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Räuchern und Raucharoma

Räuchern diente früher der Haltbarmachung, heute wird Rauch vor allem zur Farb- und Geschmacksgebung eingesetzt. Man kann Produkte räuchern oder Raucharoma direkt zusetzen.

Die Räucherverfahren variieren. So kann man Holzschnitzel verschwelen oder wie beim Reiberauchverfahren Buchenholz gegen ein drehendes Metallrad pressen, wodurch ohne Verbrennung ein tief temperierter Rauch entsteht. Dieser Reiberauch stiftet ein mildes, süssliches Aroma im Gegensatz zum Hackschnitzelrauch und enthält fast kein unerwünschtes Benzpyren. Es kursieren Tipps, welche Holzart zu welchem Produkt passt. Beispielsweise empfiehlt Jamie Purviance, Autor des Buches «Weber's Räuchern» Erle dank ihrem zarten Aroma für Fisch, Apfelholz mit seinem mild-fruchtigen Aroma für Fleisch, Ahorn mit dem mittelstarken süsslichen Aroma für Gemüse, das scharfe Hickory für Käse und das starke fast bittere Mesquite für Rind oder Lamm. Von harzreichen Weichhölzern und Nadelhölzern rät er ab, «da sie einen beissenden oder sogar giftigen Rauch erzeugen». Geräuchert wird im Allgemeinen mit Sägespänen oder -mehl. Jede Räucherei hat eine eigene und optimierte Mischung, die für eine individuelle Geschmacksnote sorgt. Auch Kombinationen aus Hölzern und Gewürzen, Heu oder Kräutern sind üblich. Chemisch komplexes Aroma Rauch ist ein komplexer Mix aus festen Russpartikeln, winzigen Flüssigkeitströpfchen und gasförmigen Stoffen. Insgesamt kennt man 300 solche, darunter aromagebende Phenolverbindungen wie Syringol, das süssliche Maltol oder caramelliges Furan. Diese Substanzen entstehen bei unterschiedlichen Temperaturen. Beider unvollständigen Verbrennung, dem Schwelen, entstehen antimikrobielle Phenole sowie Carbonyle wie Formaldehyd, die Hefen und Schimmel hemmen. Je höher die Temperatur, desto kürzer verbleibt das Lebensmittel im Rauch. Die Haltbarkeit ist jedoch umso besser, je länger man bei niedriger Rauchtemperatur räuchert, da kalter Rauch besser und tiefer ins Produkt eindringt. Bei der Temperaturführung unterscheidet man zwischen: ■ Kaltrauch (Rauchtemperatur 15 bis 25 °C), z.B. bei Käse, Lachs, Rohessspeck, Rohwurst, Saucisson, Rohschinken ■ Warmrauch (Rauchtemperatur 25 bis 50 °C), z.B. bei Schweinswurst, Frankfurterli ■ Heissrauch (Rauchtemperatur 50 bis 85 °C), z.B. bei Wienerli, Cervelat, Schüblig, gekochtem Schinken, Aal, Makrele Warmrauchprodukte haben Seltenheitswert, aber es gibt sie: Valperca, ein Fischzuchtbetrieb in Raron VS, produziert Egli und lancierte kürzlich bei 48 Grad warmgeräucherte Eglifilets unter der Marke «LA PERCHE LOË». Die Fleischkonsistenz entspricht einem rohen Fisch, das Raucharoma ist sehr dezent und die Oberfläche leicht angetrocknet. Das Produkt besitzt Gourmetpotenzial. Vielfalt an Aromastoffen Je weniger Luftsauerstoff beim Räuchern zugeführt wird, desto grösser ist die Vielfalt an organischen Verbindungen gemäss dem Institut für Holzchemie der Uni Hamburg. Nahezu alle Stoffarten, welche die Lebensmittelchemie zu bieten hat, entstehen bei diesem Prozess. Wichtige Inhaltsstoffe des Rauches sind aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Phenole, organische Säuren, Alkohole, Ketone, Ester und Carbonylverbindungen. Das typische Raucharoma besteht überwiegend aus Phenolen und Terpenkohlenwasserstoffen sowie deren Derivate. Auch Carbonsäuren wie Ameisensäure und Essigsäure tragen zu diesem sogenannten Prozess-Aroma bei. Für die Farbe sind Carbonylverbindungen und vor allem Stickstoff-Heterocyclen verantwortlich. Phenole und Carbonyle koagulieren ausserdem das Eiweiss im Fleisch und verbinden die funktionellen Gruppen des Glutamins bzw. des Asparagins. Es kommt zur Quervernetzung der Proteine, was die ledrige Haut beim Fleisch bewirkt. Die konservierenden Eigenschaften sind auf die Phenole und vor allem die Carbonylverbindungen zurückzuführen. Aber praktisch alle erwähnten Verbindungen wirken mehr oder weniger antimikrobiell und tragen so zur Haltbarkeit bei. Die durch Rauch verhärtete Oberfläche des Räuchergutes verhindert zusätzlich, dass Mikroorganismen eindringen. Räuchern ist zwar eines der ältesten Verfahren der Lebensmittelverarbeitung, aber wenn es heute erfunden würde, müsste es als Novelfood eine Unbedenklichkeitsprüfung bestehen und hohe Zulassungshürden überwinden mit unsicherem Ausgang. Denn gesundheitlich bedenkliche Verbindungen darin stehen im Fokus, zum Beispiel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) wie Benzpyren, Benzfluoren und Benzanthrazen, die im Tierversuch mutagene oder kanzerogene Wirkungen besitzen. Generell gilt die Regel: je höher die Rauchtemperatur, desto stärker die Belastung mit PAKs. Einer dieser Stoffe ist das stark krebserregende 3,4-Benz(a)pyren, für das eine Höchstmenge von 1 μg/kg (1 ppb) geräuchertes Fleischerzeugnis gilt. Der traditionelle Rauch wird heute daher aus gesundheitlichen Überlegungen teilweise durch die industrielle Anwendung von standardisierten flüssigen Raucharomen ersetzt. Aber auch der Vorteil der wegfallenden Abluftreinigung kann eine Rolle spielen. Flüssigrauch schützt gemäss dem Institut für Holzchemie vor unkontrollierten unerwünschten Rauchbestandteilen und ist aus toxikologischer Sicht eine interessante Alternative zum klassischen Räuchern. Als Flüssigrauch bezeichnet man Lösungen, die durch Pyrolyse von Holz gewonnen werden: Holz wird unter weitgehendem Ausschluss von Sauerstoff erhitzt, die entstehenden Rauchgase kondensieren in Lösungsmitteln wie Wasser oder pflanzlichen Ölen. Anschliessend raffiniert man das Kondensat durch Extraktion, Destillation, Konzentration, Verdampfung, Absorption oder Membrantrennung. Dadurch entfernt man Teer, Asche und PAKs. Das gereinigte Rauchkonzentrat wird normalerweise «versmokt» das heisst, mit Pressluft in der Atmosphäre einer Kammer feinstverteilt, wo es die darin aufgehängten Produkte an der Oberfläche aufnehmen wie beim Glimmrauchverfahren. Deklaration als Stolperstein Weltweit gibt es nur rund sechs Raucharoma-Produzenten. Einer ist die amerikanische Firma Red Arrow, nach eigenen Angaben Weltmarktführer für gereinigten Rauch (CleanSmoke). Raucharomen im Angebot haben in der Schweiz mehrere Firmen: Josef Koch (Schweiz-Vertreter von Red Arrow), Omya, Cuenin, Pacovis und weitere. Omya offeriert AVO-Produkte wie zum Beispiel Trocken-Aromen für Smokey-BBQ-Glaze oder Ketchup, trockner Hickoryholzrauch für Grillgewürze, Flüssigaromen für Saucen und Dips, Rauchsalz für Marinaden u.v.m. Schweizer Kleinmetzgereien stehen dem regenerierten Rauch als Alternative zu herkömmlichen Räucheranlagen positiv gegenüber. Die Industrie dagegen ist noch vorsichtig, dies wegen der Raucharoma-Deklaration auf den vorverpackten Produkten. Sowohl Flüssigrauch wie auch Trockenkondensat-Zusatz zum Produkt muss in der Schweiz als Raucharoma deklariert werden. In Deutschland dagegen ist bei regeneriertem Rauch auch einfach «Rauch» deklarierbar. Obwohl Flüssigrauch ebenso wie Frischrauch durch Verbrennung von Holz entsteht, darf man Raucharoma in der Schweiz nicht als «natürlich» deklarieren. Die Bezeichnung «geräuchert» dagegen besitzt Tradition und einen Imagevorteil. So ist Flüssigrauch im IGP-Pflichtenheft der Neuenburger Saucisson nicht zugelassen. Auch die Waadtländer Saussicon muss mit «Rauch durch Verbrennen von Sägemehl oder einer Mischung aus unbehandelten Nadel- und Laubgehölzen» hergestellt werden. Raucharoma-Zusatz ist günstiger Die Verwendung von Flüssigrauch ist gemäss dem Institut für Holzchemie der Uni Hamburg wirtschaftlicher als der Betrieb von konventionellen Räucheröfen. Flüssigrauch ist preisgünstiger, darüber hinaus lässt er sich standardisieren. Die industrielle Anwendung von Flüssigrauch erfolgt als Aerosol, über ein Tauchbad oder durch Berieseln. Der Anteil der Schweizer Metzgereien, die regenerierten Rauch statt Raucherzeuger verwenden, schätzt Franz Koch von «Josef Koch» auf rund zehn Prozent. Daneben gehören Käsehändler zu seinen Kunden. In Deutschland verwenden auch Fischverarbeiter Flüssigrauchanlagen, die gemäss Koch «qualitätskonstanter arbeiten als traditionelle Räucheranlagen, und die Konsumenten stellen keinen Qualitätsunterschied dabei fest». Durch spezielle Fraktionen des Flüssig­rauchs lassen sich Farbe und Aroma des Produktes separat steuern und beispielsweise nur Bräunungs­effekte erzielen, so dass etwa ein schwarzgeräucherter Schinken kein aufdringliches Raucharoma besitzt. In den Ursprungsländern des Flüssigrauches, USA und Kanada, gibt es sogar Flüssigraucharomen für den Endverbraucher im Supermarkt. Auch in der Gastronomie hält Räuchern immer mehr Einzug, heute jedoch auch mit Raucharomen. Red Arrow offeriert ein Verfahren, um den Combisteamer für die Aromatisierung mit CleanSmoke zu nutzen. Mit diesem EcoSmoke kann man frisch Geräuchertes auch in kleinen Mengen herstellen. Und der deutsche Küchentechnik-Apparatehersteller Lefa sowie der Rauchanlagehersteller Bastra offerieren Combisteamer, der Fleisch, Wurst oder Fisch räuchern kann mit Flüssigrauch. Dieser wird über eine Düse in geringen Mengen direkt in den Lüfter gesprüht. Gereinigter Rauch ist nachhaltiger Derzeit wird CleanSmoke nur bei etwa zehn Prozent der geräucherten Lebensmittel angewendet. Zwar ist damit bereits eine Reduktion bei den Treibhausgasemissionen um 8 Prozent und beim Energieverbrauch um 7,2 Prozent möglich. Doch es liegt viel mehr drin. «Mit der CleanSmoke-Technologie lassen sich die Umweltbelastungen bei der Fleischproduktion um etwa 55 Prozent gegenüber den klassischen Räucherverfahren senken», sagt Sergiy Smetana vom Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik (DIL). Bei konsequenter Anwendung von CleanSmoke beträgt das Einsparpotenzial an klimarelevanten Treibhausgasen etwa 30 Prozent. Gross ist der Unterschied mit bis zu 90 Prozent beim Wasserverbrauch. Mit den bei der Reinigung der Räuchereien eingesparten 479 000 m3 Wasser liessen sich Grossstädte ein Jahr lang mit Trinkwasser versorgen. «Hinzu kämen noch einmal 350 000 m3 Wasser, die sich innerhalb der Lieferkette einsparen liessen», sagt Smetana. «Und bis zu 600 Millionen kWh Energie würde mit CleanSmoke weniger verbraucht.» Erwähnenswert sind auch die Vorteile von CleanSmoke hinsichtlich des Verbrauchs an Ressourcen wie Holz und fossiler Brennstoffe sowie beim Einsatz von Reinigungsmitteln und Chemikalien. So bliebe der Bevölkerung die Emission von etwa 40 Tonnen Chemikalien erspart. Die positiven Ergebnisse der Ökobilanz des DIL sowie die CleanSmoke-Technologie generell europaweit bekannt zu machen, hat sich die neu gegründete CleanSmoke Coalition (CSC) zum Ziel gesetzt. www.clean-smoke-coalition.eu guido.boehler@rubmedia.ch

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