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«Wir müssen neue Segmente erschliessen»

Der tägliche Kampf der Bäcker gegen Discounter fordert Opfer. Jährlich schliessen 70 Bäcker ihr Geschäft. SBC-Direktor Urs Wellauer sieht aber auch Lichtblicke.

Urs Wellauer: «Es muss nicht immer das ganze Produktesortiment fabriziert werden.

alimenta: Sie sind seit einem halben Jahr Direktor der Schweizer Bäcker-Confiseure. Im Vergleich zur vorherigen Tätigkeit als Vizedirektor eigentlich kein grosser Unterschied? Urs Wellauer: Der zusätzlich grosse administrative Aufwand war für mich dennoch überrraschend. Die zeitliche Anforderung mit den umfangreichen Dossiers und die Einsitznahme in verschiedene Gremien ist gewaltig. Der Backwarenmarkt ist hart umkämpft. Nicht nur die Supermärkte, sondern vor allem auch die Discounter backen frische Brote im Laden und werben damit. Der Konsument findet den Weg zum Bäcker immer seltener. Was machen Sie? Früher lag der Umsatz im Vergleich zu den Grossverteilern ungefähr bei 50 Prozent. Heute decken die Grossverteiler und vermehrt auch die Discounter schon zwei Drittel des Marktvolumens ab. Unsere Betriebe müssen sich immer stärker in einem Nischenbereich bewegen. Doch auch dieser ist ziemlich ausgetreten, denn die Grossverteiler und Discounter sind auch in der Nische präsent. Sie fokussieren sich auf den Regionalitätstrend, also das «Nahe» und das «Spüren», woher die Produkte kommen. Preislich können wir sowieso nicht mithalten. Brot wird als Frequenzbringer genutzt. Wenn der Konsument wegen frischem Brot in den Discounter eintritt, so kauft er auch Nonfood-Produkte. Uns muss es aber gelingen, auch neue Segmente zu erschliessen. Wie? Ein Beispiel ist der Gewinner der Bäckerkrone von letztem Jahr. Statt über die Tankstellenshops zu jammern, hat die Konditorei Fleischli gleich selber einen Tankstellenshop übernommen. Klar ist aber auch, dass nicht jeder dazu die notwendigen Mittel hat. Viele Bäcker setzen auf Aufbackgipfeli und andere TK-Backwaren. Ist das der richtige Weg? Nein. Unsere Branche ist auch Abnehmer dieser Backwarenimporte, aber es ist nicht der richtige Weg. Ich gehe davon aus, dass die meisten Bäcker-Confiseure ihre Gipfeli noch selber backen und nicht auf Aufbackprodukte setzen. Klar, die Frage, ob es rentiert, bestimmte Produkte selber zu backen, muss immer gestellt werden. Oft hilft es aber, wenn man sich mit Berufskollegen zusammentut. Wie zum Beispiel? Es muss nicht immer das ganze Produktesegment abgedeckt werden. Nicht jeder Confiseur muss das Brot selber backen. Dieses kann ein Berufskollege liefern, im Gegenzug kann er ja Schokoladeprodukte abnehmen. Dies bringen wir unseren Mitgliedern nahe. Was verlangt der Bäcker von den Müllern? Welche Mehle sollen diese anbieten? Wir brauchen sicher ein gutes backfähiges Mehl mit einem guten Gluteingehalt. In der Mühlenbranche ist der Konzentrationsprozess noch stärker im Gange. Spielt das für den Bäcker keine Rolle? Die Mühlenbranche ist ein Spiegelbild unserer Branche. Es gibt aber Mühlen, die den Trend zu Regionalität voll ausschöpfen. Beispielsweise hat sich nun eine Berner Mühle in Oey-Diemtigen mit Berner Bäcker-Confiseuren zusammengetan. Diese Betriebe backen zu 100 Prozent aus regionalem Berner Mehl. Die Bäcker loben dies aus und haben Erfolg. Der «glutenfreie» Markt wird von den «Grossen» Migros (Huttwil) oder Coop mit Dr. Schär abgedeckt. Wie soll der Bäcker auf den Trend glutenfrei reagieren? Der riesige Hype hat sich aus unserer Sicht schon wieder abgeflacht. Wenn ein Hollywoodstar etwas sagte, reagierte die ganze Welt. Es ist wie bei jedem Trend. Es gibt vielleicht ein Prozent der Bevölkerung mit einer Unverträglichkeit und diejenigen, die bei jedem Trend einfach mitmachen. Die Studien, die besagen, dass eine lange Triebführung den Glutengehalt senkt, kommen uns auf jeden Fall entgegen. Man kann mit noch so vielen Gluten backen, wenn der Teig während 24 Stunden «geführt» wird, ist der Glutengehalt sehr tief. Was verlangen Sie von Bauern bezüglich Weizensorten und welche Qualität wollen Sie? Die Schweiz ist eigentlich gar kein Weizenland. Wir brauchen eine gute Qualität und neue Weizenzüchtungen. Sind die Rohstoffpreise, sprich die Weizenpreise, zu hoch? Nein. Die Rohstoffe beim Brot machen ungefähr 20% des Preises aus. Klar, wenn diese günstiger sind, wird auch die Marge höher. Doch wenn der Rohstoffpreis hoch ist, sind die Produkte auch etwas wert. Wir müssen zu den hohen Rohstoffpreisen stehen, sonst müssen wir dann plötzlich anfangen, an den Löhnen zu schrauben.

«Wir müssen zu den hohen Rohstoffpreisen stehen.»
Bauern sagen, dass die Verarbeiter zu stark auf der Qualität, vor allem beim Protein, herumreiten. Dabei sei Protein beim Backprozess gar nicht so zentral und werde nur verlangt, damit die Bäcker TK-Backwaren einsetzen könnten. Die gewerblichen Bäcker-Confiseure können noch mit unterschiedlichen Mehlqualitäten umgehen. Ihre Aussage betrifft vor allem die Industrie, wo die Teige noch viel fester geführt werden müssen, weil sie sonst gar nicht mehr durch die Anlagen laufen. Bei unseren Betrieben geht der Trend in Richtung lange Triebführung. Bäcker, die ohne Zusatzstoffe backen und dem Teig viel Zeit geben, werden vom Konsumenten geschätzt. Andererseits boomt auch das Geschäft mit Backmischungsanbietern wie Backaldrin oder Agrano. Warum? Man muss sagen, dass auch diese Anbieter die neuen Trends erkannt haben. Das klassische Vorgehen wie früher, wo der Bäcker in die Fertigmischung nur noch das Wasser beigeben musste, ist vorbei. Es kann höchstens eine Anreicherung sein, zum Beispiel mit einem Vitamin oder mit Weizenkeimen. Der Konzentrationsprozess schreitet voran, jährlich schliessen 50 bis 70 Bäckereien. Wie viele Bäckereien gib es heute und wie viele können es in zehn Jahren noch sein? Momentan haben wir noch 1562 Betriebe und knapp 3000 Verkaufsstellen. Im Zuge der Filialisierung nimmt die Anzahl Verkaufsstellen nur ganz minim ab. Wir rechnen damit, dass wir in zehn Jahren noch rund 1100 Mitglieder zählen.
«Wir rechnen damit, in zehn Jahren noch 1100 Mit­glieder zu haben.»
Migros hat die Bäckerei Hug in Luzern übernommen und übernimmt sonst auch immer wieder Unternehmen der Lebensmittelbranche. Dies ist wohl nicht im Sinne des Verbandes? Der Fall, dass Migros die Bäckerei Hug in Luzern übernahm, ist zwar ziemlich einzigartig. Doch generell haben wir zwei Probleme in der Nachfolgelösung: Wir haben viele kleinere Betriebe, wo der Betrieb auch gleich die Pensionskasse des Unternehmers ist. Auf der anderen Seite gibt es die grossen Betriebe, die zwar noch inhabergeführt sind, aber keine Nachfolge haben. Die Nachfolger zu finden, die bereit sind, in solche Unternehmen einzusteigen, ist oft ein schwieriges Unterfangen. Vielfach ist es auch ein Finanzierungsproblem, denn auf die Jungunternehmer kommt in finanzieller Hinsicht sehr viel zu. Hilft der Verband? Man hört immer wieder von Startup-oder Anschub-Finanzierung. Hier müssen wir versuchen, Möglichkeiten anzubieten. Wir versuchen zusammen mit der SBC Treuhand und der Fachschule Richemont zu beraten und möglichst früh bei der Übergabe unterstützend zu wirken. Zusätzlich sind wir in der komfortablen Lage, ein eigenes Sozialversicherungswerk anzubieten. Letztes Jahr ist die Mega-Bäckerei Schafisheim con Coop in Betrieb gegangen und Jowa ist auch stetig am ausbauen. Merken dies die gewerblichen Bäckereien? Nein, nicht direkt. Aber wir merken, dass die beiden im Konkurrenzkampf mit den Discountern stehen und sich dabei in der Werbung überbieten. Diese Händler buhlen mit der Frische des Brotes. Wobei hier einfach warm mit Frisch gleich gesetzt wird. Dabei geht es nur darum, möglichst viele Kunden in den Laden hineinzu­bringen.
«Die Discounter setzen ‹warm› mit ‹frisch› gleich.»
In der Schweiz sind alle gewerblichen traditionellen Lebensmittelbetriebe - Bäcker, Metzger und Käser - unter Druck. Sehen Sie Parallelen bei den Problemen? Gibt es allenfalls auch Zusammenarbeitsmöglichkeiten? Wir suchen auf der politischen Ebene die Zusammenarbeit und gehen branchenübergreifende Aufgabenstellungen, unter anderem mit dem Gewerbeverband an. Zum Beispiel gegen die Überregulierung. Wir sind auch sehr gut vernetzt. Oft sind höhere Preise auch im sogenannten Swiss-Finish, verursacht durch die Überregulierungen, zu suchen und nicht in den Rohstoffpreisen. Ein Beispiel ist die Vorschrift, auf den Produkten die Beschriftung in allen drei Landessprachen zu drucken. Wir kämpfen auch gemeinsam gegen den Einkaufstourismus, was jedoch nicht ganz einfach ist. Denn wir können ja nicht auf der einen Seite gegen Regulierungen sein und andererseits verlangen, dass 500 Zöllner mehr angestellt werden sollen. Weiter unterstützen wir zum Beispiel die Fair-Preis-Initiative oder die Senkung der Wertfreigrenze beim Einkaufstourismus.
«Wir können nicht plötzlich fordern, es sollen 500 Zöllner mehr angestellt werden.»
Chocosuisse lancierte die Kakaoplattform, wo die Nachhaltigkeit von Kakao garantiert werden soll. Der SBC ist Mitglied. Warum? Von NGO kamen praktisch jedes Jahr Anschuldigungen. Mal wurden die Haltungsbedingungen der Legehennen angeprangert, mal die Kinderarbeit beim Kakao für Schoko-Osterhasen. Wir konnten dazu eigentlich gar nichts sagen, wir konnten höchstens unsere Lieferanten fragen, was sie machen. Nun kam Chocosuisse mit dem Anliegen auf uns zu und präsentierte die für uns pfannenfertige Lösung. Wir waren natürlich hocherfreut, das passte genau in unser Konzept. Schlussendlich sind wir abhängig vom Rohstoff Kakao. Jetzt können unsere Mitglieder die Nachhaltigkeit des Kakao sogar ausloben. Warum ist das Seco involviert? Die Schokoladebranche gehört zu den wichtigsgen Wirtschaftszweigen der Schweiz. Zudem kann die Arbeit des Seco zusammen mit dem Privatsektor eine bessere Wirkung entfalten. Anlässlich des Bäcker-Confiseur-Kongresses in Lausanne machte der Waadtländer Staatsrat Philippe Leuba darauf aufmerksam, dass keine Frauen im Vorstand sitzen. Was ändern Sie? Es gibt natürlich die klassische Rollenverteilung: Die Frauen im Laden, die Männer in den politischen Ämtern. Wir hatten nun während eines Jahres ein Vakuum im Vorstand, jetzt haben wir aber mit Maya Fahrni wieder eine kompetente Frau in der Geschäftsleitung. hanspeter.schneider@rubmedia.ch

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