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Auf der Suche nach dem biobasierten heiligen Gral

Um die Klimaerwärmung zu stoppen, haben viele Regierungen Ziele für den Einsatz biobasierter Energie und Produkte festgelegt. Des Weiteren versuchen die US-Regierung und die EU vorherzusagen, welches die vielversprechendste biobasierte Chemikalie ist.

Chemische und biotechnologische Verfahren werden kombiniert und liefern neue Materialien. (Bild: zvg)

Biobasierte Chemikalien können preismässig mit der fossilen Konkurrenz nur selten mithalten. Nicht einmal in Sachen Klimaerwärmung können sie einen Trumpf ausspielen. Vom weltweiten Energiebedarf verbraucht die chemische Industrie 30 Prozent und sie ist verantwortlich für 20 Prozent der Treibhausgase, welche die gesamte Industrie emittiert. Die Kohlenstoffmenge, die am Ende in Produkten landet, ist dagegen vergleichsweise gering. Der Energieverbrauch ist deshalb der Ansatzpunkt, wenn der CO2-Ausstoss merklich reduziert werden soll. Viele Regierungen haben biobasierte Produkte in ihre Strategien aufgenommen und sich ambitionierte Ziele gesetzt. US- und EU-Strategien für biobasierte Produkte Regierungen rund um den Globus sind sich einig, dass es offizielle Leitlinien für den Übergang zu einer biobasierten Wirtschaft geben muss; die Ansätze dafür sind unterschiedlich. Die Staaten der EU haben sich auf folgende Punkte geeinigt: ■ Reduzierung der Treibhausgase bis 2030 um 40% (im Vergleich zu den Werten von 1990) ■ mindestens 27% erneuerbare Energien ■ mindestens 27% Energieeinsparung Noch konkreter heisst das, dass bis 2020 20 Prozent aller Chemikalien und Materialien in Europa biobasiert sein müssen und dass dieser Anteil bis 2030 auf 25 Prozent steigen soll. In den USA soll laut biomass R & D board die Bioökonomie die Grössenordnung von einer Milliarde Tonnen erreichen. Dafür wird bis 2030 jährlich eine Milliarde Tonnen Biomasse nachhaltig produziert. Sie soll einerseits die Basis für die wachsende Bioprodukt-Industrie sein. Hauptsächlich wird sie aber dafür sorgen, dass bis 2030 im Transportwesen 30 Prozent des Kohlenstoffs aus Biomasse stammen – in Form von Biodiesel oder Ethanolbeimischung zum Benzin. Biobasiert und vielversprechend 2004 hat das amerikanische National Renewable Energy Laboratory (NREL) zwölf biobasierte Chemikalien benannt, die als Top-Kandidaten für die industrielle Umsetzung galten. Seither ist eine Menge passiert; im Nachfolgebericht 2016 gibt es wieder eine Liste mit zwölf vielversprechenden Kandidaten. Die Schnittmenge beider Listen ist moderat und besteht aus Bernsteinsäure, Glycerin und para-Xylen. Auch die EU bemüht sich darum, vorherzusagen, welche biobasierten Chemikalien eine Zukunft haben. RoadToBio ist ein EU-gefördertes Projekt, das 2017 gestartet ist und dessen Ziel bis 2019 die Erstellung einer Roadmap ist. Die soll der europäischen Chemie die «sweet spots» aufzeigen, an denen eine biobasierte Produktion Sinn macht. In einem ersten Schritt wurde dafür eine Liste von 120 Chemikalien erstellt, die wirtschaftliches Potenzial zeigen. Ausgewählt wurden nur Substanzen, deren Entwicklung des Prozesses mindestens im Pilotmassstab angelangt ist. Gleichzeitig wurden die Wertschöpfungsketten von 500 Petrochemikalien unter technischen Gesichtspunkten untersucht. 85 Prozent der Wertschöpfungsketten bieten Anknüpfungspunkte, an denen eine biobasierte Chemikalie eine erdölbasierte ersetzen kann. Die Chemikalien, die am häufigsten als ersetzbar genannt wurden, sind Ethylen, Propylen und Methanol. Vier Chemikalien, die sowohl in der Top 12-Liste der NREL als auch auf der Top 49-Liste von RoadToBio verzeichnet sind, sind Bernsteinsäure, Para-Xylen, Propylenglykol und Glycerin. Bernsteinsäure Der derzeitige Weltmarkt für die Dicarbonsäure umfasst 50 000 Tonnen pro Jahr und ist hauptsächlich für Spezialchemikalien bestimmt. Im täglichen Leben ist sie in der Tinte von Tintenstrahldruckern anzutreffen, wo 3  Prozent Bernsteinsäure dafür sorgen, dass die Druckfarben nicht ineinander laufen. Die Hochrechnungen für das künftige Marktvolumen sind enorm, und dass sie nicht nur theoretischer Natur sind, zeigt die Zahl der Produktionsanlagen, die weltweit gebaut werden. Succinity, BioAmber, Myriant und Reverdia bauen als Einzelfirmen und in verschiedenen Joint Ventures Produktionskapazitäten von 400 000 Tonnen Bernsteinsäure. Die Mikroorganismen, die für die Fermentation eingesetzt werden sind B. succiniproducens, E. coli und S. cerevisiae. Die Firmen bauen darauf, dass sich Bernsteinsäure zur Plattformchemikalie entwickeln wird und sich dann eine weitaus grössere Produktpalette eröffnet als Spezialchemikalien. Mit der Hydrierung von Bernsteinsäure zu 1,4-Butandiol und Tetrahydrofuran würde ein Markt von weiteren 2,4 Mio. t/a zugänglich. Wenn dies Realität wird, könnten in Zukunft auch Elasthan-Bekleidung und Polyurethan-Matratzen biobasiert sein. Para-Xylen Para-Xylen wird benutzt, um Terepththalsäure und Dimethylterephthalat herzustellen, die beiden Bestandteile von Polyethylenterephthalat (PET). Para-Xylen wird fast ausschliesslich für die Herstellung von Polyestern eingesetzt, wobei aus dem grössten Teil Fasern und Folien gemacht werden. Die grösste Aufmerksamkeit in den Bioökonomie-Medien haben aber die 27 Prozent genossen, die zu PET-Flaschen werden. Die Hauptabnehmer von PET – Coca-Cola, Ford, Heinz, Nike und Procter & Gamble – haben viel Geld in die Erforschung von biobasiertem PET gesteckt. Virent hat einen kombinierten biochemischen und thermochemischen Prozess entwickelt, bei dem Biomasse zu einer Mischung aus Kohlenwasserstoffen umgewandelt wird. Die kann dann wie erdölbasierte Kohlenwasserstoffe weiterverarbeitet werden. Auf der Weltausstellung in Mailand 2015 wurde eine 100 Prozent biobasierte PET-Flasche gezeigt. Das Para-Xylen dafür stammte aus einer Demonstrationsanlage, mit einer Produktion im industriellen Massstab ist nicht vor 2021 zu rechnen. Die chemokatalytischen Verfahren von Micromidas und Annellotech basieren wie das von Virent auf Zellulose, während Biochemtex auf Lignin setzt. Das einzige Unternehmen, das ein Fermentationsverfahren verwendet, ist Gevo: Zucker aus Biomasse wird mit Hefe zu Isobutanol fermentiert und anschliessend chemisch zu para-Xylen transformiert. Derzeit hat keine der Firmen die Produktionskapazitäten, um den Weltmarkt von 65 Mio. Tonnen pro Jahr zu beeinflussen. Propylenglykol Propylenglykol macht die Haut weich und die Haare leicht kämmbar, wenn es in Bodylotion und Haarshampoo eingesetzt wird. Darüber hinaus ist es vielseitig anwendbar vom Tierfutter bis zum Polyesterharz und hat deshalb einen Weltmarkt von 2,5  Mio. Tonnen pro Jahr. Propylenglykol wird derzeit aus Propylen hergestellt und ist ein Nebenprodukt des Erdölcrackings, deshalb ist sein Preis eng mit dem Erdölpreis verknüpft. Für biobasiertes Propylenglykol wird üblicherweise Glycerin hydrogenolytisch mit Metallkatalysatoren reduziert, dabei können die Zusammensetzung des Katalysators und die Reaktionsbedingungen variiert werden. ADM hat dafür 100 000 Tonnen pro Jahr Produktionskapazitäten in den USA und Oleon 20 000 Tonnen pro Jahr in Belgien. Global Bio-Chem betreibt in China eine Anlage für 200 000 Tonnen pro Jahr mit Sorbitol aus Mais als Substrat. Das Sorbitol wird zu 1,2-Propandiol, Ethylenglykol und Butandiol gespalten. Glycerin Der Zuckeralkohol kann in Bodylotion und in Marzipan gleichermassen verwendet werden, um die Haut oder die Mandelpaste zart und geschmeidig zu halten. Darüber hinaus hat es mehr als 1›500 Anwendungsmöglichkeiten. Der Markt wird von biobasiertem Glycerin dominiert, das ein Nebenstrom der Biodieselproduktion ist. Dafür wird Pflanzenöl mit Alkohol verestert; pro 10 Tonnen Biodiesel entsteht dabei eine Tonne Glycerin. Mit einer Weltjahresproduktion von rund zwei Millionen Tonnen ist der Markt gesättigt, mit stabilen und historisch niedrigen Preisen. Die Industrie sucht deshalb nach Wegen, um höherwertige Produkte aus Glycerin zu machen. Der Einsatz als Fermentationssubstrat für Bernsteinsäure, Zitronensäure, 1,3-Propandiol und Biogas ist zum Teil schon industriell umgesetzt, ebenso wie die Anwendung als Tierfutter. Wer macht das Rennen? Die Zusammenarbeit! Die Zeit wird zeigen, welche der biobasierten Chemikalien ein Renner werden wird und ob RoadToBio zu den gleichen Schlüssen kommen wird wie die NREL- Studie. Der Erdölpreis und politische Entscheidungen der Regierungen sind nur zwei Unwägbarkeiten in der vieldimensionalen Matrix, die den wirtschaftlichen Erfolg eines biobasierten Produktes bestimmt.Eine der Gemeinsamkeiten der oben diskutierten Stoffe ist, dass es sich um sogenannte Drop-in-Chemikalien handelt. Sie sind chemisch identisch mit ihren petrochemischen Gegenstücken und für die Weiterverarbeitung spielt es keine Rolle, ob sie aus Erdöl oder aus Biomasse hergestellt wurden. Bei genauerem Hinsehen sind die Produktionsverfahren eine bunte Mischung aus Chemie und Biotechnologie. Fermentationsverfahren werden mit chemischen Transformationen kombiniert; ob ein Metallkatalysator oder ein Enzym eingesetzt wird, wird danach entschieden, was besser funktioniert. Ein Verfahren ist nicht länger chemisch oder biotechnologisch, Kooperation ist die Regel. Die Gewinner auf der Suche nach dem heiligen Gral der biobasierten Chemikalien sind auf jeden Fall die Wissenschaftler aller beteiligten Disziplinen. Sie haben gelernt, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen und eine völlig neue Perspektive im Teller der Nachbardisziplin zu finden. www.achema.de

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