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Schweizer Bäcker brauchen mehr Selbstvertrauen

Bezüglich Marken und der Vermarktung von Spezialitäten ist der Schweizer Brotmarkt schlecht entwickelt. Am Backforum der Vereinigung der Backbranche VdB vom 7. März 2016 wurde für mehr Mut plädiert.

von Guido Böhler

Bäckereiberater Günther Behringer am VdB-Backforum.

In der Schweiz gibt es offiziell 200 Brotsorten, aber heute sind es wohl wesentlich mehr, weil regelmässig neue auf den Markt kommen. Die einzige im Ausland bekannte Gourmetbrotsorte ist der Butterzopf, der aber traditionellerweise auch in Süddeutschland und Österreich hergestellt wird. Unseren Nachbarländern gelang es besser, ihre beliebtesten Brotsorten international bekannt zu machen, man denke an Baguette, Brioche und Croissants aus Frankreich, Brezeln aus Bayern und Foccacia und Ciabatta aus Italien. Im Ausland wird die Brotkompetenz der Schweiz nicht wahrgenommen – zu Unrecht. Gewerbliche und industrielle Schweizer Bäckereien produzieren Spitzenqualität.

Kein Platz für Backdiscounter

Günther Behringer, bis 2015 Präsident der Vereinigung der Backbranche in Deutschland, verglich an der VdB-Tagung vom 7. März die Schweizer Backwarenbranche mit derjenigen in Deutschland und Österreich. Sie ist mit gewerblichen und industriellen Herstellern sowie mit TK-Herstellern und mit den Aufbackstationen in den Läden ähnlich strukturiert. Allerdings gibt es hierzulande kaum Backdiscounter. «Die dominante Kraft in Europa ist der backende Handel», sagte Behringer: Aldi, Lidl, Migros, Coop, Rewe, Edeka und Spar fertigen in ihren Läden teilgebackene Produkte und stellen sie ofenwarm ins Regal. «Und Coop sowie Migros decken alle Produktearten ab, ihre Brote sind günstiger als jene der gewerblichen Bäckereien. Eine Besonderheit der Schweiz sind gekühlte Backwaren, Pizzen und Teige. TK-Backwaren werden weiter zulegen mit einem höheren Anteil von teilgebackenen».
Zwei Schwachstellen ortet Behringer: Schweizer haben Mühe mit der Marken-Generierung. Ausnahmen bei Markenbroten sind das Pain Paillasse, allgemein bei Backwaren die Marke Betty Bossi und seit Kurzem das vorverpackte Happy Brot der Migros mit verlängerter Frischhaltung. Die Schweiz importiert auch Frischbackwaren, so vor allem Toastbrote von Ölz. Eine Chance für gewerbliche Bäckereien sieht der Experte bei Aldi und Lidl, die «weiter wachsen werden und regional einkaufen». Und zu guter Letzt: «Die Schweizer Backbranche soll ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen.» Ein Beispiel für eine herausragende Schweizer Leistung sei notabene die TK-Teiglingtechnologie, deren Fundament von Fredy Hiestand stammt.

Trotzdem hart umkämpfter Markt

Auch der SBC-Direktor Beat Kläy analysierte in seinem Referat den Markt, der im Umbruch sei: «Zwei Drittel des Frischbackwaren-Absatzes erfolgen über Grossverteiler oder alternative Kanäle. Der Markt ist umkämpft, die Produkte sind 7 Tage und 24 Stunden verfügbar.» Der Konsument verlange permanent ein volles und frisches Sortiment, wobei er frisch mit warm gleichsetze. Das Gewerbe positioniere sich mit einer Qualitätsstrategie, verwende regionale Rohstoffe, produziere täglich mehrmals frisch vor Ort, habe über kurze Vertriebswege und pflege den persönlichen Bedienungs- und Beratungsverkauf. «Aber der Konzentrationsprozess schreitet weiter voran, die Betriebe werden grösser».
Als bedrohlich sieht Kläy Importe und Lifestyletrends wie «Low carb» und glutenfreie Produkte. «Durch starke Trendsetter im Buchmarkt und auf Social Media sind sie zu Lifestyletrends geworden, die weit mehr Menschen erreichen als die effektiv betroffenen.» Der Import von Halb- und Fertigprodukten sei in 15 Jahren um das Zweieinhalbfache gestiegen. Dies wegen des Margendrucks in Gastronomie und Hotellerie, aber auch weil bei warmem Brot in Supermarkt-Backstationen Qualitätsunterschiede schwierig festzustellen seien. Diese liegen vor allem in der Frischhaltung: Billigbrote schmecken schon nach kurzer Zeit nicht mehr so attraktiv.

Kompetenzen besser fokussieren

Die Folgen: In den gewerblichen Bäckereien sinken der Umsatz pro Mitarbeiter und der Bruttoerfolg (ausser bei Betrieben mit Cafés), der Cashflow ist generell zu tief (40 Prozent der Betriebe haben schlechte Überlebenschancen) und die Filialisierung nimmt weiter zu (oft Bäckereisterben genannt). Kläy rät den Bäckern, «der Beste zu sein bei mindestens einem Produkt. Ein kleineres Sortiment mit Top-Produkten ist besser als umgekehrt. Nicht die Grösse wird entscheidend sein, sondern die Strategie».
Auch innovative Produkte sind eine bewährte Wettbewerbsstrategie, wobei die Innovationen keine grosse Erfindungshöhe haben müssen, aber einen Kundennutzen, und sei es nur ein emotionaler Mehrwert wie etwa bei den trendigen Chia-Broten.
Industrielle Bäckereien innovieren zum Teil, indem sie bewährte Konzepte der gewerblichen adaptieren wie etwa der stückweise Verkauf von Zopf oder Panettone am Meter, kreative Wähen oder die Imitation des Pain Paillasse, das gemäss dem Lizenzgeber nur handwerklich hergestellt werden darf. Zu einem anderen Teil lancieren sie selbst entwickelte Neuprodukte wie die Jowa ihr Happy Brot. Auch einige gewerbliche Bäckereien innovieren selber, andere kaufen Halbfabrikate-Neuheiten von innovativen Halbfabrikate- oder Mehllieferanten. Beispiele von Brot-Innovationen sind Brote aus Ur-Getreidesorten wie Urdinkel, Emmer oder Einkorn. Und gesundheitsbetonte wie die nahrungsfasern-angereicherten Faserino- und Para-Brote oder seit Kurzem proteinangereicherte Brote.
guido.boehler@rubmedia.ch