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Fleisch-Image im Gegenwind

Die Fleischbranche stört sich an der steigenden Bevormundung beim Essverhalten. Ruedi Hadorn, Direktor des Schweizerischen Fleisch-Fachverbandes SFF, zu diesen und weiteren Herausforderungen der Branche.

von Guido Böhler

SFF-Direktor Ruedi Hadorn vor den Medien.

alimenta: Der SFF wehrt sich gegen die zunehmenden Eingriffsversuche ins Essverhalten der Bevölkerung durch Politik und Behörden, die sich vor allem gegen Fleisch richten. Wo ortet er deren Motive?
Ruedi Hadorn: Bei Tierschutz, Vegetarismus und Nachhaltigkeit, manchmal aber auch bei reinen Profilierungsbedürfnissen. Dies, obwohl die Schweiz im internationalen Vergleich sowohl beim Tierschutz wie auch in Nachhaltigkeitsrankings an vorderster Front ist. Ungesund-Vorurteile gegenüber Fleisch und Fleischprodukten können ebenfalls eine Rolle spielen, obwohl sie angesichts all der positiven Eigenschaften von Fleisch in der Ernährung schlichtweg nicht berechtigt sind.

Welche Massnahmen ergreifen Sie dagegen?
Wir wollen die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, dass beim Fleischgenuss die individuelle Wahlfreiheit im Vordergrund stehen muss. Auch wenn Fleisch wegen der Schlachtung von Tieren wohl das emotionalste Lebensmittel ist, rechtfertigt dies in keiner Art die zunehmenden sperrfeuerartigen Angriffe auf ein Lebensmittel, das anerkanntermassen zu einer ausgewogenen Ernährung gehört, verbunden mit Genuss und viel Lebensfreude.

Die Situation bei der Nachwuchsrekrutierung bleibt prekär. Was bedeutet dies konkret?
Auf die rund 24 000 in der Fleischbranche beschäftigten Personen konnten nur knapp 350 neue Lehrverhältnisse generiert werden, und 200 bis 300 Lehrstellen sind nicht besetzt. Viele Metzgereien finden keinen Nachfolger – wie viele, wird zwar nicht statistisch erfasst, aber ein Indiz ist die Tatsache, dass der SFF bei relativ konstanter AHV-Lohnsumme und in Analogie zu anderen Branchen jedes Jahr 20 bis 30 Mitglieder verliert. Zudem: Bei den 40 grössten SFF-Mitgliedern dürften rund 60 Prozent der Mitarbeitenden, inklusive der Ungelernten, über einen ausländischen Pass verfügen. Die Rate der Branchen-Aussteiger ist jedoch nach meinem Gefühl normal im Branchenvergleich, und es gibt umgekehrt auch eine beträchtliche Zahl Einsteiger.

Was unternimmt der SFF gegen den Nachwuchs-Notstand?
Wir unterstützen die Mitglieder bei der Rekrutierung logistisch mit Infomaterial wie auch finanziell. Dies ist wirksamer als eine nationale Imagekampagne, werden doch die meisten der Lernenden erfahrungsgemäss auf lokaler Ebene für das Fleischmetier gewonnen. Und am 1. Mai 2016 beginnt ein neuer Mitarbeiter beim SFF seine Teilzeittätigkeit als Nachwuchsrekrutierer. Für die höhere Berufsbildung gewähren wir zur Überbrückung allfälliger Liquiditätsengpässe seit kurzem auch zinslose Darlehen.

Der Einkaufstourismus grassiert weiter. Gibt es in der Folge in den Grenzregionen bei uns ein Metzgereisterben?
Die mittleren und grossen Metzgereien dürften nach einem ersten anfänglichen generellen Schub wohl mehr verlieren, da sie einen höheren Anteil an Billigkäufer und eine geringere Kundenbindung als die kleinen haben. Als Gegenstrategie empfehlen wir, noch stärker auf hohe Produktequalität, Innovation und einen Top-Kundenservice zu setzen. Gewerbliche Metzgereien gelangen mit ihren regionalen Spezialitäten vermehrt auch in die Verkaufskanäle der grösseren Detailhändler, während der Preisdruck im Engros- und bei der Ausserhausverpflegung gerade für sie oft zu hoch ist.