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Schallwellen beeinflussen Bakterien

«C’est le ton qui fait la musique.» Dieses Sprichwort könnte jetzt auch für Käse verwendet werden. Denn unterschiedliche Musik ergibt beim Käse auch unterschiedliche Geschmacksrichtungen.

von Hans Peter Schneider

Michael Harenberg, Studiengangsleiter Sound Arts der HKB gibt den Medien Antwort.
Im Käsehaus K3 von Beat Wampfler wurde das Experiment während 6 1/2 Monaten durchgeführt.
Schmeckt beschallter Käse anders? Und was lässt sich aus der Idee sonst noch machen? (Bild hps)
Die Präsentation der beschallten Käse fand im Frühling statt.

Es rauschte, hallte und vibrierte in den Boxen des Burgdorfer Käsehauses K3. Die Tontechnik anlässlich der Präsentation des Experimentes «Käse beschallen» im Burgdorfer Käsehaus K3 liess die Organisatoren in den Anfangs-Sequenzen der Pressekonferenz im Stich. Den richtigen Ton getroffen hatten die Musik- und Käseexperten jedoch mit ihrem Projekt «Klangkäse». Das Interesse daran, warum Käse beschallt wird und wie er schmeckt, war riesig – Journalisten aus dem In- und Ausland reisten in Scharen ins Käsehaus, das vom Tierarzt Beat Wampfler betrieben wird. Wampfler ist schon lange davon überzeugt, dass Käse sich geschmacklich verändert, wenn er während der Reifung mit Musik beschallt wird. Schallwellen würden den Stoffwechselprozess von Käse derart verändern, dass die sonochemischen Auswirkungen aromastofflich nachweisbar und kulinarisch spürbar seien, sagt er. Für die Milchsäurebakterien, die für die Ksereifung zuständig sind, haben Wampfler und die HKB, so scheint es, auch die richtigen Töne getroffen. Denn diese wirkten je nach Musikstil unterschiedlich im Käse.

In der Käserei Mutten produziert

Im August 2018 liess Wampfler und die Hochschule der Künste Bern HKB von Käsermeister Anton Wyss der Käserei Mutten in Signau die Käse herstellen. Und zwar aus der Milch der genau gleichen Kühe, woraus im selben Kessi neun exakt gleiche Käselaibe produziert wurden. Diese reiften nun seit dem 20. August 2018 in besagtem Käsehaus unter den exakt gleichen Bedingungen. Anders war nur die Musik, mit der die acht Halbhartkäselaibe und ein Emmentaler beschallt wurden. Dabei konnte nicht mit einfach mit Lautsprechern gearbeitet werden, sagte Michael Harenberg, Studiengangsleiter Sound Arts der HKB. Denn die Schallenergie der Töne musste über das Holz transportiert werden und die Käse so anregen.

Doch welche Musik den besten Käse ergibt, darin waren sich Wampfler als Käseexperte und Harenberg nicht einig. Der Kompromiss habe darin bestanden, dass Wampfler als LedZeppelin-Fan einen Laib mit «Stairways to heaven» beschallen durfte – Harenberg als Musikwissenschaftler einen mit Sinus-Tönen mit immer den gleichen tiefen, für den Menschen fast nicht hörbaren Frequenzen.

Am Donnerstag, 14. März, wurden nun die neun Laibe von acht Jurymitgliedern angeschnitten und degustiert. Dabei seien eindeutige Unterschiede zutage getreten, sagte Wampfler. Es konnten drei Geschmacksgruppen identifiziert werden. Dabei sei speziell, dass der Hiphop-Käse den gleichen, leicht süsslich-fruchtigen Charakter entwickelt habe, wie derjenige, der mit den tiefen Sinustönen beschallt worden sei, sagte Wampfler. Die zweite Gruppe, diejenigen Käse, die mit mittleren und höheren Tönen beschallt wurden, hätten einen kräftig würzigen und einen stechenden Nachgeschmack entwickelt. Die mit Rock und Yello beschallten Laibe hätten sich eher mild entwickelt und bei den restlichen drei Laiben, die auch eine gewisse Milde entwickelt hätten, sei es schwierig gewesen, die Unterschiede wirklich festzuhalten.

Sogar im Aussehen hatte die Jury Unterschiede festgestellt. So habe der tiefe Sinus- und der Hiphopkäse eine ausgeprägte Lochung entwickelt, sagte Wampfler. Jetzt müsse einfach noch die Auswirkungen des Rhythmus, zwischen Hiphop und Techno-Tracks genau angeschaut werden, ergänzte Harenberg und sowieso – jetzt müsse noch die biochemische Untersuchung, die von der ZHAW gemacht werde, abgewartet werden. Doch schon jetzt sehen Organisatoren und Jury Potenzial mit dem Klangkäse. «Diese Resultate sind für uns Köche sehr interessant und eröffnen neue Wege, wie wir in Zukunft kreativ mit Lebensmitteln arbeiten können», sagte der Westschweizer Starkoch Benjamin Luzuy und Insektenköchin Andrea Staudacher ergänzte: «Jetzt kommt eine neue Geschichte zu einem alten Lebensmittel dazu.» Auch Käseproduzent Anton Wyss sieht Potenzial. Zwar nicht mit Hiphop – Wyss liess seinen Emmentaler mit einem Jodlerstück, dem «Trueber Bueb», beschallen.
hanspeter.schneider@rubmedia.ch