Bierimporte nehmen erneut zu
Bier wird in zunehmenden Mass in die Schweiz importiert. Besonders die Dose kommt zu Billigpreisen über die Grenze. Der Schweizer Detailhandel mischt im Importgeschäft kräftig mit.
Der Importdruck im Biermarkt Schweiz ist gross. Die ausländischen Brauereien können ihre Überschüsse zu einem konkurrenzlosen Preis in die Schweiz importieren. Im Braujahr, das vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 dauerte, wurden 1,19 Mio. Hektoliter Bier eingeführt, 9,1 Prozent mehr als im Vorjahr, davon 90 Prozent in der Dose. Das Importbier stammt zu 50 Prozent aus deutschen Brauereien, zu 12,8 Prozent aus Portugal und zu 11,9 Prozent aus Frankreich, wo Kronenbourg 1664 einen grossen Anteil hat. Gesamthaft wurden 4,57 Mio. Hektoliter Bier in der Schweiz verkauft. Die inländischen Brauereien, zu denen auch die Schweizer Produktionsstandorte von Heineken und Carlsberg Bier gehören, produzierten 3,38 Mio. Hektoliter. In Prozent ausgedrückt betrug die Inlandproduktion 73,9 Prozent, was einen um 4,1 Prozent tieferen Ausstoss als im Vorjahr bedeutet.
Coop gab Calanda einen Korb
Der Knick in der eidgenössischen Bierproduktion kam im Januar 2013, als sich der Grossverteiler Coop entschloss, für sein Prix-Garantie-Bier einen günstigeren Produzenten zu suchen. Bis Ende Januar lief der Vertrag mit der zum Heineken-Konzern gehörenden Calanda in Chur, für danach startete Coop eine Ausschreibung. Dabei habe eine ausländische Brauerei am besten abgeschnitten, sowohl in preislicher als auch in qualitativer Sicht, sagt Coop-Mediensprecher Urs Meier. Den Namen der Brauerei, die jetzt das Billigbier für Coop produziert, will Meier nicht bekannt geben.
Von sechs auf fünf Abfüllinien reduziert
Bei Calanda will man sich ebenfalls nicht zum verlorenen Auftrag äussern, weil Calanda eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Heineken Switzerland AG ist. Zum Heineken-Konzern zählen die Schweizer Marken Eichhof, Calanda, Haldengut, Ittinger und Ziegelhof. Der Konzern betreibt in Luzern und Chur je eine Brauerei und beschäftigt 900 Mitarbeiter, hat jedoch im Zug des verlorenen Aufrages seine Abfüllinien von sechs auf fünf reduziert.
Die Biervielfalt in der Schweiz nimmt derweil zu, sei es durch importierte oder einheimische Produkte, die von den Kleinbrauereien in grosser Vielfalt produziert werden.
Coop rühmt sich trotz des kürzlichen Umschwenkens auf ausländisches Billigbier mit seinem hohen Anteil an Schweizer Bieren, der wertmässig 75 Prozent und mengenmässig 66 Prozent ausmache. Dies sei das grösste Sortiment mit Schweizer Bieren, sagt Coop-Sprecher Urs Meier. Zugenommen habe in den Coop-Regalen das ausländische Bier nur leicht. Die Zunahme erklärt Meier mit der Beliebtheit von ausländischen Bierspezialitäten wie Guiness oder Corona.
Auch bei Lidl sind die ausländischen Biere beliebt, etwa das «Finkbräu»-Lager. Beim deutschen Discounter, der sich gerne schweizerisch gibt, liegt das Verhältnis von schweizerischem zu ausländischem Bier bei 50:50. Das Schweizer Bier wird laut Pressesprecherin Vanessa Meireles stark nachgefragt. Dennoch sei das Verhältnis in den letzten Jahren ungefähr gleich geblieben. Bei Aldi führen die deutschen Biere die Aktionen an. «Hirschbräu-Maibockbier» oder «Karlskrone» sind in Toppositionen auf den Aktionen des deutschen Discounters zu finden. So erstaunt es nicht, dass der Anteil an inländischem Bier nur bei 30 Prozent liegt. Immerhin will Aldi laut Firmensprecher Philippe Vetterli diesen Anteil seit dem Eintritt in die Schweiz gesteigert haben. Mit dem internationalen Angebot solle die soziodemografische Entwicklung im Biersegment abgedeckt werden. Aldi berücksichtige bei Schweizer Bier regionale Brauereien. Bei Denner liegt der Anteil an Schweizer Bier bei 51 Prozent. Das Schweizer Bier gewinne an Bedeutung, sagt Denner-Sprecherin Paloma Martino. 44 Prozent stamme aus dem Ausland, meistens aus Deutschland, weil dort die Bierkompetenz am höchsten sei.
Unbegrenzter Import?
Bierimporte aus der EU und aus praktisch allen anderen Bierexportländern werden nicht besteuert und unterliegen keiner Mengenbeschränkung. Einzig die Mehrwertsteuer und die Biersteuer müssen bezahlt werden. Die Biersteuer liegt laut Oberzolldirektion (OZD) je nach Stammwürzegehalt zwischen 16,88 und 33,76 Franken je Hektoliter. Kleinbrauereien mit einer Jahresproduktion von unter 55?000 Hektolitern können von einer Rückerstattung profitieren.
Handel ist bekanntlich keine Einbahnstrasse. So ist der Export für die einheimischen Brauereien ein Lichtblick, zwar auf tiefem Niveau von 58?000 Hektolitern, aber stetig ansteigend (vgl. Grafik). Besonders alkoholfreies Schweizer Bier werde in arabischen Ländern nachgefragt, sagt der Brauereiverbandsdirektor Marcel Kreber.
Spott für inländische Einheitsbrühe
Der Hauptmarkt für die kleineren Brauereien der Schweiz liegt klar in der Schweiz. Begriffe wie Authentizität, Tradition, Handwerk, Region und reines Wasser aus den Schweizer Bergen gehören längst zum Marketingrepertoire der Brauereien. Die regionalen Kleinbrauereien wissen, dass sie auf die Gunst des Biertrinkers zählen können. Die Kommentare in den Internetforen zum schlechten Abschneiden von Schweizer Bier aus grossen Konzernen wie Carlsberg und Heineken geben ihnen recht.
«Unterstützt lokale Biere», tönt es von Biertrinkern; oder «Das industrielle Gesöff ist untrinkbar», «Einheitstunken mit Konservierungsmitteln» oder «Ich bin Globalisierungsgegner – darum Bier aus der Region». Das in der Schweiz hergestellte Industriebier schmecke immer gleich und sei erst noch überteuert. Da könne man gleich ein deutsches oder ein tschechisches Bier trinken. Der Brauereiverband habe verschwiegen, dass der Bierpreis gestiegen sei, wird spekuliert. Auch das sei ein Grund zum Griff nach importiertem Bier. Für die zu den internationalen Grosskonzernen gehörenden Brauereien wie Feldschlösschen, Calanda, Eichhof usw. bleibt in den Internetforen nur Spott und Häme übrig.
hanspeter.schneider@alimentaonline.ch