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«Ehrbar und nachhaltig wirtschaften»

Der Babykost-Produzent Hipp ist Marktführer und laut einer Konsumenten-Umfrage das nachhaltigste Unternehmen Deutschlands. Geschäftsführer Claus Hipp erklärt das Erfolgsprinzip Ethik.

von Alimenta Import

Manager, Musiker und Maler – Claus Hipp ist ein Mensch mit vielen Facetten, und mit zweitem Wohnsitz (inkl. Atelier) in der Schweiz.

«Dafür stehe ich mit meinem Namen» – wer kennt nicht die Werbung mit dem sympathischen Herrn, der sich persönlich für die einwandfreie Qualität von Babybrei und für die Gesundheit der Kinder verbürgt? Vor über 110 Jahren begann der Grossvater mit dem Verkauf von Zwiebackmehl als Säuglingsnahrung in seiner Konditorei im bayerischen Pfaffenhofen. Sein Vater stellte Babybrei (wie auch Birchermüsli) industriell her und begann 1959, Bio-Rohstoffe in der Babynahrung einzusetzen.

Heute, unter Claus Hipp, macht der Familienbetrieb mit 2000 Mitarbeitern, rund 6000 liefernden Biobauern und über 260 Produkten einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen Euro, davon die Hälfte im Ausland. Täglich laufen 1,5 Millionen Gläser vom Band. Hipp produziert an sieben Standorten, unter anderem im obwaldnerischen Sachseln, ist Marktführer in Deutschland und weltweit grösster Verarbeiter von organisch-biologi­schen Rohstoffen.

Fairness und Authentizität hoch im Kurs
Doch worin wurzelt der Erfolg? Im Juni haben über 2500 Konsumenten in einer Umfrage der Wirtschaftswoche Hipp zum nachhaltigsten Unternehmen Deutschlands gewählt. Mit der Studie wurde der Einfluss nachhaltigen Handelns von Unternehmen auf ihr Image, die Kaufbereitschaft und die Kundenbindung untersucht. Dabei flossen – neben ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien – psychologische Faktoren wie Kundenwertschätzung, Ehrlichkeit und Authentizität in die Bewertung mit ein. Mit diesen Grundwerten punktet Hipp bei den Verbrauchern.

Verantwortung und Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern und Kunden, der sorgsame Umgang mit der Natur, Fairness gegenüber den Lieferanten und Mitbewerbern, eine kons­truktiv-kritische Einstellung zu den behördlichen Auflagen – das alles ist auch in ­einer internen Ethikcharta festgehalten. Das umfassende Ethikprogramm hat Hipp vor zehn Jahren als einer der ersten Betriebe Deutschlands eingeführt und ständig weiterentwickelt. Darin sind neben dem Qualitätsmanagement und Umweltschutz Themen wie Arbeitszeit und Familie, Führungs- und Kommunikationsgrundsätze, die Arbeitssicherheit und anderes geregelt. In den leitbildartigen Verhaltensgrundsätzen kommt Nachhaltigkeit immer wieder zum Ausdruck. Geschäftsführer Claus Hipp erklärt im folgenden Interview, wie sein Unternehmen langfristige Erfolgs­orientierung lebt:

Alimenta: Herr Hipp, was heisst für Sie Ethik? Und welche Werte sind Ihnen im Zusammenhang mit der Unternehmensführung persönlich wichtig?

Claus Hipp: Der Begriff des ehrbaren Kaufmanns ist auch heute noch aktuell. Auf anständige Weise Erfolg zu haben, ist der Weg, den wir einschlagen. Langfristiges Denken gehört unbedingt dazu. Lieber verzichten wir auf kurzfristigen Erfolg, der nur auf zweifelhafte Art und Weise erreicht werden kann.

Als Beweggrund für die Erschaffung Ihres Ethikprogramms haben Sie den heutigen Wertezerfall genannt.
Den Wertezerfall erleben wir in vielfacher Weise. Die Gier in Branchen, die mit Geld zu tun haben, ist teilweise so stark, dass das Vertrauen in die menschlichen Gefühle oft auf der Strecke bleibt. Mit unserer Ethikcharta wollen wir unseren Mitarbeitern, Kunden, Geschäftspartnern, Lieferanten und Mitbewerbern einen schriftlichen Leitfaden zum besseren Umgang miteinander liefern. Grundlage dafür bilden die Werte der christlichen Weltanschauung wie etwa Toleranz anderen gegenüber. Unsere Richtschnur sind die zehn Gebote.

In welchem Zusammenhang stehen die ethi­schen Grundsätze zu den geschäftspolitischen Unternehmenszielen von Hipp?
Mit unserem Ethikprogramm wollen
wir konfliktbedingte Reibungsverluste im ­Unternehmen abbauen und unternehmerisch noch erfolgreicher sein. Ausserdem haben wir in der Charta Regeln zur Innovations- und Wachstumsorientierung fest­gehalten.

Wenn Sie nach zehn Jahren Ethikmanagement Bilanz ziehen: Welches sind die häufigsten Gesuche und welches die grössten Knacknüsse, um die Sie sich auch persönlich kümmern?

Konflikte bis hin zum Mobbing, das kommt am häufigsten vor. Dazu ziehen wir einen externen Spezialisten bei. Ebenso subtil sind zum Beispiel Fälle von Alkoholismus anzugehen und dazu Grundlegendes zu klären: Die Sicherheit des Unternehmens
ist unter Umständen wichtiger als der Erhalt des einzelnen Arbeitsplatzes. Welche Schritte sind notwendig – von der Abmahnung bis zur Therapie? Wir müssen uns um die uns anvertrauten Menschen kümmern. Nur wenn es gar nicht mehr geht, dann bleibt einzig die Trennung.

Entlassungen behandeln Sie ja mit grosser Vorsicht, heisst es in Ihrer Charta.
Eine bewährte Mannschaft zu haben, ist uns das Wichtigste. Und wenn es unserem Unternehmen einmal nicht so gut geht, dann versuchen wir, unsere Mitarbeiter zu halten, damit wir in besseren Zeiten darauf aufbauen können.

In Ihrer Ethikcharta steht der Mitarbeiter und seine Familie mit an erster Stelle. Hier will sich Hipp mehr als im Gesetz gefordert engagieren. Was heisst das konkret?
Wir haben über 60 verschiedene Arbeitszeitmodelle und bieten demnächst Hausaufgabenbetreuung an, damit weibliche Angestellte Familie und Beruf besser in Einklang bringen. Bei uns können Mütter auch das Essen mit nach Hause nehmen. Weiter beraten wir die Mitarbeiter zu Themen wie Gesundheitsförderung und -erziehung im Bereich Ernährung und Sport. Und wer mit dem Velo in die Firma kommt, erhält die Fahrtkosten erstattet.

Apropos: Was tut Hipp alles für die Umwelt?
Wir produzieren heute CO2-neutral, so wird die gesamte Energieversorgung über ein ­Biomasse-Heizkraftwerk betrieben. Wir ­haben unsere Abfälle, die entsorgt werden müssen, auf 3 Prozent reduziert. Der Rest wird wieder verwertet. Unseren Wasser­bedarf pro Tonne konnten wir auch durch neue Technologien in den letzten Jahren um 40 Prozent senken.

Seit Neuestem kümmern wir uns intensiv um den Erhalt der Artenvielfalt in der Landwirtschaft. Wir wehren uns auch ­gegen gentechnische Veränderungen von Pflanzen, weil wir mit solchen Eingriffen in die Natur der nächsten Generation Probleme verursachen können.

Berühmt ist Hipp vor allem für seinen Einsatz für biologischen Anbau. Doch gerade dort ­werden in letzter Zeit immer wieder Vorfälle im Zusammenhang mit Schadstoffen aufgedeckt. Wie funktioniert hier die Qualitätskontrolle?
Hausintern haben wir uns noch höhere Grenzen für die chemische Spurensuche nach Schadstoffen gesetzt als vom Gesetz vorgeschrieben. Dabei ist die Rückverfolgbarkeit ein ganz wichtiger Punkt. Bei uns hat jedes Glas auf dem Deckel eine fortlaufende Nummer, so dass wir nachvollziehen können, von welchem Bauern etwa die ­Karotten stammen. Rund 265 Kontrollen durchläuft ein Produkt in unserem Labor, bis es in den Handel kommt. 225?000 Tests inklusive Bodenproben haben wir allein letztes Jahr durchgeführt. Wir untersuchen dabei in einer Feinheit, dass wir sogar in einem 50-Meter-Schwimmbecken ein Salzkörnchen finden würden.

Haben Sie schon Salzkörner gefunden?
Beispielsweise bekamen wir vor einigen Jahren eine Probe von einem Lieferanten zugeschickt und entdeckten dort Spuren von Nitrofen. Die Ursache war, dass Futtergetreide in einer Halle gelagert war, in der früher dieses Herbizid aufbewahrt wurde. So gelangte es ins Fleisch, wurde aber selbstverständlich von uns nicht verarbeitet.

Welche Konsequenzen hat das für die Lieferanten, wenn Sie auf einen Schadstoff stossen?

Wir helfen ihnen, die Ursachen zu finden. Einmal haben wir bei einem Bioapfelbauern eine Substanz entdeckt, die bei Lagerobst zur längeren Haltbarkeit eingesetzt wurde. Unsere Recherche ergab, dass sich besag­ter Lieferant gebrauchte Harassen gekauft hatte, in denen vorher oberflächlich be­handelte Äpfel aufbewahrt waren. Auch er war sich dieser Kontaminierung nicht bewusst.

Was wurde mit dem Ethikprogramm bisher erreicht?
Unser Betriebsklima hat sich weiter verbessert. Ein Beweis dafür ist, dass die Mitarbeiter in der Regel lange bei uns bleiben und wir eine niedrige Fluktuation haben. So ­erleben wir auch immer wieder, dass sich wegen unserer Firmenkultur und unseres Ethikprogramms Personen bewerben, die sich in grossen Betrieben nicht wohl gefühlt haben. Auch die Konsumenten vertrauen uns, wie unser erster Rang in der Nachhaltigkeitsstudie der Wirtschaftswoche zeigt.

Lässt sich Ihr Erfolg mit der Ethikcharta auch anhand von Umsatz und Gewinn messen?
Unser Gesamterfolg ist dadurch höher und unsere Marktposition stärker geworden.
So sind wir heute im Wettbewerb mit Grosskonzernen und auch in vielen Ländern Marktführer.

Mit einem Marktanteil von fast 50 Prozent in Deutschland überflügeln Sie sogar einen Giganten wie Nestlé. Welches ist hier der Vorteil von Hipp?

Eine grosse Kapitalgesellschaft ist bei ­sinkendem Aktienkurs unter Umständen ­gezwungen, kurzfristig zu handeln. Das passiert bei uns nicht so schnell, da wir als inhabergeführter Familienbetrieb eben langfristig denken.
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