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TTIP: «Es drohen Wettbewerbsnachteile»

Mit den Folgen von TTIP für die Schweizer Lebensmittelbranche befasst sich ein Anlass der Kerngruppe Qualitätsstrategie vom 8. April. alimenta hat bei Charlotte Sieber-Gasser vom World Trade Institute nachgefragt.

Dr. Charlotte Sieber-Gasser vom World Trade Institute. Bild: zVg)

alimenta: Frau Sieber-Gasser, die EU und die USA verhandeln seit 2013 über das TTIP-Abkommen. Dagegen gibt es zum Teil auch Widerstand. Besteht die Möglichkeit, dass TTIP gar nicht zum Abschluss kommt?
Dr. Charlotte Sieber: Die USA und die EU haben sich ein ehrgeiziges Ziel für die Verhandlungen gesetzt und solche Abkommen müssen bis zur Ratifikation viele Hürden nehmen, was natürlich auch das Risiko des Scheiterns erhöht. Verschiedene Gründe sprechen allerdings dafür, dass ein Scheitern eher unwahrscheinlich ist. So bietet TTIP die einmalige Gelegenheit, dass die USA und die EU die zukünftigen Regeln im Weltmarkt weitgehend selber festlegen. TTIP kann stark richtungsweisend sein. Und dass die Partnerstaaten der TPP (Transpazifische Partnerschaft) das fertig verhandelte Vertragswerk am 4. Februar 2016 unterzeichnen konnten, erhöht durchaus den Druck, bei TTIP ebenfalls eine Einigung zu finden.

TTIP kann stark richtungsweisend sein.

Was wird der Abschluss von TTIP für die Schweizer Lebensmittelwirtschaft bedeuten?
Die Verhandlungen laufen noch und es ist wenig bekannt zu deren Inhalt. Es ist aber wahrscheinlich, ausgehend von den jüngsten Abkommen wie TPP oder CETA, dass die Zölle auf Lebensmittel weitgehend abgeschafft und die Kontingente gegenüber den TTIP-Partnern erhöht werden. Falls die Schweiz nicht an TTIP teilnimmt, bedeutet dies einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Produkten aus der EU im amerikanischen Markt in der Höhe der Zölle sowie der Kontingente. Es bedeutet aber auch einen Wettbewerbsnachteil im EU-Markt in denjenigen Sparten, welche über die bestehenden Abkommen mit der EU nicht gut abgesichert sind. Bisher ist primär der Käsefreihandel abgesichert, während Exporte in anderen Branchen weiterhin nicht vollständig diskriminierungsbefreit sind.
Was muss der Bund nach dem Abschluss von TTIP sinnvollerweise tun?

«Sinnvollerweise muss der Bund bereits jetzt auf TTIP reagieren»

Das tut er im Übrigen auch tut. Ein Andocken an TTIP wird als mögliche Option diskutiert. Dieses Szenario beinhaltet Verhandlungen und allenfalls eine Volksabstimmung und setzt Schweizer Unternehmen möglicherweise gut drei Jahre den Wettbewerbsnachteilen von TTIP aus. Das ist also komplex und muss bereits heute vorgespurt werden.
Natürlich kann die Schweiz auch nicht bei TTIP mitmachen und Wettbewerbsnachteile über andere Massnahmen angehen – über gegenseitige Anerkennung von Standards, autonomen Nachvollzug, bilaterale Verhandlungen mit den USA oder andere Massnahmen. Das mag allenfalls einzelne Unternehmen zu einer Neuorientierung zwingen. In einem solchen Fall muss sich der Bund Gedanken dazu machen, wie man mit einem Verlust an Arbeitsplätzen und mit Export-Einbussen umgehen will. Sicher wichtig bleiben die Abkommen mit der EU. Diese helfen in jedem Fall mögliche Wettbewerbsnachteile aus TTIP zumindest im EU-Markt zu lindern.
redaktion@alimentaonline.ch

 

TTIP und die Schweiz
Erstmals umfassende Informationen zum TTIP bietet die Veranstaltung «TTIP und die Schweiz» die am 8. April 2016 von 13 bis 15.45 Uhr an der Universität Bern stattfindet. Organisiert wird der Anlass von der Kerngruppe Qualitätsstrategie.
Referenten sind:
■ Dr. iur. Elisabeth Bürgi Bonanomi, Dozentin für Nachhaltigkeist-Völkerrecht, am Centre for Development and Environment, Universität Bern.
■ Dr. Charlotte Sieber-Gasser, Wirtschaftsvölkerrechtlerin am World Trade Institute, Universität Bern.
■ Dr. Bernd Diekmann, Referatsleiter «Aussenwirtschaftspolitik, Nordamerika, G8/G20, OECD» beim deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
Mehr Informationen finden sich auf der Webseite www.qualitaetsstrategie.ch