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Friede, Freude, Schweizer Kreuz?

Vier Monate vor Inkrafttreten der Swissness-Gesetzgebung raufen sich Bauern, Verarbeiter und Konsumentenvertreter zusammen. Damit herrscht Burgfrieden für zwei Jahre. Grund für Streit gibts noch genug.

Muss in ein Schweizer Fondue auch Schweizer Wein? Nein, sagt die Industrie und will eine Ausnahme­regelung für Industriewein.

Der Schweizerische Verband der Ingenieur-Agronomen und Lebensmittelingenieure SVIAL lud am 30. August zum «Swissness Event» an die Universität Bern ein. SVIAL-Präsident Peter Braun sagte einleitend, man wolle mit dem Anlass den Dialog zwischen allen Beteiligten führen und den politschen Schlagabtausch beiseite lassen. Und tatsächlich war von den Gehässigkeiten, die in den vergangenen Jahren vor allem zwischen Bauernvertretern und Lebensmittelindustrie ausgetauscht wurden, praktisch nichts mehr zu hören. Der Grund dafür ist einfach: Die grosse Mehrheit, rund 90 Prozent der knapp 80 Ausnahmeregelungen, die von der Industrie gefordert und von den betroffenen Branchenorganisationen abgesegnet wurden, wird wohl genehmigt werden. Dabei geht es um sehr Produkte: zum Beispiel Industriehonig, Industriewein für Fondue und für Essig, Hochproteinweizen, Eiweiss-, Eigelb- und Volleipulver, Lactose, verschiedenste Formulierungen von Molken- und Molkenproteinpulver, Karamellzuckerpulver, Weizenkeime, Weizenstärke, Weizenfasern, Weizengluten, verschiedene Fruchtpürees und -zubereitungen, Waffeln für Glacé, Käsepulver, Gewürzgurken, Fructose, Bioweizen, Bioweisszucker, NOP-Milchprodukte, weisse Bohnen oder Kartoffelstärke. In den meisten Fällen handelt es sich um Zutaten und Halbfabrikate, die in der Schweiz nicht oder in ungenügender Menge oder Qualität produziert werden, und nicht um Naturprodukte, wie es in Artikel 8 und 9 der Verordnung über die Verwendung von Herkunftsangaben für Lebensmittel (HasLV) steht, die per 1. Januar in Kraft gesetzt wird. «Das zeigt, wie weit weg die Vorstellungen, dass man nur Regeln für alle Produkte vom Feld finden muss, von der wirtschaftlichen Realität sind», sagt Urs Furrer, Co-Geschäftsführer der Fial. Auch Ethanol, Saccharose, Glucose und Maltodextrin sind keine Naturprodukte, sie stehen aber auf der Liste der «Naturprodukte», deren Selbstversorgungsgrad unter 5 Prozent beträgt und die deshalb für die Berechnung eines Mindest-Rohstoffanteils nicht relevant sind. Im Sommer hat sich die Koordinationsgruppe Qualitätsausnahmen, in der Landwirtschaft, Konsumentenschutzorganisationen und Lebensmittelindustrie vertreten sind, mit diesen Ausnahmeregelungen befasst und die meisten zur Annahme empfohlen. Gestützt darauf wird auch das Bundesamt für Landwirtschaft BLW seine Empfehlung abgeben. Der definitive Entscheid liegt – nach einer Ämterkonsultation – im November beim Wirtschaftsdepartement WBF. Die Zeit ist knapp, und das BLW hat seine Empfehlung den Branchen inzwischen bereits mitgeteilt. Die Ausnahmebewilligungen werden für zwei Jahre gelten.

Pragmatische Umsetzung
Patrik Aebi vom Bundesamt für Landwirtschaft zeigte in Bern Verständnis für die Anliegen der Industrie. «Man muss verstehen, dass die Industrie hier vor einer Herausforderung steht und gewisser Hilfestellung bedarf», sagte er. Martin Rufer, Leiter des Departements Produktion, Märkte und Ökologie beim Schweizer Bauernverband, zeigte auch gewisses Verständnis, betonte aber, man wolle beispielsweise beim Biozucker prüfen, ob nicht künftig eine Schweizer Produktion möglich wäre. Urs Furrer, Co-Geschäftsführer der Föderation schweizerischer Nahrungsmittel-Industrien Fial, wies darauf hin, dass es in der Verordnung aus Sicht der Industrie noch problematische Punkte gibt. Es sei beispielsweise nicht verständlich, dass Schweizer Fleisch in einer Lasagne zwar ausgelobt werden könne, obwohl das Gesamtprodukt die Swissness-Bedingungen nicht erfülle, Schweizer Kräuter in einem Bonbon jedoch nicht. Diese Kräuter seien für den Geschmack des Bonbons entscheidend, auch wenn sie weniger als drei Prozent des Gewichtes ausmachten. Um diese Punkte zu ändern, visiert man beim Fial bereits eine Verordnungsrevision nach zwei Jahren an. Für die Stiftung für Konsumentenschutz SKS ist klar, dass die Ausnahmegesuche in zwei Jahren strenger beurteilt werden müssen. «Man hat die Gesuche nun recht grosszügig beurteilt», sagt Josianne Walpen von der SKS, die auch in der Koordinationsgruppe war. Industrie und Landwirtschaft hätten nun zwei Jahre Zeit. Sie erwarte, dass danach deutlich weniger Ausnahmen nötig sein würden. Bei Zutaten wie Fruchtzubereitungen etwa sei es schwierig zu verstehen, weshalb diese nicht in der Schweiz produziert werden können, sagt Walpen. Martin Rufer vom Bauernverband sagt, entscheidend sei nicht die Zahl der Gesuche, sondern die Relevanz der Produkte. Beim Biozucker, der als Ausnahme genehmigt werden soll, wolle man nun gemeinsam mit Bio Suisse und mit der IG Bio prüfen, ob es Möglichkeiten gebe, eine Produktion wieder zu etablieren. Auch bei Speziallaktose sei eventuell etwas möglich. Es gelte nun in den nächsten zwei Jahren zu beobachten, ob gewisse Verarbeiter gezielt Schweizer Rohstoffe durch Rohstoffe auf der Ausnahmeliste ersetzen, etwa dass Flüssigei durch Eipulver ersetzt werde. «Ohne Not wird kein Hersteller die Rezeptur ändern», sagt Fial-Co-Geschäftsführer Urs Furrer dazu. Und ob es in zwei Jahren weniger Ausnahmen brauche, werde letztlich der Markt entscheiden. Es hänge davon ab, ob Schweizer Firmen Chancen sähen, Produkte auf der Ausnahmeliste gewinnbringend anzubieten.
Kein Kreuz für Teigwaren ohne Eier
Grundsätzliche Kritik an der Swissness-Gesetzgebung kam in Bern auch - von Beat Grüter, dem Geschäftsführer des Teigwarenherstellers Pasta Premium. Bei der Landwirtschaft werde alles automatisch als Swissness taxiert, wetterte er, dabei würden Junghennen, Setzlinge, Futtermittel und vieles weitere importiert. Seine Teigwaren hingegen könne er nur ausloben, wenn Schweizer Eier darin seien, obwohl der Hartweizen in der Schweiz gemahlen werde. Auch das Beispiel der Kräuterbonbons sei störend, die Grenze von drei Prozent für Bagatellzutaten sei willkürlich und problematisch. Das Thema Swissness werde hier vergewaltigt, das Ganze sei «Wischi-Waschi im Quadrat». Auf den Vorwurf, dass Swissness nun bei der Industrie strenger angewendet werde als bei der Landwirtschaft, wurde im Plenum nicht mehr eingegangen. Rufer vom Bauernverband sagte nur, man habe nun eine Kompromisslösung erarbeitet und der Grundsatzentscheid, dass Rohstoffe für die Swissness ein bestimmender Faktor sein sollten, sei schon 2009 gefallen. Hinter vorgehaltener Hand war zu auch hören, die Landwirtschaft habe hier einfach besser lobbyiert. Zuständig für die Kontrolle der Swissness werden die Kantonschemiker sein. Diese haben schon mehrfach ihren Unwillen signalisiert, mit ohnehin knappen Ressourcen Produkte auf ihre Swissness hin zu prüfen. Aebi vom BLW sagte, den Kantonschemikern gehe es auch bei der Swissness vor allem um den Täuschungsschutz, die Prozentrechnereien um Rohstoffe und Zutaten würden sie wohl nicht nachvollziehen wollen. roland.wyss@rubmedia.ch

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