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Ein Rohstoff voller Möglichkeiten

Kaffeemehl aus getrockneten Kaffeekirschen wurde bisher sträflich vernachlässigt. Dabei ist es ein nährstoffreicher und geschmacklich interessanter Rohstoff, der gut zu aktuellen Ernährungstrends passt.

Es ist kaum zu glauben: Von einer Kaffeekirsche werden bis heute nur 20 Prozent verwendet, nämlich die Kaffeebohne, die geröstet und gemahlen wird. Der ganze Rest, also 80 Prozent einer Kaffeekirsche, ist Abfall und wird verbrannt oder verrottet auf den Feldern – und das, obwohl das Material voller Nährstoffe ist. Zwei Schweizer wollen dies ändern: Markus Schreiber und Philipp Wicki. Schreiber, Inhaber und Chef des Ostschweizer Spezialitätenhändlers Primerofood, ist vor einiger Zeit darauf gestossen, dass hier ein interessanter Rohstoff brachliegt, und gemeinsam mit Wicki hat er sich an die Arbeit gemacht.

«Es hat uns sofort gepackt»
sagt Wicki, der wie Schreiber Erfahrung mit Projekten der Primärproduktion in Mittel- und Südamerika hat. Dort, in Nicaragua und Brasilien, begannen die beiden ihre Pläne umzusetzen. Ein ausländischer Technologiepartner kümmerte sich um die Erarbeitung der Trocknungs- und Vermahlungstechnik und meldete die entsprechenden Patente an. So wird jetzt in Nicaragua und Brasilien aus getrockneten Kaffeekirschen Kaffeemehl hergestellt, seit eineinhalb Monaten ist das Produkt erhältlich. Schreiber und Wicki kümmern sich darum, das Produkt mit all seinen Verwendungsmöglichkeiten voranzubringen und bekannt zu machen. Zum Beispiel die hohen Nährwerte.
«Diese hohen Werte waren auch für uns eine Überraschung»
sagt Wicki. Kaffeemehl enthält mehr Eisen als frischer Spinat, mehr Fasern als Vollkornmehl, mehr Antioxidantien als Granatapfel und mehr Proteine als Grünkohl. Wicki sieht auch eine Chance, dass Kaffeepflanzer so ihr Einkommen aufbessern können und dass mit dem zusätzlichen Wirtschaftszweig neue Jobs und neues Wachstum in den Produktionsländern entstehen. Und nicht zuletzt, sagt Wicki, sei es ein Beitrag gegen Food Waste, wenn Kaffeekirschen nicht mehr verrotten, sondern verwertet werden. Fruchtig, süsslich Kaffeemehl ist glutenfrei, natürlich vegan, gentechfrei und passt damit auch bestens in aktuelle Ernährungstrends. Und es ist süsslich, enthält aber wenig Zucker. Geschmacklich erinnert Kaffeemehl nicht an Kaffee, es liefert eher fruchtige Aromen, Blumen- und Zitrusnoten. Aber auch Röstaromen, obwohl kein Röstprozess stattfindet. Wicki erklärt: «Durch die hohe Anzahl an Antioxidantien in der Frucht haben wir Röstarome bereits im Grundprodukt enthalten. Beim Trocknungsprozess intensiviert sich dies noch durch eine Konzentration des Geschmacks.» Der Geschmack hängt ab von den Kaffeesorten. Wicki kann sich vorstellen, dass mit neuen Anbaugebieten auch neue Geschmacksnoten dazu kommen. Vorerst gehe es aber darum, ein geschmacklich konstantes Produkt zu liefern, um die konkreten Verwendungszwecke zu prüfen. Und deren gebe es viele, sagt Wicki. In Schokolade zum Beispiel kann die bittere Kakaonote überdeckt werden, wenn ein Teil des Kakaos mit Kaffeemehl ersetzt wird. Bei süssen Backwaren liefert das Mehl neue Aromen und einen Teil der Süsse. Es hat auch eine leicht färbende Funktion – am ehesten wie Caramel – und bindet auch Feuchtigkeit und macht Produkte so länger haltbar. Kaffeemehl gibt auch Schokolade und glutenfreien Produkten Struktur und kann als natürliches Verdickungsmittel und als natürlicher Binder verwendet werden. In der Getränkeindustrie sieht Wicki auch Anwendungen als natürlicher Süssstoff und für die Produktion von koffeinhaltigen Getränken. Denn Kaffeemehl enthält immer auch etwas Koffein, pro Kilogramm rund halb so viel wie bei gemahlenem Kaffee. Laut Wicki wird auch schon an der Herstellung von koffeinfreiem Kaffeemehl geforscht, das dauere allerdings noch etwas länger. Mit Kaffeemehl produziert wurden auch schon Teigwaren, Pizzateig, Cracker und Chips. Ein grosses Potenzial sieht Wicki bei den Backwaren. Im Bereich Früchstückscerealien arbeite man mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ZHAW in Wädenswil zusammen, um die Verwendungen zu testen, auch mit der Fachschule Richemont sei man im Kontakt. Annette Bongartz von der Fachstelle Sensorik der ZHAW, sagt, das Ziel sei, dass Kaffeemehl im Zusammenhang mit Rezepturanpassungen für zuckerreduezierte Frühstückscerealien verwendet werden könne. die Voraussetzung dafür sei, dass man den Zuschlag in einer Projektausschreibung erhalte und dass die Vorversuche positiv ausfallen.Auch mit der Hochschule für Agrar-, Forst-, und Lebensmittelwissenschaft HAFL in Zollikofen ist man laut Wicki daran, die technologischen Eigenschaften genauer zu untersuchen.
«Man sollte Kaffeemehl nicht einfach als Mehlersatz betrachten»
sagt Wicki. Vielmehr gehe es darum, offen zu sein und alles Mögliche auszuprobieren. Er ist überzeugt, dass noch viele Anwendungsmöglichkeiten entstehen werden, die heute noch gar nicht bekannt sind. Potenzial rund um die Welt In den USA bereits realisiert wurde auch Schokolade mit Kakaomehl. In Europa, auch in der Schweiz, ist Schokolade lebensmittelrechtlich mit den erlaubten Zutaten umschrieben. Eine Schokoladentafel mit Kaffeemehl dürfte nicht unter der Bezeichnung Schokolade verkauft werden, weshalb Wicki und Schreiber diese Anwendung auch nicht zu stark puschen. Wicki und Schreiber sind auch schon daran, in weiteren Ländern eine Produktion von Kaffeemehl voranzutreiben. Das Ziel sei, dass überall in der äquatorialen Zone, wo Kaffee angebaut werde, auch eine Kaffeemehlproduktion bestehe, sagt Wicki. Dabei gehe es um eine Menge von drei Milliarden Kilogramm Kaffee, was ungefähr der Grösse des Kakaomarktes entspricht. Kontakt: office@primerofood.com roland.wyss@rubmedia.ch

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