Forschung wurde neu organisiert
Die Forschung für Milch- und Fleischprodukte rückt näher zusammen. Dies ist eine der Konsequenzen, die die Reorganisation an der Forschungsanstalt Agroscope ALP mit sich bringt.
Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux (ALP) hat sich neu organisiert («Alimenta» 21/10). Der Forschungsbereich Milch- und Fleischverarbeitung am Standort Liebefeld wurde dadurch in drei Forschungsgruppen aufgeteilt: Qualitätsführerschaft von Schweizer Käse, Kulturen für fermentierte Milch- und Fleischprodukte sowie Milch- und Fleischprodukte für eine gesunde und nachhaltige Ernährung.
Die grössten Veränderungen ergaben sich bei der dritten Forschungsgruppe, die sich aus den ursprünglichen Projekten Milchverarbeitung und Fleischverarbeitung zusammensetzt. Ihr oberstes Ziel ist es, zu zeigen, dass Milch- und Fleischprodukte einen berechtigten Platz in einer ausgewogenen und gesunden Ernährung haben. Weiter setzt sich die Gruppe dafür ein, dass diese Produkte eine hohe sensorische und ernährungsphysiologische Qualität aufweisen und hinsichtlich Nachhaltigkeit optimiert werden. Durch die stärkere thematische Fokussierung wird es möglich, mehr Energie in die Entwicklung von neuen Analysenmethoden wie zum Beispiel für die Prognostizierung der Lipidoxidation zu stecken.
Ernährungsforschung
In den letzten Jahren wurde viel Forschung im Bereich von einzelnen Nährstoffen durchgeführt, und deren Wirkung auf den menschlichen Organismus ist teilweise bekannt. Die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, hat die Auslobung bestimmter Wirkungen von ausgesuchten Nährstoffen wie Mineralien und Vitaminen auf die Gesundheit (Health Claims) erlaubt. Ein Lebensmittel besteht aber aus verschiedenen Inhaltsstoffen, und die Auswirkung dieser Kombination wurde bis jetzt nur wenig untersucht. Unklar ist zum Beispiel, ob die Einnahme eines künstlich angereicherten Nahrungsergänzungsmittels die gleiche Wirkung hat wie die Einnahme des Wirkstoffs über natürliche Lebensmittel. Ein Ziel der Forschungsgruppe ist die Erfassung der Bioverfügbarkeit von wichtigen Nährstoffen wie Vitamin D oder Kalzium von unterschiedlichen Milchprodukten sowie Vitamin B12 in Fleischprodukten. Zusätzlich sollen der Einfluss der verschiedenen Verarbeitungsschritte auf die Absorption einzelner Nährstoffe aus Milch- und Fleischprodukten untersucht und Massnahmen zur Verbesserung der Aufnahme vorgeschlagen werden.
In den letzten Monaten wurden verschiedene Gesundheitsanpreisungen bei Functional Food durch die EFSA abgelehnt, da sie als wissenschaftlich ungenügend gesichert eingestuft wurden. Meistens wird bemängelt, dass der Zusammenhang zwischen der Einnahme der Lebensmittel und der angepriesenen Wirkung nicht genügend begründet wurde. Dementsprechend möchte ALP mehr wissenschaftliche Nachweise über die positive Wirkung von Milch- und Fleischprodukten sammeln. In einer ersten Humanstudie bei ALP mit Milch und Joghurt wurden Hinweise gefunden, dass diese Produkte eine immunregulierende Wirkung haben könnten. Weitere Studien werden durchgeführt, um diese Effekte besser zu verstehen. Diese Arbeiten sollen dazu beitragen, dass in der Zukunft genügend wissenschaftliche Informationen vorhanden sind, um positive Wirkungen von Milch- und Fleischprodukten hervorheben zu können.
Gesund und lecker
Die Anforderungen an Lebensmittel, welche von Behörden, Organisationen, aber auch von Konsumenten definiert werden, nehmen stetig zu. Aktuell sind Milch- und Fleischprodukte beispielsweise von der Salzstrategie des Bundesamts für Gesundheit (BAG) betroffen, welche eine Salzreduktion in verarbeiteten Produkten anstrebt mit dem Ziel, den Salzkonsum der Schweizer Bevölkerung bis ins Jahr 2012 um bis zu 16% zu senken. Solche Ansprüche haben nicht nur sensorische Konsequenzen, sondern beeinflussen auch die Lebensmittelsicherheit und technologische Eigenschaften. Ziel der Forschungsgruppe ist es daher, Möglichkeiten und Grenzen einer Salzreduktion in verschiedenen Produkten aufzuzeigen und die Branchen bei der Umsetzung der Ziele zu unterstützen. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten im kommenden Jahr ist die Zuckerreduktion in Sauermilchprodukten.
Taste is king!
Insbesondere während der Lagerung laufen jedoch verschiedene chemisch-physikalische respektive biochemische Prozesse ab, welche die sensorische Qualität sowie technologische Eigenschaften negativ beeinflussen und somit die Haltbarkeit limitieren können. Eine zentrale Rolle spielen dabei Oxidationsreaktionen wie die Lipid- und Proteinoxidation. Neben den sensorischen Qualitätseinbussen können sich oxidative Abbauprodukte wie Cholesterinoxide auch negativ auf die Gesundheit auswirken. Mit herkömmlichen, aber auch neuartigen Methoden sollen diese unerwünschten Prozesse daher genauer untersucht und die verschiedenen Einflussfaktoren identifiziert werden. Darauf basierend werden Massnahmen zur Reduktion solch unerwünschter Prozesse und deren Produkte entwickelt.
Wissenstransfer und Kundenprojekte
Auch für die neuen Forschungsgruppen ist es zentral, dass Resultate und darauf basierende Empfehlungen direkt an die interessierten Fachkreise gelangen. Mittels Praxisberichten, wissenschaftlichen Publikationen und Weiterbildungsveranstaltungen werden die verschiedenen Fachleute stufengerecht informiert. Zusätzlich versendet ALP zwei bis drei Mal jährlich die Newsletters «Forschung Milchprodukte ALP» und «Forschung Fleischprodukte ALP» (Anmeldung: www.agroscope.admin.ch unter Newsletter).
*?Die Autorinnen arbeiten an der Forschungsanstalt Agroscope ALP in Bern-Liebefeld.