spielraum für Innovationen, oder wird sie durch staatliche Hürden behindert? Wo soll der Gesetzgeber weniger stark eingreifen? Exponenten der Nahrungsmittel-Industrie geben anlässlich des Tages der Schweizer Nahrungsmittelwirtschaft Auskunft darüber, wo die staatliche Regulierung zu stark eingreift.
Salzige Planwirtschaft
Am liebsten soll der Staat natürlich möglichst wenig eingreifen. Wo er zu stark eingreift,
ist beispielsweise beim Salzmonopol. Seit Jahrzehnten importierten wir für unsere Produkte Salz, zum Beispiel vom Atlantik. Jetzt sind wir aber gezwungen, das Salz von der Rheinsaline abzunehmen. Dies bedeutet für unser Unternehmen Mehrkosten von 50?000 Franken. Dies ist Planwirtschaft pur.Ruedi Lieberherr, Geschäftsführer Morga AG
Diverse Standards nicht staatlich reguliert
Gerade in der Lebensmittelwirtschaft herrscht eine grosse Flut von Normen, Standards und Labels. Für KMUs ist dies sehr kostspielig und bindet enorme personelle Ressourcen. Hier wäre eine länderübergreifende Gesetzgebung für eine Reduzierung und Vereinfachung der Normen von Vorteil.Cemil Klein, Vizedirektor, E. Zwicky AG
Veredelte Exportprodukte werden bestraft
Der Honig ging in den bilateralen Abkom-men II mit der EU vergessen. Wir sind nun diskriminiert gegenüber europäischen Mitbewerbern, die für in die Schweiz eingeführte und veredelte Produkte nur den Gewichtszoll von 38 Rp./Kilo bezahlen. Wir dagegen müssen für verarbeitete, in die EU exportierte Produkte an der EU-Aussengrenze einen Wertzoll von 17,8% bezahlen und sind somit bei Premiumprodukten doppelt bestraft. Wir sind gezwungen, statt in unsere Nachbarmärkte mit gleichen Sprachen und vergleichbarer Mentalität auf weit entfernte Märkte wie den Mittleren
Osten oder Japan auszuweichen. Dort konkurrenzieren wir zwar auch mit unseren europäischen Mitbewerbern, aber zu gleichen Bedingungen. Entsprechend haben wir im Mittleren Osten eine sehr starke Distribution mit unserer Marke Nectaflor.
Heinrich Grünig, Einkaufsdirektor Narimpex
Höhere Volatilität durch permanente Zollüberprüfung
Es geht nicht um die Menge, sondern um die Klugheit der Eingriffe. Unsere Branche leidet unter den aktuellen, nicht durchdachten Änderungen der Zollpolitik für unsere Roh- und Endprodukte, die Koppelung inkonsistenter Systeme, Änderungen zu Unzeiten und mangelhafter Kommunikation. So führt die neue vierteljährliche Überprüfung der Zölle jetzt für noch mehr schädliche Volatilität, die die Mehlverarbeiter gar nicht umsetzen können. Dieser Aktivismus ist eine künstliche Belastung für unsere Planungs- und Investitionssicherheit.
Hermann Dür, Mühle Dür, und
André Betschart, Groupe Minoteries
Wir müssen mit verteuertem Mehl arbeiten
In der Branche, wo ich heute arbeite, gibt es weniger staatliche Interventionen als in der Milchbranche, wo ich vorher tätig war. Dennoch haben wir als Schweizer Produktionsbetrieb Wettbewerbsnachteile. So können ausländische Suppenhersteller Produkte, die Mehl enthalten, ohne tarifären Zoll einführen. Wir dagegen müssen mit teurem einheimischem oder dem an der Grenze künstlich verteuerten Mehl arbeiten, was im Heimmarkt zu Wettbewerbsnachteilen führt
Dominik Büchel, Leiter Marketing und Verkauf Haco
Behörden geben sich dennoch grosse Mühe
Wenn man sich mit einem Preissystem so weit vom Markt entfernt, dass die Grenzabgaben höher sind als der Warenwert (z.B. Kokosfett), werden wir zwangsläufig zu einer Hochpreisinsel. So liegt der Preis für eingesottene Butter in der Schweiz bei 10 Franken, derjenige in Europa nur bei 3 Franken. ?Klar wären bei offenen Grenzen viele Dinge einfacher, als wenn wir wie heute einen eigenen Grenzschutz haben. Aber auch bei diesem komplizierten Sonderstatus geben sich die Leute der Zollverwaltung grösste Mühe, uns in der Industrie wenigstens administrativ zu unterstützen.
Adolf Grüninger, Grüninger AG