Grosse Hoffnungen im Iran
Nach der Aufhebung der Sanktionen setzt besonders Europa grosse Hoffnungen in den Iran. Das Land hat nicht nur Nachholbedarf bei Konsumgütern, sondern auch in Verarbeitungstechnologien.

Nicht nur Grossaufträge winken, wie der kürzlich vom iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani vergebene Auftrag für 113 Flugzeuge an Airbus. Auch nicht nur Maschinen zum Schienen- oder Strassenbau, oder Medikamente. Der Kreditversicherer Euler Hermes zählt auch die Lebensmittelwirtschaft zu den Branchen, die im Iran eine steigende Nachfrage erleben werden. Der Nachholbedarf im Iran ist gemäss einer Euler Hermes-Studie enorm.
Seit die USA und die EU 2008 Sanktionen gegen den Iran erhoben haben, fehlten dem Land jährliche Importe in der Höhe von 30 Milliarden Euro. Folglich würden nun Importe wie auch der Binnenkonsum «stark anziehen», heisst es bei Euler Hermes. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass sich die Politiker aus Europa die Klinke in die Hand geben. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel reiste schon letzten August nach Teheran. Deutschland will wieder dort anknüpfen, wo es einmal war: Zu Schah-Zeiten war der Iran das zweitwichtigste Exportland ausserhalb Europas. Während der Europareise von Rohani im Januar nach Italien und Frankreich kamen grosse Unternehmen wie Peugeot oder der Bahnbetreiber SNCF den grossen Geschäften ein Stück näher.
Auch die Schweizer Firmen wollen sich ein Stück abschneiden. In Kürze wird Bundesrat Johann Schneider-Ammann in den Iran reisen. Schon jetzt geniesst die Schweiz laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Iran einen guten Ruf und Schweizer Qualität werde dort sehr geschätzt. Nicht zuletzt, weil die Schweiz seit 35 Jahren als Schutzmacht die amerikanischen Interessen in Teheran vertritt.
Schweizer Müesli für Iran
Viele internationale Lebensmittelverarbeiter arbeiten schon seit Jahren im Iran und werden dank den Aufhebungen der Sanktionen liefern können. Aber auch mittelständische Schweizer Foodunternehmen sind schon im Iran vertreten. Bio Familia, das Unternehmen aus Sachseln, arbeitet seit mehreren Jahren mit einem Partner im Iran zusammen und ist deshalb nicht mehr mit grossen administrative Hürden konfrontiert, wie Exportchef Peter Huber sagt. Die internationalen Sanktionen, die sich vor allem auf Industriegüter bezogen, hätten die Produktkategorien von Bio Familia relativ wenig betroffen. Da seien schon eher die zwischenzeitlichen Importbeschränkungen des iranischen Staates hinderlich gewesen, welche die Exporte von Bio Familia einschränkten. Auch das multinationale Schweizer Unternehmen Nestlé betreibt in Iran zwei Fabriken, wie Sprecher Alexander Antonoff sagt. Beide stehen in der Nähe von Teheran – die eine produziert Säuglingsnahrung, die andere füllt Flaschenwasser ab, beides für den iranischen Markt. Nestlé beschäftigt im Iran 530 Mitarbeiter und ist seit 20 Jahren im Land tätig. Man beobachte den Markt genau, es sei allerdings verfrüht, Prognosen zu den Geschäftsplänen zu machen, sagt Antonoff. Der Iran könne auch für den Schokoladewaffelproduzenten Kägi Söhne AG in Lichtensteig ein interessanter Absatzmarkt werden. Allerdings befinde man sich derzeit erst in der Phase des Kontaktaufbaus mit möglichen Partnern, Importeuren sowie Distributoren, sagt Verkaufsleiter Peter Zehnder. Der weltgrösste Schokoladenhersteller Barry Callebaut (BC) hält sich zu Geschäften in Iran noch bedeckt. «Bisher und auch aktuell ist der Iran für uns ein Nischenabsatzmarkt», sagt Sprecher Raphael Wermuth. Nach Schätzungen von Euromonitor betrage der Pro-Kopf-Schokoladenkonsum pro Jahr im Iran nur gerade 500 Gramm, sagt Wermuth.
Foodmesse hilft Markt aufzubauen
Doch die Konsumgewohnheiten werden sich ändern. Die Exportförderorganisation Switzerland Global Enterprise (S-GE) schätzt, dass sich die Exporte aus der Schweiz in den Iran im Jahr 2016 verdreifachen werden. Noch ist der Iran für die Schweiz ein kleiner Exportmarkt – mit Ausfuhren im Wert von gut 600 Millionen Franken (2014), vor allem Medikamentenexport. Im Gegenzug exportierte der Iran Waren im Wert von 30 Millionen in die Schweiz. Ende Mai dieses Jahres können jedoch Schweizer Unternehmer zum ersten Mal an einer Lebensmittel- und Foodtechnologiemesse in Teheran teilnehmen. S-GE organisiert einen Schweizer Pavillon an der Iran food + hospitality und an der Iran food + bev tec in Teheran. Auch Österreich, die Niederlande, Südkorea, Weissrussland oder Polen werden zum ersten Mal teilnehmen. Deutschland, China oder Italien haben laut Angaben der Messe schon mehrere Male teilgenommen. Insgesamt sind die iranischen Foodimporte laut S-GE zwischen 2009 und 2013 um 9,4 Prozent auf 13,14 Milliarden US-Dollar angestiegen. Die iranischen Exporte werden von S-GE auf 5,22 Milliarden Dollar beziffert.
Äpfel und Nüsse
Doch wer denkt, dass sich der Iran nur als Absatzland eignet, irrt. Das riesige, weitgehend agrarisch geprägte Land verfügt über riesige Landwirtschaftsflächen, die in den verschiedenen Klimazonen liegen, sich also für den Anbau von ganz unterschiedlichen Kulturen eignen. So hat auch eine Zuger Früchtehandelsfima den Iran im Visier. Wahrscheinlich würden Vertreter der Firma an die Messe Food & Beverage nach Teheran reisen, sagt ein Händler gegenüber alimenta. Nicht nur um Exportmöglichkeiten auszuloten, sondern auch um Rohstoffe wie Äpfel oder Nüsse zu importieren. «Wir kaufen dort, wo es wächst», sagt der Händler.
Iranische Äpfel werden künftig vermehrt in westlichen Regalen liegen. Der Iran ist bei den Obstkulturen unter zehn grössten Anbauländern. Für Granatäpfeln, Pistazien oder Safran liegt der Iran an erster Stelle. Eine praktisch rein iranische Angelegenheit ist die der Berberitze verwandte Frucht «Barberry», die aber als «Superfrucht» schon als neue Cranberry bezeichnet wird. Zudem ist das Land der zweitgrösste Produzent von Aprikosen und Datteln. In der Feigen- und Kirschenproduktion liegt der Iran laut dem iranischen Landwirtschaftsministerium auf Rang drei. Noch immer wird aber auf der Hauptfläche des landwirtschaftlich nutzbaren iranischen Bodens von ungefähr 18 Millionen Hektaren Weizen, Reis und Gerste angepflanzt. Auch Zitrusfrüchte, Tee, Tabak, oder Baumwolle sind wichtige Kulturen. An der Expo in Milano nutzte das Land das Schaufenster, um seine Agrarprodukte zu präsentieren. Zum Beispiel auch den kaspischen Stör, den Lieferanten des iranischen Kaviars.
Immer noch türkische Konkurrenz
Als Beschaffungsmarkt könnte der Iran interessant werden, geplant sei aber noch nichts, sagt Peter Weber von Bio Familia. Für Emmi ist der Iran als Beschaffungsland von Rohstoffen wie Sultaninen, Haselnüssen oder Mandeln hingegen noch kein Thema. «Wir beziehen diese von den etablierten Beschaffungswegen aus der Türkei», sagt Sprecherin Sibylle Umiker. Man beobachte jedoch genau, wie die Entwicklungen im Absatzmarkt Iran verlaufe. Insbesondere bei jungen Iranern bestehe ein gewisses Potenzial für westliche Lebensmittel und selbstverständlich für Schweizer Produkte, sagt Sibylle Umiker.
Für Milch sieht auch die grösste Molkerei der Welt im Iran Chancen. Fonterra äusserte sich schon früh zur geplanten Aufhebung der Sanktionen und erklärte, Iran sei ein wertvoller Handelspartner und ein wichtiger Markt für Butter. Aber auch der französische Milchkonzern Danone hat mit dem Joint Venture der iranischen Sahar schon ein Bein im Iran. Für viele Unternehmen ist es ein «Zurückkommen». Auch für den französischen Geflügelverarbeiter Doux, der zwischen 1975 und 2010 im Iran geschäftete, sein Engagement jedoch aufgrund der Sanktionen beendete, wie justfood.com schreibt. «Die älteren Kunden kennen uns noch», wird ein Sprecher der Firma zitiert, für Doux sei es nun selbstverständlich, nach Iran zurückzukehren.
Absatz für Lebensmitteltechnologie
Iran als Agrarland hat auch die Kapazität, die Lebensmittel im Land selber zu verarbeiten. Dieser Ansicht sind Technologiefirmen für Lebensmittel. Zum Beispiel der Verpackungstechnologieanbieter SIG Combibloc im deutschen Linnich. Das Unternehmen sei schon seit 12 Jahren vor Ort aktiv, sagt Sprecherin Heike Thevis. 2001 ging SIG mit der Obeikan Investment Gruppe ein Joint Venture ein. Man habe aber festgestellt, dass während den Sanktionen deutlich weniger Milch und Milchprodukte konsumiert wurden, sagt Thevis. Das Unternehmen erwartet künftig eine höhere Investitionsbereitschaft und einen höheren Konsum der Verbraucher. SIG ist gut aufgestellt und zählt unter anderem die grösste Molkerei des Landes, die Iran Dairy Industries Co. mit über 8000 Mitarbeitern und der bekannten Marke «Pegah», zur Kundschaft. Investitionsbereitschaft sieht man bei SIG zudem in der Getränkebranche mit den grossen Unternehmen wie Mihan Dairy, Bel, Marina oder Takdaneh. Schon jetzt deckt SIG 35 Prozent des Marktes der aseptischen Kartonpackungen ab.
Fruchtsaft auf Bucher-Anlagen
Der Verarbeitung der iranischen Apfelernte könnte sich ein Schweizer Technologieunternehmen annehmen. Bucher Emhart Glass hat schon seit Jahrzehnten Geschäftsbeziehungen mit Iran. Diese Division liefert Anlagen zur Herstellung von Glasbehältern. Auch Bucher Unipektin liefert Anlagen und Ersatzteile zur Herstellung von Fruchtsäften in den Iran, vor allem für Äpfel und Granatäpfel, wie Bucher-Sprecherin Vanessa Ölz sagt. Auch bei Bucher sei das Umsatzvolumen im Iran seit 2010 stark geschrumpft und beschränke sich nur noch auf Ersatzteillieferungen. Die Abwicklung der Aufträge sei massiv erschwert. Banken hätten den Geldtransfer mit dem Iran eingestellt, somit hätten grössere Projekte gar nicht mehr ausgeführt werden können oder seien jahrelang verschoben worden, sagt Ölz. In der jetzigen Situation mit den wegfallenden Sanktionen sei der Iran ein wichtiger, geografisch gut gelegener Wachstumsmarkt mit grossem Nachholbedarf. Dabei würden neue Unternehmen meistens über indirekte staatliche Unterstützung investieren, indem die Staatsbanken zu günstigen Konditionen Kredite zur Verfügungen stellen.
Bühler Vertretung in Teheran
Der Weltkonzern Bühler Uzwil führt schon seit dem Jahr 1976, als noch Schah Pahlavi am Ruder war, eine Niederlassung in Teheran und ein Produktionswerk in Astara. «Es war eine schwierige Zeit», sagt CEO Calvin Grieder zu der Zeit der Sanktionen. Das Geschäft wurde entsprechend zurückgefahren und Bühler war nur noch für das Inlandbusiness operativ. Doch die 310 Kunden, vor allem aus der Müllereiindustrie, seien froh gewesen, dass wenigstens die minimalen Arbeiten gemacht werden konnten. Doch auch für diese musste angesichts der gewaltigen Währungsvolatilität – der Rial verlor gegenüber auländischen Devisen in zwei Wochen mehr als 40 Prozent an Wert – ein gewaltiger Mehraufwand betrieben werden. «So wurde zum Beispiel eine gigantische Excel-Tabelle aufgebaut, in der die Produkte in ihre wichtigsten Einzelteile mit Importländern und Währungen zerlegt waren.» Täglich wurde diese Liste aktualisiert, um den Kunden die jeweils gültigen, an die Hyperinflation angepassten Preise durchgeben zu können. Das Wichtigste war, dass die Finanzierung sichergestellt werden konnte. So eröffnete Bühler Teheran Konti bei chinesischen Banken und fakturierte auch in der chinesischen Währung Renminbi. Zudem mussten die Banken jeweils ein Beglaubigungsschreiben, einen «Letter of Credit», ausstellen. Ohne diesen gebe es von der Bank keinen Kredit für den Kauf von Maschinen, wie Maral Heshmati von Bühler Teheran im Geschäftsbericht erklärt. CEO Grieder betont: «Wir haben uns immer an alle Regeln der internationalen Sanktionen gehalten.» Nun aber erwartet er, dass das Geschäft nun umso mehr anziehen werde und die Fabrik mit 200 Mitarbeitern bald ausgebaut werden könne.
Vorsprung für China
Der Marktaufbau wird aber nicht für jede Firma ein Spaziergang. Denn im Iran stösst man rasch auf einen mächtigen Konkurrenten: China. Die Unternehmen in China waren nie an Sanktionen gebunden und konnten jahrelang liefern. «Jetzt müssen iranische Unternehmen und Financiers zuerst das Geld aus dem Ölexport nach China loswerden», schreibt der Kreditversicherers Euler Hermes in seiner Studie. Die Ölexporte wurden in Renminbi beglichen. Gerade bei den Währungen herrsche ein Chaos, denn es würden die Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungen fehlen. Erfahrungsgemäss werde bei Sanktionen der Finanzdienstleistungssektor zuletzt gelockert. Geldverkehr werde von den USA drastisch geahndet, darum würden alle auf die Amerikaner warten, schreibt Subran in der Studie. Zudem müsse besonders bei Konsumgütern eine weitreichende Distribution aufgebaut werden. Im weitverzweigten Netz des iranischen Handels, wo ein grosser Teil der Güter auf Bazaren verkauft wird, braucht es für ein Produkt eine grosse Markenbekanntheit. Und oft würden international bekannte Konsumgüter auch einfach gefälscht. So seien nach Angaben vom online-Magazin just-food.com, viele Nestlé-Produkte «Fakes». Das Produkt Kit Kat etwa, das oft angeboten werde, habe nichts mit dem Schweizer Konzern zu tun.
hanspeter.schneider@rubmedia.ch