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Die sture Minderheit

Fleisch essen polarisiert. Die Minderheit der Vegetarier wolle allen anderen ihren Stil aufzwingen, hiess es an der SFF-Fleischfachtagung. Von den Metzgern ist mehr Transparenz gefragt.

«Es ist immer die sture Minderheit, die gewinnt». Davon ist David Bosshart überzeugt. Dies sei überall so. Zum Beispiel sei der Anteil der Veganer an der Bevölkerung verschwindend klein, dennoch seien die Medien voll von Themen zu fleischlosem Essen. Oder der Anteil der Muslime in Grossbritannien betrage fünf Prozent, doch der Anteil an Lamm aus Neuseeland, das nach Halal-Regeln geschlachtet werde, sei 70 Prozent, wie der Chef und Zukunftsforscher vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) an der Fleischfachtagung des Schweizerischen Fleischfachverbandes (SFF) ausführte. Die tolerante Mitte der Gesellschaft verliere jeglichen Kampf gegen jene, die bereit seien für ihre Ideen einen verbissenen Kampf zu führen, so Bosshart. Über verbissene Vegetarier ging es an der SFF-Tagung an der Mezgerfachmesse Mefa in Basel. Das Referat von Bosshart stand denn auch unter dem Titel: «Fleisch im Zeitalter von Vegetarismus, Medienhysterie und Werbemüdigkeit». Beim Essen habe es noch nie eine so grosse Angebots- und Vertriebsvielfalt wie heute gegeben, sagte Bosshart. Und dennoch sei der Konsument noch nie so kritisch und skeptisch, euphorisch und engagiert gewesen wie heute, wenn es um Nahrungsmittel gehe. Beim Essen würden Lifestyle, Politik und Ideologie zusammenfliessen – Essen sei inzwischen mehr als Kultur, es sei Kult. Doch der Zukunftsforscher warnte: «Aus Fans werden Fanatiker.» Essen polarisiere genauso wie die gesellschaftliche Polarisierung zugenommen habe. Schreckenszenarien «Konsumenten haben Ängste», sagte Johannes Simons von der Uni Bonn. Und je unkonkreter diese seien, desto stärker würden die Konsumenten Schreckenszenarien entwickeln. Der Detailhandel präsentiere jetzt zur Weihnachtszeit Fleisch wie im Schlaraffenland. Im Laden stelle niemand die Frage nach der Tierhaltung. Der Konsument habe auf der einen Seite Bilder einer Museumslandwirtschaft vor Augen, auf der anderen Seite diejenigen der Massentierhaltung. «Der Deal zwischen Mensch und Tier ist gestört», sagte Simons. Je weiter sich die Verbraucher von der Tierhaltung entfernen, umso weniger würden sie über den Bereich wissen, der sehr emotional diskutiert wird. So würden sich Schreckenszenarien bilden, sagte Simon. Dabei würden auch NGOs mithelfen. Dies erfordere von der Fleischbranche eine gute Kommunikation. Die Deutungshoheit der Tierschutzorganisationen werde aber genährt durch die konkrete Wahrnehmung der Leute. Dort wo Tönnies und Westfleisch ihre Fabriken hätten, und wo man schon auf der Autobahn die Tiertransporte riechen könnte, dort seien die Bilder mächtig. Und: «Die Tierschutzorganisationen arbeiten stark mit Bildern», sagte Simon. Damit verschiebe sich der Vertrauensaufbau stark zu den Peers, den Gleichgesinnten und Menschen, die ähnlich ticken, sagte Bosshart. So hätten traditionelle Anbieter die Deutungshoheit längst über ihre Produkte verloren. Die Kommunikation laufe an an Handel und Produktion vorbei, war Bosshart überzeugt. Mittelweg überzeugt nicht Wenn das Vertrauen weg sei, müsse sich die Fleischbranche vielleicht einfach weniger anpassen, sagte Bosshart provokativ. McDonalds habe im letzten Jahr 500 Millionen Bestellungen verloren, das zeige, dass dieser Konzern vielleicht auf dem Holzweg sei, indem er sich stets den Trends anpasse und zum Beispiel Veggie-Burger anbiete. Der McDonald`s-Kunde wolle einfach einen Hamburger, mit viel Rindfleisch und er könne auch einfach «billig» daherkommen, ohne immer mit Gemüse, Sesam oder Quinoa angereichert zu sein, sagte Bosshart. Sowieso, die Metzger sollen doch wieder sich selber sein. Den Kampf gegen die Vegetarier könnten sie eh nicht gewinnen. Doch der überwiegende Anteil der Konsumenten, die Fleisch essen, die sollen ihrer Lust frönen dürfen. Wenn ein Teenager einmal einige Monate kein Fleisch esse, dann würde dieser auch gleich die Vegi-Statistik raufdrücken. Auch SFF-Präsident Rolf Büttiker zeigte sich überzeugt, dass in Wahrheit nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung sich vegan oder vegetarisch ernähre. Unterschwellig zum Vegetarier Der Vegetarismus werde von den Journalisten herbeigeredet, so Büttiker. In den letzten zehn Jahren sei der Fleischkonsum konstant geblieben, dann müsse noch der Schwarzbereich dazugezählt werden, und der Einkaufstorismus. Dennoch: «Der Trend ist da», sagte Johannes Simons. Und der gehe schleichend, unterschwelliger und vor allem «interfamiliär» vor sich. Man werde zu Hause ganz von selbst Flexitarier, so Simons. «Jeder hat einmal eine vegetarische Freundin», so Simons und zitierte Alt-Bundeskanzler Schröder, der zu Hause kein Fleisch mehr auf den Tisch kriege von seiner neuen Freundin. Für Büttiker ist klar, dass das Fleischessen eine liberale Angelegeheit sei. Doch die ideologisierten Vegetarier wollten den anderen ihre Lebensart vorschreiben, sagte Büttiker. Gleichzeitig wollten die Vegetarier ihre Speisen mit an Fleisch angelehnten Namen benennen. «Wir werden gewisse Ausdrücke wie Vegi-Wurst oder Vegi-Schnitzel nicht mehr akzeptieren», warnte Büttiker, man wolle politisch dagegen vorgehen. Eine Scheibe Hühnerfleisch bitte Es komme eben ganz auf die Situation an, ob Fleisch gegessen werde oder nicht, war Metzgermeister Ludwig Hatecke von der Bacharia Hatecke aus Scuol überzeugt. Viele Gäste, die ins Engadin kommen würden, die würden einfach Fleisch essen in den Ferien. Sogar Vegetarier würden oft sagen: «Ok, eine schöne Scheibe Hühnerfleisch, die nehme ich jetzt», sagte Hatecke. Grossvater Hatecke eröffnete um 1930 eine kleine Metzgerei mit Schlachthaus und Laden in Ramosch im Unter gengadin. Damals sei das Geschäft sehr einfach eingerichtet gewesen, mit weissen Kacheln, einem Fleischrechen mit Haken und einer Theke mit Marmorplatte, um das Fleisch zu präsentieren und geflochtenen Körben um das Fleisch in den Nachbardörfern zu verkaufen. Die Körbe sind verschwunden – das edle Marmor ist geblieben, auch am Löwenplatz in Zürich, wohin der Grossohn Ludwig expandierte. «Die Architektur soll einen wichtigen Anteil an unserem Erscheinungsbild haben», sagte Hatecke. Es komme schliesslich nicht gleich herüber, ob der Pfarrer in einem Festzelt predige oder in einer Kirche. Das Motto von Hatecke heisst «Senza Culpa non e Vita» oder übersetzt «Ohne Schuld kein Leben». Das Tier müsse ja geschlachtet werden. Dafür soll dann aber das Fleisch einzigartig werden, sagte Hatecke. Dass das Einzigartige auch visuell herüber kommt, dafür sorgt zum Beispiel die Form von Hateckes getrocknetem Rindfleisch, das dreieckig, in Form einer Toblerone geschnitten ist. Oder der Speck wird anstatt quer der Länge nach geschnitten. «Fleisch ist für mich etwas Ästhetisches», sagte Hatecke. Fleisch online verkaufen Fleisch in einem Laden zu verkaufen, sei immer noch Standard, denn 98 Prozent der Lebensmittel würden immer noch in einem Laden verkauft, sagte Handelsexperte Thomas Rudolph von der Universität St. Gallen. Eine physische Präsenz sei trotz zunehmenden Verkäufen im Internet wichtig. Warum sonst habe Onlinehandelsprimus Amazon Whole Foods übernommen, fragte Rudolph. Doch weil die Kunden immer mehr Zeit online verbringen würden, werde dort auch mehr eingekauft. Gemäss einer Hochrechnung am Forschungszentrum für Handelsmanagement der Uni St. Gallen wurden letztes Jahr in der Schweiz über 11 Milliarden Franken mit dem Online-Handel umgesetzt. Auch der Einkaufstourismus nehme zu. Nämlich das Einkaufen auf Webseiten im Ausland, sagte Rudolph. Die Gefahren des Online-Einkaufens seien real. Dennoch ergäben sich für kleinere Unternehmen Chancen, im Internet einen zusätzlichen Verkaufskanal zu eröffnen und damit eine Reichweite zu erzielen, welche sie ohne massive Investitionen an weitere POS nicht hätten erreichen können. Doch es werde auch viel Geld verloren im Internet. Viele Läden würden auch nach Jahren noch kein Geld verdienen. Kooperationen mit Riesen Rudolph riet der Metzgerschaft, Kooperationen mit Online-Händlern zu prüfen anstatt eigene Portale aufzubauen. Jeder müsse sich die Fakten vor Augen halten, so etwa, dass im Online-Handel viel mehr Artikel angeboten werden könnten. Während Manor 10 000 Artikel anbiete, könne der User bei Amazon aus 270 Millionen Artikeln auswählen. Kein Wunder, dass der Händler jährlich um 34 Prozent wachse. Der Umsatz von Amazon der 2016 bei 136 Mrd. Dollar lag, werde dieses Jahr schon gegen 180 Milliarden betragen, sagte Rudolph. Schon alleine darum müsse man sich Gedanken machen, wie man mit diesen Playern umgehen wolle. «Die brauchen auch lokale Produkte, um ihre Sortimente auszuweiten», sagte Rudolph. Die lokalen Geschäfte müssten zudem die Mehrwerte ihrer lokalen Produkte viel stärker kommunzieren. hanspeter.schneider@rubmedia.ch

Milchwirtschaftliches Museum

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