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Revival der traditionellen Teigreifung

Angesichts zunehmender Unverträglichkeiten gewinnt das traditionelle Know-how auch für die industrielle Bäckerei­praxis wieder an Bedeutung. Die Brote werden auch geschmacklich und optisch attraktiver.

Eine längere Teigreifung ist wieder im Trend, auch in der Industrie. (Bilder: zvg)

Die Entwicklung der standardisierten Bäckereihefe und weiterer Backhilfsmittel veränderte seit dem 19. Jahrhundert die Brotherstellung grundlegend. Erst dies öffnete den Weg für die industrielle Massenproduktion. Wichtig waren «maschinengängige» Teige, welche auf den immer grösseren Produktionsanlagen keine Probleme bereiteten und beim Backvorgang eine optimale Volumenbildung zeigten. Für die Geschmacksbildung und ernährungsphysiologische Qualität der Brote war diese Entwicklung jedoch keineswegs optimal. Auf der Strecke blieb das traditionelle Wissen um die Teigreifung, die so genannte «lange Teigführung». Der polarisierende Gegensatz zwischen «guter Bäckereigewerbe» und «schlechter Industrie» greift dabei zu kurz. Die gute Bäckereipraxis kam zeitweise keineswegs nicht nur in der Industrie, sondern auch in weiten Teilen des Bäckereigewerbes unter Druck. Angesichts steigender Produktionsmengen und grösserer Sortimente nahm der Zwang zu beschleunigten, standardisierten Rezepturen und gut beherrschbaren Abläufen nicht nur in der industriellen Herstellung, sondern auch in kleineren Handwerksbetrieben zu. Der Mangel an Fachkräften wirkte sich zudem in gewerblichen Betrieben mindestens ebenso stark aus wie in der industriellen Herstellung. Unter dem oft selbst auferlegten Zwang, «alles anbieten zu müssen», finden Fertigmischungen und Ausback-Teiglinge längst auch im Bäckereigewerbe Verwendung, zumal sie in erstaunlich guter Qualität angeboten werden. In der Konsequenz sind Teiglinge heute so stark verbreitet, dass die Kundschaft kaum noch zwischen Ausbackstation und effektiver gewerblicher Herstellung vor Ort unterscheiden kann. Rückbesinnung auf Traditionen Für die Bewahrung und Weiterentwicklung des traditionellen handwerklichen Praxiswissens nimmt das «Richemont Kompetenzzentrum für Bäckerei Konditorei Confiserie» in Luzern seit Jahrzehnten die zentrale Rolle ein. Mit Aus- und Weiterbildung sowie Beratung wirkt die Fachschule Richemont auf eine Rückbesinnung im Bäckereigewerbe hin. Andreas Dossenbach, Leiter Qualitätssicherung & Labor, unterstreicht diese Haltung: «In der Teigführung liegen grosse Potenziale! Diese haben eine direkte Auswirkung auf die Sensorik und die Gesundheit. Mit der Art der Teigführung bestimmt der Bäcker die Qualität seines Endproduktes.» Wer die Potenziale der Teigführung gezielt nutze, gewinne in jeder Hinsicht, sagt Dossenbach: «Die Produkte werden optisch attraktiver, geschmacklich intensiver, bleiben länger frisch und wirken sich positiv auf unser Wohlbefinden aus. Lange Teig- und Sauerteigführungen werden wieder aktuell und Backbetriebe besinnen sich wieder zurück zu ihren Wurzeln.» Hilfe bei diffusen Unverträglichkeiten Bei klassischen Gluten-Allergien wie bei der Zöliakie helfen nur die effektiv glutenfreien Brote und Backwaren weiter. Bei diesen von spezialisierten Herstellern in steigender Vielfalt und Qualität hergestellten Sortimenten kommt keinerlei Gluten, das strukturbildende Weizenprotein, zum Einsatz. In den allermeisten Fällen sind die Ursachen für die Unverträglichkeiten jedoch weniger klar ersichtlich. Ausserdem treten diese im Gegensatz zur Zöliakie keineswegs nur bei Weizenbroten auf. Dadurch rückt der Blick auf die Art und Weise der Herstellung und insbesondere der Teigführung verstärkt in den Fokus der Forschung. «Wir verfolgen die Auswirkungen der verschiedenen Teigführungen auf den Gesundheitswert, die Bekömmlichkeit, den Geschmack und die Frischhaltung bei Brot mit Interesse», sagt Andreas Dossenbach. Er verweist auf eine 2016 veröffentlichte Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart, welche den Zusammenhang zwischen der Teigführungsdauer und den Auswirkungen auf das so genannte Reizdarmsyndrom aufzeigt (s. Kasten). Symptome dafür sind Beschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Die verantwortlichen Stoffe, die so genannten FODMAP (Fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole), können durch die Teigführung wesentlich beeinflusst werden. Die für Andreas Dossenbach wichtige Erkenntnis für die Bäckereipraxis: «Werden Teige länger als viereinhalb Stunden unter bestimmten Bedingungen fermentiert (gegärt), kann der FODMAP-Gehalt bis zu neunzig Prozent gesenkt werden.» Lange Teigführung auch in der Industrie Mittlerweile hat das traditionelle Wissen Eingang in die industrielle Bäckereiindustrie gefunden. Generell steigt das Know-how bei der Verarbeitung auch weicherer Teige mit langen Teigführungen. Neue Verfahren und technologischen Entwicklungen verhelfen zu einem besseren Verständnis der Verfahrensprozesse. Dadurch lässt sich der Einsatz von Zusatzstoffen vermeiden oder vermindern, längst über die wachsenden Bio- und weiteren Labelsortimente hinaus. In der neuen Coop-Grossbäckerei in Schafisheim kommen Vorteige, «Hebel» in der traditionellen Bäckersprache, standardmässig auf den Grossanlagen zum Einsatz. Technische Neuentwicklungen erlauben sogar die maschinelle Aufbereitung extrem weicher Teige, etwa für die beliebten Paillasse-Brote. Auf herkömmlichen Anlagen würden solche Teige schlichtweg zu einem Notstopp führen. Monika Weibel, Mediensprecherin Migros-Genossenschafts-Bund, bestätigt auf Nachfrage: Das Umdenken ist auch in den Migros-Bäckereien im Gang. Dies trotz den Herausforderungen für die industrielle Praxis: «Durch den Abbau werden die Teige zunehmend weicher und klebriger. Sie werden für uns dadurch schwerer zu verarbeiten. Für die Konsumentinnen und Konsumenten hat dies aber einen entscheidenden Vorteil: Während dem Abbau entsteht eine Vielzahl an Aromastoffen. Das fertige Brot erhält dadurch ein sehr reiches und intensives Brotaroma.» Bei der Einschätzung der wissenschaftliche Studien zum positiven Einfluss der Teigführung auf den Protein- und Stärkeabbau zeigt sich Monika Weibel vorsichtiger: «Man vermutet, dass dies mit einer besseren Verträglichkeit im Zusammenhang steht. Um eine bessere Verträglichkeit wissenschaftlich zu belegen, wären langfristige Studien mit betroffenen Personen notwendig.» Für die konkrete Praxis warten jedoch auch die Migros-Bäckereien nicht auf den abschliessenden wissenschaftlichen Beweis, wie Monica Weibel betont: «Wir freuen uns aber natürlich, wenn wir mit unseren langgärigen Produkten, betroffenen Personen auch ohne wissenschaftlichen Beweis- bei ihren Beschwerden helfen können.» redaktion@alimentaonline.ch

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