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Kohl statt Fleisch: Russen sparen wegen Krise

Russlands Konsumenten geht das Geld aus. Im dritten Jahr der Krise sind Lebensmittel teuer wie nie, die Reallöhne sinken. Nun müssen die Russen sparen, wo es am meisten schmerzt - und billiger essen.

Russische Konsumenten müssen auf Kohl umschwenken. (Bild: zVg)

«Kommen Sie ruhig näher, schönes Fräulein!» Verkäuferin Dascha spart nicht mit Schmeicheleien, um Kundinnen an ihren Gemüsestand in Moskau zu locken.

Detailhandel mit grösstem Umsatzrückgang seit 40 Jahren
Sieben Tage pro Woche steht sie auf dem Bagrationowski-Markt im Osten der russischen Hauptstadt, denn einen Ruhetag kann sie sich momentan nicht leisten: «Die Leute kommen, aber sie kaufen nur noch das Nötigste», erzählt die 52-Jährige, während sie für eine Kundin Gurken abwiegt. Derzeit erlebt der Detailhandel in Russland dem Finanzministerium zufolge die stärksten Umsatzrückgänge seit 40 Jahren: Im dritten Jahr der Krise sparen die Russen, wo es nur geht. Sie kaufen günstigere Lebensmittel, verzichten auf teure Ferienreisen ins Ausland und tragen erstmals seit Jahrzehnten verstärkt Geld auf die Bank. Die Spareinlagen sind dem Wirtschaftsministerium zufolge vergangenes Jahr um die Hälfte gewachsen; am 1. Januar 2016 betrugen sie 23,9 Billionen Rubel (314 Milliarden Franken).
Hohe Inflation wegen tiefem Ölpreis
Dabei ist es gerade jetzt besonders schwierig, Geld zurückzulegen: Vergangenes Jahr drückte eine zweistellige Inflationsrate auf das Portemonnaie. Die Reallöhne sanken um 4 Prozent. Schuld daran ist zum einen der miserable Rubelkurs, der gemeinsam mit dem Ölpreis auf dem Weltmarkt in Rekordtiefen gestürzt ist. Aber auch die wechselseitigen Sanktionen, die das Geschäft mit den westlichen Staaten blockieren, fordern ihren Tribut. Bei fast allen Lebensmitteln ist der Preis gestiegen, wie Zahlen der Statistikbehörde Rosstat belegen. Das macht sich durch ein kollektives Minus bemerkbar: Die Ausgaben der gesamten Bevölkerung, in die neben Einkäufen auch Bankgeschäfte und Devisen eingerechnet werden, lagen 2015 nach Angaben von Rosstat mit rund 420 Milliarden Rubel - das entspricht bei einem ungefähren Durchschnittswechselkurs knapp 6,2 Milliarden Franken - über dem Gesamteinkommen. Diese Bilanz war nicht mehr so negativ ausgefallen seit der Rubelkrise 1998, kurz nachdem das Land die Marktwirtschaft eingeführt hatte.
Kredite für die Grundversorgung
Heute müssen viele ihrer Kaufkraft sogar mit Krediten auf die Sprünge helfen, bemerkt Michail Sadornow, Chef der VTB Bank. Das Institut hat im Januar fast doppelt so viele Darlehen vergeben wie im gleichen Monat 2015. Die meisten nutzen ihre Kredite nicht etwa für Shoppingtouren, sondern decken damit den Grundbedarf, vermutet Sadornow. Früher habe sie umgerechnet 330 Franken Rente erhalten, jammert auf dem Markt eine Kundin im Seniorenalter. Jetzt seien es gerade noch 144 Franken. «Was ist da nur los?», fragt sie sich. Verkäuferin Dascha pflichtet ihr bei: «Ja, wer hat es nicht schwer zurzeit!» Und kaum eine Kundin fragt nach etwas anderem als Möhren, Kartoffeln und Salat.
Erfinderische Hausfrauen
Für inzwischen 70 Prozent der Russen sind niedrige Preise das wichtigste Kaufkriterium, stellt auch die staatliche Sberbank in ihrer jährlichen Konsumentenanalyse fest. Sechs von zehn Supermarktkunden kaufen günstige Lebensmittel bevorzugt in grossen Mengen ein. Auch die Hausfrauen werden erfinderisch, um ihre Familien satt zu machen: Die tägliche Fleischration ersetzen sie durch Poulet-Hacktätschli mit viel Brot, eine halbleere Flasche Kefir wird mit Milch aufgefüllt und zum Gären auf die Heizung gelegt. In der Krise erlebt auch die traditionelle Küche ihr Comeback: Statt Champignons und Schalotten gibt es Rote Beete und Kohl; zum Naschen Glacé nach sowjetischer Art statt Schokolade aus dem Westen. Die Prognosen der Regierung lassen nichts Gutes erahnen - das Arbeitsministerium etwa geht davon aus, dass Löhne und Gehälter erst 2018 wieder auf das Vorkrisenniveau steigen werden. Nur eins hat sich für Konsumenten bisher zum Positiven verändert: Bemessen am sonst eher ruppigen Ton der Verkäuferinnen werden sie jetzt vielerorts mit ausgesuchter Freundlichkeit bedient.

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