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«Fair-Food ist nicht zu Ende gedacht»

Die Fair-Food-Initiative schade der Industrie und den Bauern, sagt Niklaus Iten vom Müeslihersteller Bio-Familia AG. Und sie führe nicht zu mehr Nachhaltigkeit – im Gegenteil.

«Rohstoffe würden mit der Fair-Food-Initiative teurer und wären schwerer zu beschaffen», sagt Niklaus Iten.

alimenta: Nachhaltig und fair hergestellte Lebensmittel will die Fair-Food-Initiative der Grünen fördern. Niklaus Iten, Sie als Vertreter der Bio-Branche (siehe Kasten) müssten eigentlich für die Fair-Food-Initiative weibeln. Trotzdem lehnen Sie die Vorlage ab. Niklaus Iten: Ideell stehe ich natürlich hinter den Zielen der Initiative. Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion weltweit sind heute alles andere als nachhaltig und tragen ausserdem zu einem guten Teil zum Klimawandel bei. Biologisch produzierte Lebensmittel können hier einen substanziellen Beitrag leisten. Aber eine Annahme der Initiative würde diese Probleme nicht mindern, sondern sie paradoxerweise sehr wahrscheinlich verschlimmern. Wieso? Die Initiative ist bezüglich ihrer komplexen direkten und indirekten Wechselwirkungen nicht zu Ende gedacht. Hier haben die Initianten die Hausaufgaben nicht gemacht. Sie ist eine gefährliche Fata Morgana. Deshalb lehne ich sie entschieden ab. Können Sie ein konkretes Beispiel machen? Betroffen von der Initiative wären der Rohstoffhandel, die Verarbeiter, der Detailhandel und die Gastronomie. Nehmen wir die Verarbeiter: Die Initiative wird zwingend dazu führen, dass der Aufwand für die Rohstoffsuche zunimmt, auch die Zertifizierungskosten werden steigen – weil die Rohstoffe ja neuen ökologischen und sozialen Anforderungen entsprechen müssen. Die Rohstoffverfügbarkeit hingegen nimmt ab, dies gilt auch für Rohstoffe aus dem Ausland. Denn je mehr Bedingungen ein Rohstoff erfüllen muss, desto schwieriger wird es, genug davon zu finden. Die Folge: Die Rohstoffkosten steigen und damit natürlich auch die Produktionskosten. Dadurch nimmt die Wettbewerbsfähigkeit ab, der Detailhandel fragt die Produkte weniger nach, weil der Preis zu hoch ist – oder das Produkt weniger attraktiv, weil wir gewisse Rohstoffe gar nicht mehr bekommen. Weniger Nachfrage heisst: Die Produktionsanlagen sind nicht ausgelastet, die Produktionskosten steigen also weiter. So kommt ein Teufelskreis in Gang. Mit welchen Folgen? Mit der Folge, dass unter dem Strich der Konsum von nachhaltigen Lebensmitteln abnimmt, weil sie zu teuer sind und deswegen auch der Einkaufstourismus zunimmt. Wir reden hier von Preiserhöhungen von vielleicht 30 bis 40 Prozent. Die Initiative würde also das Gegenteil dessen erreichen, was sie eigentlich will. Was würde die Annahme der Initiative ganz konkret für Ihr Unternehmen, den Müesli­hersteller Bio-Familia bedeuten? Die Initiative verlangt die Erfüllung eines ganzen Bündels von Anforderungen. Müssten wir diese für all unsere Rohstoffe garantieren, bräuchten wir zwei Mitar­beitende mehr, um den administrativen Aufwand zu bewältigen. Die Kosten, auch die höheren Rohstoffkosten, müssten wir selber tragen. Die Lieferanten wollen sie sicher nicht übernehmen. Und unseren ausländischen Kunden können wir die Kosten nicht überwälzen. Die würden einfach nicht mehr bestellen. Das erleben wir bereits heute. Etliche Rohstoffe bekämen wir ausserdem gar nicht mehr geliefert, weil die auslän­dischen Lieferanten nicht bereit wären, nur für uns diesen Zusatzaufwand zu betreiben. Was wären die Folgen für die Nahrungsmittelindustrie insgesamt? Die einheimische Nahrungsmittelindustrie würde klar geschwächt. Denn grosse Teile davon sind auf Exporte angewiesen. Aber im Export haben wir nur dann eine Chance, wenn wir preislich einigermassen konkurrenzfähig sind. Bereits die unglückliche Swissness-Vorlage hat die Produktion sinnlos verteuert. Die Fair-Food-Initiative würde die Situation noch viel mehr verschlimmern. Würden auch Jobs verloren gehen? Geht der Export zurück, werden fast zwingend auch Arbeitsplätze abgebaut. Die Initiative heisst Fair-Food, weil sie faire Bedingungen für die Arbeiter im Ausland will. Das finde ich schön. Aber ist es denn fair, wenn im Gegenzug in der Schweiz Arbeitsplätze abgebaut werden? Nachteile würden übrigens auch die Bauern erleiden. Gerade bei den Bäuerinnen und Bauern geniesst die Fair-Food-Initiative aber Sympathien. Ich befürchte, dass sich die Befürworter nicht alle nötigen Gedanken gemacht haben. Den Schweizer Bauern geht es gut, wenn es den Verarbeitern gut geht als wichtigen Abnehmern der landwirtschaftlichen Produkte. Uns Verarbeitern geht es gut, wenn wir exportieren können. Exportieren können wir aber nur, wenn wir wettbewerbs­fähig sind. Die Initiative zerstört diese Wirkungskette. Die Bauern würden nicht mehr verkaufen, sondern schlimmstenfalls weniger. Die Grünen sagen, die Initiative lasse sich umsetzen ohne die Regeln der WTO oder die Bilateralen zu verletzen. Selbst wenn keine Zölle erhoben würden, was die Initiative ja explizit vorsieht, würden die neuen Vorgaben als nicht-tarifäre Handelshemmnisse angesehen werden. Aber wahrscheinlich wäre es ohnehin so, dass sich viele Lieferanten im Ausland einfach sagen würden, wieso soll ich überhaupt noch in dieses kleine Land mit nur acht Millionen Einwohnern exportieren? Und das ist ein Problem: Die ausländischen Lieferanten sind nicht unbedingt darauf angewiesen, in die Schweiz zu liefern; wir sind aber auf diese Importe angewiesen, weil viele Rohstoffe in der Schweiz schlicht nicht verfügbar sind. Wie stehen Sie zur zweiten Agrar-Initiative, über die wir am 23. September abstimmen, die Ernährungssouveränitäts-Initiative?: Die ist noch um einiges extremer als die Fair-Food-Initiative. Das ist reiner Protektionismus, der völlig falsche Ansatz. Ich weiss, dass viele Bauern das nicht wollen. Sie wollen eigenständig handeln und nicht zurück zum alten System, das ihnen langfristig auch nicht nützen würde. Das Ziel der Fair-Food-Initiative ist richtig, der Weg falsch, sagen Sie. Wie müsste man es denn Ihrer Ansicht nach besser machen? Nicht die «guten» Lebensmittel sollten verteuert werden, sondern die «schlechten». Das Grundproblem ist, dass die konventionelle Landwirtschaft für die Kosten, die sie verursacht, nicht aufkommen muss. Nur so kann sie so billig sein, wie sie ist. Die Zeche bezahlt die Gesellschaft, vor allem die künftigen Generationen. Das gleiche gilt für den höheren CO2-Ausstoss bei längerem Transportweg. Solange die Kosten für Umweltschäden nicht internalisiert werden, wird Bio immer im Nachteil sein. Und diese Initiative wird das nicht ändern, sondern verschlimmbessern. Es braucht andere Ansätze: Die Kostenwahrheit und das Verursacherprinzip müssten durchgesetzt werden. Dann hätten wir automatisch mehr Ökologie und fairere Arbeitsbedingungen, weil sich die Produktion «schlechter» Lebensmittel schlicht nicht mehr lohnt.

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