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Das Mega-Abkommen und die Schweiz

Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wird kommen, die Frage ist bloss, wann. Die Schweiz wird reagieren müssen, um im internationalen Handel nicht benachteiligt zu sein.

«TTIP und die Schweiz» war das Thema der Veranstaltung vom 8. April in Bern, zu der die Kerngruppe «Qualitätsstrategie Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft» eingeladen hatte. Und das Thema interessiert. Fast 90 Vertreter von Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Konsumentenschutz besuchten den Anlass. «Tod und Teufel in Person» sei in Deutschland für viele die Abkürzung TTIP, sagte Dr. Berend Diekmann, Referatsleiter USA, Kanada, Mexiko im deutschen Bundesministerieum für Wirtschaft. Zum Stichwort TTIP fallen vielen Deutschen hässliche Schlagworte wie Chlorhühner oder Hormonfleisch ein. Genau darum gehe es aber nicht, sagte Diekmann, es sei klar, dass die EU ihre Regeln in diesen Bereichen nicht anpassen wolle. Umgekehrt hätten auch die Amerikaner ihre Ängste, sie seien heikel in Bezug auf Bakterien auf

Äpfeln, Rohmilchkäse oder ähnliche Dinge.
Ein Ziel des TTIP ist es, 97 Prozent der Zolllinien abzuschaffen. Die restlichen 3 Prozent betreffen auf beiden Seiten vor allem landwirtschaftliche Produkte, auf der amerikanischen Seite vor allem Zucker. Die USA drängen vor allem auf den Abbau relativ hoher EU-Zölle, die EU ihrerseits möchte vor allem mit einem SPS-Abkommen strenge phytosanitarische Regeln in den USA abbauen. Sie möchte auch die Anerkennung als einheitlichen Herkunftsmarkt. Bisher gelten für unterschiedliche Herkunftsländer in den USA unterschiedliche Regeln. Beide Parteien sind interessiert am Abbau von technischen Handelshemmnissen wie Normen und Standards. Das Abkommen soll auch eine KMU-Klausel enthalten. Diese sieht vor, dass KMU sich auf speziellen Internetportalen einfach die benötigten Informationen zu Regeln, Standards und Anforderungen beschaffen können. Den oft gehörten Vorwurf, dass TTIP nur multinationalen Firmen hilft, teilt Diekmann nicht. Die angestrebte Vereinheitlichung von Standards werde letztlich auch für KMU im transatlantischen Handel vieles vereinfachen.
Die Schweiz im Abseits?
Für Drittstaaten wie die Schweiz hat das alles, falls TTIP zustandekommt, Vor- und Nachteile. Ein Vorteil sind sogenannte Spillover-Effekte. Die Tatsache, dass in ganz Europa und in den USA gleiche Standards gelten, erleichtert es auch Unternehmern aus der Schweiz, in beide Märkte zu exportieren. Das schiere Gewicht des grössten Wirtschaftraumes der Welt könnte auch dazu führen, dass gemeinsame Standards zu globalen Standards werden. Die Nachteile von TTIP sind klar: Bleibt die Schweiz von einem solchen Abkommen ausgeschlossen, sind ihre Exporteure gegenüber US-Firmen auf dem EU-Markt benachteiligt, und auch gegenüber EU-Firmen auf dem US-Markt. Die auch für die Schweiz wichtige Frage von geografischen Herkunftsangaben wird im TTIP wahrscheinlich ähnlich gelöst wie beim bereits abgeschlossenen Abkommen CETA mit Kanada. Weil die in der EU geschützten Produkte auch in Kanada vollen Schutz geniessen, wären diese auch in den USA geschützt, Schweizer GUB- und GGA-Produkte allerdings nicht. Ebenfalls wichtig wird sein, wie streng in dem Abkommen Ursprungsregeln für Rohstoffe gestaltet werden, ob also Schweizer Rohstoffe oder Halbfabrikate auch Bestandteile von Produkten sein können, die von TTIP profitieren.
Am besten wäre Andocken
Dr. Charlotte Sieber-Gasser vom World Trade Institute sagte, das Stocken der WTO-Verhandlungen habe in den letzten Jahren dazu geführt, dass Mega-Abkommen zwischen Handelsblöcken aufgegleist wurden, bei denen die Schweiz aussen vor bleibe. Das sei eine schlechte Entwicklung, insbesondere weil die EU und die USA die beiden wichtigsten Handelspartner der Schweiz seien. Sieber erläuterte, welche Möglichkeiten die Schweiz hat, auf TTIP zu reagieren. Die aus volkswirtschaftlicher Sicht beste Lösung wäre ein Andocken, also ein Mitmachen der Schweiz bei TTIP. Damit müsste die Schweiz im Wesentlichen TTIP übernehmen, nachverhandeln könnte sie über einzelne, besonders sensitive Bereiche wie die Landwirtschaft. Zeitlich gäbe es eine Verzögerung von mindestens drei Jahren zwischen dem Inkrafttreten in der EU und den USA und dem Inkrafttreten in der Schweiz, weil wahrscheinlich ein Referendum ergriffen würde und ein Volksentscheid folgen müsste. Andere Varianten wären die gegenseitige Anerkennung von Standards in wichtigen Sektoren, ein Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR oder bilaterale Freihandelabkommen mit der EU und den USA. Eine Studie des World Trade Institute geht im Worst Case («Die Schweiz macht gar nichts») für das Jahr 2030 von einem BIP-Verlust von 4 Milliarden Franken aus, und für das beste Szenario («Die Schweiz dockt an») von einem BIP-Gewinn von 28 Milliarden Franken.
Demokratie und Nachhaltigkeit kommen zu kurz
Einen etwas kritischeren Blickwinkel brachte Dr. Elisabeth Bürgi Bonanomi ins Spiel. Im TTIP-Abkommen würden ökologische, tierschützerische und soziale Aspekte voraussichtlich zu kurz kommen, sagte sie. In den Entwürfen sei zwar ein Nachhaltigkeitskapitel vorgesehen, aber dessen Gewicht sei noch völlig unklar. Auch das «Vorsorgeprinzip», das in der EU gelte, kenne man in den USA nicht, dieses sei eventuell gefährdet. Und die Kontrolle der Wertschöpfungskette «from farm to fork» gebe es in den USA auch nicht, dort gelte ein «end product approach», bei dem nur das Endprodukt kontrolliert werde. Im TTIP ist ein Regulatory Cooperation Body vorgesehen, ein Gremium, das über gemeinsame Regeln und Standards beraten soll. Dieses wird einen gewissen Einfluss haben, Kritiker befürchten einen Souveränitätsverlust in den USA und in den EU-Ländern. Die Frage sei, welche Interessenvertreter hier Einfluss nähmen und wie es mit der demokratischen Legitimation aussehe. Die Frage sei insgesamt ob TTIP eine Art «race to the bottom» sein werde, also eine Entwicklung in Richtung immer tiefere Anforderungen, oder ein «race to the top». roland.wyss@rubmedia.ch

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