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Superfood: Alles Marketing oder was?

Als «Superfood» lässt sich fast alles verkaufen. Der Begriff ist ein Marketingtool des Handels und hilft den Konsumenten und Produzenten nicht immer weiter, wie eine Tagung im Technopark zeigte.

Goji-Beeren gelten als Superfood - und werden auch in der Schweiz angebaut. (Symbolbild Pixabay)

Was genau ist Superfood? Wer im Internet nach «Superfood» googelt, stösst auf allerlei Antworten: Chia-Samen, Goji-Beeren, Erdnussbutter, Kokosöl, Protein­shakes, Algen, Lachs, dunkle Schokolade, Manukahonig, Ingwer, Moringa, Kurkuma, oder auch, wie vom Gärtnerverband Jardin Suisse selbstbewusst propagiert, das gesamte Sortiment an Schweizer Gemüse und Früchte. Die breite Auswahl zeigt: Superfood ist für die Anbieter vor allem immer das eigene Produkt. Mit dem weitläufigen und unübersichtlichen Feld des Superfoods befasste sich eine Tagung, die am 1. Februar im Zürcher Technopark stattfand und von den Berufsverbänden SVIAL und SGLWT, von Swiss Food Research und Foodward organisiert wurde. Wilfried Andlauer, Professor für Lebensmittelchemie von der Westschweizer Fachhochschule HES-SO, machte gleich zu Beginn klar, dass Superfood ein Marketingbegriff ist – keiner, der wissenschaftlich oder rechtlich definiert ist. Ausgelobt werden damit angebliche Gesundheitsvorteile eines Lebensmittels, die teilweise wissenschaftlich erwiesen sind, teilweise aber auch auf fragwürdigen Studien beruhen. Die Bezeichnung Superfood habe eine Art sogenannten Halo-Effekt, sagte Andlauer: Die Konsumenten würden dem Produkt weitere positive Eigenschaften zuschreiben, die es gar nicht habe. So wie manche Konsumenten bei Bio-Glace der Meinung seien, davon etwas mehr essen zu können oder den Sport ausfallen zu lassen.

Gehalt an bioaktiven Stoffen hängt vor allem von den Sorten ab
Die HES-SO selber hat im Wallis einen Testanbau von Lonicera durchgeführt. Die Beere ähnelt der Heidelbeere, ist aber länglicher und kommt in Kanada und Japan vor. Dabei zeigte sich, dass der Vitamin-C-Gehalt je nach Kultivar (einheitliche Pflanzengruppe) und Jahr sehr unterschiedlich ist. Lonicera enthält mehr Vitamin C als Heidelbeeren und ähnlich viele Phenole wie Heidelbeeren. Auch der Gehalt an Anthocyanen – pflanzliche Farbstoffe mit einer starken antioxidativen Wirkung – ist höher als bei Heidelbeeren. Getestet wurde an der HES-SO auch, wie Goji-Beeren verarbeitet werden können, ohne dass die bioaktiven Wirkstoffe verloren gehen. So wurde eine Biersorte mit einem hohen Anteil von bioaktiven Substanzen entwickelt, aber auch Goji-Flocken, die mit Extrudiertechnik hergestellt werden und nur drei Prozent Fett enthalten. Ebenfalls im Wallis wurde der Einfluss von Sorten, Wetter und Höhenlage auf bioaktive Wirkstoffe in verschiedenen Beerenarten untersucht. Dabei hat die Sortenwahl den grössten Einfluss auf den Gehalt an Antioxidantien, Phenol oder Vitamin C. Durch Züchtung kann der Gehalt an bioaktiven Wirkstoffen erhöht werden. Der Gehalt ändert sich auch mit dem Alter der Pflanze. Für jede Art und jede Sorte müsse der optimale Zeitpunkt bestimmt werden, sagte Christoph Carlen von Agroscope. Es könnte sich auch lohnen, traditionelle und wilde Esspflanzen im Wallis zu untersuchen, etwa Phyteuma orbiculare, als «alpiner Rucola» bekannt.
Auf Beeren umgesattelt
Goji-Beeren sind ein wichtiger Pfeiler auf dem «Wildbeeren»-Betrieb von Simon Räss im Zürcher Weinland. Gemeinsam mit seinem Bruder hat er vor sechs Jahren einen mutigen Entscheid gefällt und den Betrieb komplett umgestellt – von Ackerbau, Schweinemast und Milchproduktion auf die Beerenproduktion. Beibehalten wurde der Weinbau. Das Sortiment umfasst heute nebst allen bekannten einheimischen Beeren auch Goji, Aronia, Cassis, die Haskap-Beere, auch Maibeere oder sibirische Honigbeere genannt, und Saskatoon, auch Felsenbirne genannt, ein Kernobst. Die grösste Herausforderung, erklärte Räss, sei gewesen, dass es in der Schweiz wenig Erfahrung für Biobeerenanbau gebe und gar keine für exotischere Beeren. Die beiden Brüder reisten nach Norddeutschland, Polen und Chile, um sich in den grossen Anbaugebieten direkt weiterzubilden. Tafelware und Verarbeitungsware machen auf dem Betrieb Räss je rund die Hälfte aus, ein Teil davon geht auch in die Alternativmedizin oder in Nahrungsergänzung, wobei hier die Nulltoleranz bei Rückstandsanalysen trotz Bioanbau anspruchsvoll sei.
Bunte und gesunde Kartoffeln
Stefan Griesser hat sich ganz auf die Züchtung von farbigen Kartoffeln und Tomaten verlegt. Diese enthalten auch bioaktive Anthozyane. Diese haben beispielsweise einen Effekt bei der Darmkrebsvorbeugung, aber keinen Einfluss auf den Geschmack. Er erhalte deshalb auch immer wieder Anfragen von Krebspatienten, sagte Griesser. Dann sage er immer, er könne schon liefern, garantiere aber keine Wirkung. Eine deutsche Firma habe auch schon geplant, Kartoffeln zu trocknen und das Pulver in Kapseln zu verkaufen. Technologisch habe es funktioniert, aber die Firma habe es dann wegen der Höchstwerte nicht gewagt, die Kapseln in der Schweiz zu vermarkten. Auch für Griesser ist die Vermarktung fast der schwierigere Teil als die Zucht, wie er sagte. Wichtig sei etwa, dass violette oder blaue Kartoffeln auch nach der Zubereitung noch ansehnlich und appetitlich seien. Mit dem Food Lab der ETH tüftelt Griesser derzeit an farbigen Pommes frites. Fritz Burkhalter, Geschäftsführer des Verbandes Schweizer Pilzproduzenten VSP, erläuterte die Entstehung des Projektes Vitamin-D-Pilze. Die Idee dazu kommt aus dem Cluster Food & Nutrition. Durch die Behandlung mit Licht entwickeln braune Champignons einen hohen Gehalt an Vitamin D. Vitamin-D-Pilze sind in England und Deutschland bereits bekannt. Dort konnten sich die Schweizer Promotoren auch mit der Praxis vertraut machen. Am Projekt beteiligt sind auch die HAFL in Zollikofen, die Universität Giessen und das Vitamininstitut in Lausanne. Vertrieben werden die «Champidor» von Coop, in edler Verpackung und zum gehobenen Preis: 3 Franken für sechs Stück. Der K-Tipp habe auch kritisiert, die Pilze seien zu teuer, sagte Burkhalter. Das störe ihn aber nicht unbedingt. Regula Felix von der Beratungsfirma Pharma Services Oehler klärte in Zürich über die rechtlichen Grundlagen auf. Als Hersteller müsse man schon im Ideenstadium die Abgrenzungen zu Heilmitteln beachten, die rechtliche Produktegruppe definieren und deren juristische Rahmenbedingungen akzeptieren. Bei Lebensmitteln dürfe man nie eine Heilungswirkung anpreisen. «Wer ‹Heilmittel› denkt und ‹Lebenmittel› macht, wird beim Kennzeichnen und beim Marketing dauernd Probleme haben.» Das Täuschungsverbot setze hier klare Grenzen. Die anschliessende Diskussion zeigte, dass der Begriff «Superfood» bei den meisten Referenten sehr vorsichtig verwendet oder gar abgelehnt wurde. Lediglich Räss konnte sich für den Begriff erwärmen, es sei eine gute Möglichkeit, zum Beispiel auch alte Beeren wieder aufleben zu lassen. Dies könne eine Chance sein für die Landwirtschaft. Burkhalter hingegen war skeptisch: Reine Marketingbegriffe wie Superfood seien nicht dazu geeignet, das Vertrauen zwischen Konsumenten und Bauern herzustellen, und darum gehe es aus Sicht der Bauern. «Man sollte klar kommuniziern, was genau drin ist und was wie wirkt.»

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