07.02.2024
Initiativen auf dem Holzweg
Die extremen Forderungen der Trinkwasser- und Pestizid-Initiativen würden die Herstellung von Lebensmitteln und die Versorgung der Bevölkerung mit sicheren Nahrungsmitteln gefährden. Die fial empfiehlt beide Initiativen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.
Die landwirtschaftliche Produktion ist ohne Pflanzenschutz eine Herausforderung. Cercospora-Blattfleckenkrankheit auf einem Zuckerrübenblatt.
Zwei Volksinitiativen mit neuen Vorschriften zur Produktion von Lebensmitteln beschäftigen derzeit das Parlament. Beide Initiativen sind extrem und kaum mehrheitsfähig. Extreme Forderungen Die Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (Trinkwasserinitiative) verlangt, dass nur noch Landwirtschaftsbetriebe Direktzahlungen erhalten, die keine Pflanzenschutzmittel einsetzen, ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz auskommen und nur so viele Tiere halten, wie sie mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernähren können. Die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» (Pestizidinitiative) will den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Bioziden in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege verbieten. Auch der gewerbsmässige Import von Lebensmitteln, die synthetische Pflanzenschutzmittel enthalten oder mit Hilfe solcher hergestellt wurden, soll untersagt werden. Lebensmittel würden knapp und teuer Ohne Pflanzenschutz könnte nur ein Bruchteil der heutigen Menge an landwirtschaftlichen Produkten produziert werden. Schon mit den bestehenden Vorschriften ist die Bekämpfung von Schädlingen – aktuell zum Beispiel im Zuckerrübenanbau – eine Herausforderung. Die von den Initiativen geforderten Einschränkungen würden die Produktion von Nahrungsmitteln erheblich erschweren. Das würde das Lebensmittelangebot verknappen und verteuern und den Einkaufstourismus befeuwern. Viele bäuerliche Betriebe und Unternehmen der Nahrungsmittelbranche würden in ihrer Existenz bedroht. Die Lebensmittelsicherheit würde sinken Auch Reinigungs- und Desinfektionsmittel (Biozide), welche die Sicherheit und Hygiene entlang der Lebensmittelkette gewährleisten, sind synthetische Pestizide. Auch sie würden mit der Initiative verboten. Damit behandelte Lebensmittel dürften nicht mehr gewerbsmässig importiert werden. Dies würde nicht nur WTO-Recht verletzen, sondern auch die Lebensmittelsicherheit negativ beeinträchtigen. Auch Bio-Landwirtschaft würde geschwächt Die Unterscheidung zwischen synthetischen und nicht-synthetischen Pflanzenschutzmitteln ist unsinnig und stimmt auch nicht mit der Unterscheidung zwischen konventioneller und Bio-Landwirtschaft überein. Auch im Bio-Anbau werden synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt, und selbst direkt aus der Natur gewonnene Pflanzenschutzmittel enthalten synthetische Zusatzstoffe. Somit würde die Initiative auch in der Bio-Landwirtschaft einen sinnvollen Pflanzenschutz verunmöglichen. Food Waste würde zunehmen Viele Futtermittel sind Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie, zum Beispiel Getreidekleie aus der Müllereibranche, Rübenschnitzel aus der Zuckerproduktion, Ex-traktionsschrot und Presskuchen aus der pflanzlichen Ölgewinnung, Schotte aus der Käseproduktion oder Biertreber aus der Bierherstellung. Die Trinkwasser-Initiative würde die Verfütterung dieser Nebenprodukte mit dem Entzug von Direktzahlungen bestrafen. Damit würden mehr wertvolle Futtermittel in Biogasanlagen oder der Verbrennung landen. Dies wäre ein ökologischer Unsinn und Food Waste par excellence. Auch die Pestizid-Initiative würde zu einer Zunahme von Food Waste führen, da ein wirkungsvoller Pflanzenschutz heute nicht nur die Ernte schützt, sondern auch die Qualität und damit die Haltbarkeit von Lebensmitteln positiv beeinflusst. Es ist kein Gegenvorschlag nötig Die Behörden und die betroffenen Akteure nehmen die von den Initiativen angesprochenen Herausforderungen ernst und arbeiten schon heute an Verbesserungen. Beispiele sind der «Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz», die «Nationale Strategie Antibiotikaresistenzen», der «Aktionsplan Biodiversität», die «Strategie nachhaltige Schweizer Futtermittelversorgung» und die geplanten Massnahmen im Rahmen der Agrarpolitik 22+. Vor diesem Hintergrund wären Gegenvorschläge zu den Initiativen unnötig und abzulehnen. *Urs Furrer ist Rechtsanwalt und Co-Geschäftsführer der fial
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