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Gesucht: Die beste Essenslösung

Wer neue Produkte auf den Markt bringen will, muss Megatrends verstehen und nicht mehr nur Nahrung, sondern Essenslösungen anbieten. Dies die These am Innovations-Symposium der BFH-HAFL in Zollikofen

Die Frage, was der Konsument will, beschäftigt jedes Unternehmen, das Konsumgüter herstellt. Es entstehen neue Konsumentenschichten, und es braucht Innovationen, um die Bedürfnisse dieser Konsumenten zu befriedigen, wobei man nicht die Zukunft voraussagen können muss. Diese ist unvermeidlich ist und es komme nur darauf an, was wir daraus machen würden, wie Patrick Bürgisser von der BFH-HAFL Max Frisch zitierte. Denn um neue Lebensmittel zu entwerfen, reiche es, wenn man sich an den grossen Megatrends orientiere, sagte Bürgisser. Diese Megatrends beleuchtete Christine Geissbühler von der BFH-HAFL näher. Zum Beispiel die Entstehung von kaufkräftigeren neuen Konsumentenschichten, die durch die Globalisierung in Schwellenländern entstehen. Die steigenden Löhne führen dazu, dass die Produktion in Schwellenländern teurer wird und dass Unternehmen ihre Produktion wieder in die «alten» Länder (Re-Shoring) zurückholen. Der Trend zur Individualisierung und Klein- und Pachworkfamilien führt zu neuen Konsumsituationen. Joggingschuhe etwa können heute mit der Augmented Reality-Brille individuell auf den Träger angepasst werden und dann im 3-D-Drucker hergestellt werden. Oder: «Es gibt nicht mehr den Geschmack, es gibt die Geschmäcker», sagte Geissbühler in Bezug auf die wie Pilze aus dem Boden schiessenden Brauereien. Auch Coca-Cola ermöglicht es, mit einer App am Automat das individuelle Getränk nach dem Gusto des Spontankäufers zusammenzumischen. Der Megatrend «Gender Shift» führt dazu, dass die Mehrheit der Hochschulabgänger Frauen sind, die erst noch bessere Noten haben und häufiger erwerbstätig werden. Nur noch 20 Prozent der Schweizer Familien leben heute das klassische Rollenmodell, die Männer wollten auch nicht mehr unbedingt ihren konventionellen Lebensstil leben und übernehmen die Verantwortung für die Kinder nicht mehr nur am Abend. 9 von 10 Männern möchten Teilzeit arbeiten - in der Realität seien es zwar dennoch nur 10 Prozent, sagte Geissbühler. Der Einfluss auf die Nahrung sei, dass dadurch zur Ernährung nicht einfach nur das Nahrungsmittel, sondern die Esslösung gesucht werde. Alles, vom Einkaufen zum Zubereiten und Essen, sollte darin integriert sein und bestimmte Anforderungen erfüllen. Zum Beispiel: «Wie schaffe ich es, meinen Kindern jeden Tag ein Znüni einzupacken, das gesund und abwechslungsreich ist und erst noch gegessen wird?» Silver Surfers und die Hochbildungsgesellschaft Ein weiterer Megatrend ist das Wachstum der Gruppe der «Silver Society», der älteren Konsumenten. Weltweit würden im Jahr 2100 rund 3,2 Milliarden ältere Menschen leben, in der Schweiz würden es anteilsmässig noch mehr sein, sagte Geissbühler. Hier besteht die Herausforderung der Konsumgüterhersteller darin, nichts anzubieten, das irgendwie nach «Seniorenprodukt» riecht, aber dennoch altersgerecht ist. Die Chance ist, dass die Silver Surfers am meisten Geld im Internet ausgeben, wie Geissbühler sagte. Ein weiterer Megatrend ist die Urbanisierung, immer mehr Menschen leben weltweit in Städten, immer weniger auf dem Land. «Die Leute holen nicht nur die Natur in die Stadt, mit Parks, Gärten und Urban Farming, sondern auch gleich das Dorf mittels Begegnungszonen», sagte Geissbühler. Im Megatrend der «New Work», der Wissensarbeit in der Hochbildungsgesellschaft arbeiten die Leute immer häufiger projektbasiert zusammen, immer mehr Arbeitsverträge sind befristet. Das Leben bestehe aus permanentem Lernen, sagte Geissbühler. Zum Beispiel würden die Konsumenten beginnen zu verstehen, dass das Rind nicht nur aus Filet bestehe. Geissbühler verwies auf die Metzgerei im Berner Breitenrainquartier «La Boulotte», die nach dem «Nose to tail-Konzept» Produkte anbietet. Gesundheit, Ökologie und Mobilität «Im Megatrend Gesundheit wird Essen zur Weltanschauung», sagte Geissbühler. Das soziale Netz sei voll mit selbsternannten Youtube-Stars, die ihre Ernährungsweise mit Rezeptvorschlägen zelebrieren würden, aber auch mit guten Ernährungsberatern. Der Körper werde zudem im Healthbook vermessen, alles, jeder Schritt und Pulsschlag werde gezählt. Der Megatrend Konnektivität verändere die Art, wie zusammen kommuniziert werde und habe dadurch ein grosses Potenzial zu Umbrüchen in der Wirtschaft, sagte Geissbühler. Dagegen löse der Ökologietrend die Veränderung zu ressourcenorientierter Wirtschaft aus. Sozial- und umweltgerecht würden sich heute ökonomisch vertragen. Beispiele wie Läden mit unverpackten Lebensmitteln und Gemüseabos oder Extreme wie Zero-Waste-Haushalte würden zunehmen. Der Megatrend Mobilität lasse in Hauptstädten Veloschnellstrassen entstehen, wie zum Beispiel in Kopenhagen, das schon die Hauptstadt des Velos genannt werde. Hier entstehen neue Angebotsformen, etwa die direkte Lieferung des Warenkorbes in den Kofferraum des Autos oder per Drohne nach Hause. Die Lebensmittelhersteller haben heute eine grössere Selbstverantwortung, was die Lebensmittelsicherheit angeht. Es bedeute, dass die Anbieter vermehrt ihre Verarbeitung transparent machen müssten, sagte Geissbühler. Sie erwähnte die Berliner Metzgerei «Kumpel & Keule», wo das Fleisch direkt vor den Kunden verarbeitet wird. Schliesslich essen laut Geissbühler auch die Hipster Fleisch. Auch die Lebensmittelhersteller würden immer mehr unter das Rating der Konsumenten fallen, wie dies in der Gastronomie schon lange der Fall sei. Es braucht besseres Gemüse Trotz aller Trends: Bei der Entwicklung von neuen Lebensmitteln und Essenslösungen soll auch der gesunde Menschenverstand gebraucht werden, sagte Patrick Bürgisser, etwa, wenn dem Trend zu veganer Ernährung Rechnung getragen wird. «Wenn weniger Fleisch auf den Teller kommt, dann braucht es besseres Gemüse», sagte Bürgisser. Das Angebot müsse breiter werden, da gebe es schon gute Beispiele, Snackgurken vom «Erlenhof», violette Karotten, Kardy und Flower Sprout würden das kulinarische Angebot upgraden. Ausserdem sei es die Aufgabe der Produzenten und Hersteller, die Lebensmittel nicht nur mit einer gesunden Etikette zu versehen, sondern sie auch genussvoller zu machen. Immer wieder versuchen Und wie sollen die neuen Essenslösungen überhaupt erarbeitet werden? Mit «Design Thinking», sagte Bürgisser. Also mit weniger reden und schreiben, sondern mit probieren. Statt seitenlange Konzepte zu schreiben, sollen Skizzen oder Zeichnungen in der Gruppe erstellt werden. Und vor allem solle man sich in den Konsumenten hinein versetzen, sagte Bürgisser. Diese Methodenkompetenz sei nicht nur zur Herstellung von neuen Lebensmitteln geeignet, sondern auch für Problemlösungen. Ein Problem zu lösen hatte auch Hanspeter Bachmann von Agroscope vor 20 Jahren. «Wir arbeiteten schon nach ‹Design Thinking›-Ansatz, als es diesen Begriff noch gar nicht gab», sagte Bachmann lachend. Das Problem bestand darin, dass Ende der neunziger Jahre schweizweit die Käselaibe in den Kellern eine schmierige Rinde entwickelten. Dieses Problem hatte das «schmierige» Team (wie Bachmann die Gruppe bezeichnete) zu lösen. Das Team sei aus allen Hierarchien, vom Grünschnabel bis zum Silberrücken, zusammengestellt worden und musste unter extremem Zeitdruck eine Lösung finden: «Die Branche forderte eine schnelles Resultat», sagte Bachmann. Die Lösung entstand in zweieinhalb Jahren Forschung in Form von fünf neuen Oberflächenkulturen. Schafmilchglacé Als Beispiel eines neuen Produktes für die Konsumenten stellte Sylvain Chevalley von der Ferme de Praz-Romond die Schafmilchglacé vor. Diese entstand zwar nicht mit «Design Thinking», sondern er entdeckte das Produkt 2009 in Neuseeland. Schon ein Jahr später, zurück im Waadtland, machte er erste Tests mit einer Glacémaschine und mit der Milch von 20 Milchschafen. Zwei Jahre später arbeitete er mit einem Artisan Glacier zusammen und gewann im Wettbewerb der Regionalprodukte in Courtemelon eine Goldmedaille. Der innovative Landwirt geht auch im Verkauf unkonventionelle Wege. «Wenn ein Bäcker seine Glacé nicht ins Sortiment aufnehmen will, weil er keinen Platz im Kühler hat, dann gebe ich ihm meinen eigenen Kühlschrank mit», sagte Chevalley. Dieser trägt das Logo seiner Glacé, grün wie die Wiese und wie der Kanton Waadt, mit einem Schaf. Die Glacé aus Schafmilch habe eine bessere Allergietoleranz als Kuhmilchglacé, weil sie mehr Protein und Fett und mehr Omega-3-Fettsäuren habe. Ohne Farb-, Aroma- und Konservierungsstoffe – versteht sich. hanspeter.schneider@rubmedia.ch

Milchwirtschaftliches Museum

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